# taz.de -- Bayer Leverkusen vor Rückrundenstart: Vom Chef- zum Bank-Ballack
       
       > Vor dem Rückrundenauftakt gegen Tabellenführer Dortmund beschäftigt Bayer
       > Leverkusen nur eine Frage: Wie sollen sie mit dem wieder genesenen
       > Michael Ballack umgehen?
       
 (IMG) Bild: Eine Spätblüte in ernster Gefahr: Michael Ballack in Leverkusen.
       
       Es ist ein überaus zäher Prozess der Wahrheitsvermittlung, den Jupp
       Heynckes in den Tagen vor dem Rückrundenstart zu bewerkstelligen hat. Denn
       zum Kader des Trainers vom Bayer Leverkusen gehört der genesene Michael
       Ballack. Offiziell firmiert der Mann immer noch als Kapitän der
       Nationalmannschaft, und seit mehreren Wochen trainiert er nach seinem Bruch
       des Schienbeinköpfchens vor vier Monaten beschwerdefrei.
       
       Und doch verschwendet Heynckes keinen Gedanken daran, den 34-Jährigen am
       Freitag aufzustellen im Spiel gegen Tabellenführer Borussia Dortmund (ARD
       live 20.15 Uhr). "Ich finde, es ist wichtig, dass ein Spieler realistisch
       ist nach so einer langen Verletzungspause", sagt Heynckes, Ballack fehle
       die "Matchpraxis", da dürfe er "keine Ansprüche" stellen. Der beste
       deutsche Fußballspieler des vergangenen Jahrzehnts muss wohl froh sein, auf
       der Bank Platz nehmen zu dürfen.
       
       Für Ballack scheint diese Situation eine große emotionale Herausforderung
       darzustellen. Schließlich begreift er sich immer noch als Koryphäe seines
       Sports, und Geduld gehörte noch nie zu seinen Stärken. "Ich weiß aus
       Erfahrung, dass ich meine Fitness über Wettkampfpraxis bekomme, und das
       weiß der Trainer auch", sagte Ballack nach 45 Minuten Testspiel in
       Oberhausen vorige Woche. Und natürlich hoffe er auf einen Einsatz gegen
       Dortmund.
       
       Heynckes Reaktion auf die forschen Töne: Zur zweiten Vorbereitungspartie in
       Osnabrück nahm er den 94-maligen Nationalspieler gar nicht erst mit.
       Ballack habe mehr davon gehabt, 90 Minuten zu trainieren als von 15 Minuten
       Matchpraxis, sagt Heynckes.
       
       Es ist ziemlich deutlich, dass der Trainer nicht darauf hinarbeitet,
       Ballack schnell in sein Team zu integrieren. Vielmehr ist er dabei, dem
       stolzen Spieler auf subtile Art und Weise mitzuteilen, dass er ihn
       zumindest im Moment gar nicht braucht. Denn auf der Position im defensiven
       Mittelfeld ist Kapitän Simon Rolfes gesetzt, und Arturo Vidal spielte dort
       eine überragende Vorrunde, gehörte zu den besten Profis der Liga.
       
       Außerdem drängt Lars Bender derart vehement in die Startelf, dass Heynckes
       ernsthaft erwägt, Vidal, der bis zum Wochenende bei seinem zuckerkranken
       Sohn in Chile weilte, auf die Bank zu setzen. Bender ist so etwas wie der
       Lieblingsschüler des Trainers. "Er hat einen Supercharakter und die
       Fähigkeit, auf dem Platz nie aufzugeben", sagt Heynckes über den
       21-Jährigen, dessen Zwillingsbruder beim BVB spielt. "Er kann immer Gas
       geben, selbst wenn der Sprit aufgebraucht ist, aus so einem Holz sind
       Nationalspieler geschnitzt."
       
       Und da Hanno Balitsch oder Stefan Reinartz ebenfalls auf der 6 spielen
       können, scheint es fast so, als entwickle Ballack sich zu einem großen
       Irrtum. Denn selbst in guter Verfassung dürfte er Probleme bekommen, sich
       gegen diese Konkurrenz durchzusetzen. "Das ist kein Dilemma, das ist
       Luxus", erwidert Heynckes auf solche Einwürfe, es gebe in der Europa League
       noch ausreichend Gelegenheit zur Rotation. Doch wird sich Ballack mit
       Kurzeinsätzen in der Bundesliga und Spielen gegen Metalist Charkow
       zufrieden geben? Der Mann will schließlich noch einmal zurückfinden in
       seine Rolle als Chef der Nationalmannschaft.
       
       Ballacks letzte Karrierephase droht, sich tragisch zu entwickeln. Die
       geplante Spätblüte am Rhein ist in ernster Gefahr. Zu allem Überfluss ist
       Ballack auch noch dem Erwartungsdruck der Sponsoren ausgesetzt. Der
       angeblich 15 Millionen Euro teure Transfer war eine PR-Aktion der Bayer-AG,
       doch bisher lieferte Ballack keine positiven Schlagzeilen.
       
       Stattdessen gab es auch noch Menge Ärger im Duell mit Philipp Lahm ums
       Kapitänsamt der Nationalmannschaft sowie unschöne Gerüchte über das
       Privatleben des dreifachen Vaters. Damit diese Eindrücke von neuen Bildern
       überlagert werden, können es einige Leute beim Chemiekonzern angeblich kaum
       erwarten, Ballack endlich als Fußballer glänzen zu sehen.
       
       Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser hat diese Woche aber eilig versichert,
       dass weder von der Klubführung noch vom Werk Druck auf den Trainer ausgeübt
       werde. Alles andere wäre auch kontraproduktiv, schließlich bemüht
       Holzhäuser sich derzeit um eine Verlängerung des im Sommer auslaufenden
       Vertrags von Heynckes. Und ob der sich auf ein weiteres Jahr Leverkusen
       einlässt, dürfte auch von einer vernünftigen Lösung des Ballack-Problems
       abhängen.
       
       13 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Theweleit
       
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