# taz.de -- Neue Bücher über Popikone Frank Zappa: Randvoll mit sich und der Musik
       
       > Drei Bücher blicken in die vielen Gesichter des Frank Zappa. So wird die
       > Musiklegende auf den Boden zurückgeholt. Schillernd bleibt sie trotzdem.
       
 (IMG) Bild: Er glaubt an gar nichts: Der 27jährige Frank Zappa 1968.
       
       Der amerikanische Musiker Frank Zappa, der im Dezember 1993 gestorben ist,
       wäre kurz vor Weihnachten 70 Jahre alt geworden. Musikalischer Störenfried,
       Bürgerschreck, Schock-Ästhet, Pop-Mephisto, - vermutlich ließe sich ein
       Büchlein mit den Etikettierungen füllen, mit denen Frank Zappa zeitlebens
       bedacht wurde.
       
       Doch wer ist der wahre Frank Zappa? Ist es der wilde Verrückte, zu dem ihn
       Scharen von Wohngemeinschaften durch das Aufhängen des Klo-Fotos
       stilisierten? Oder ist es das hochkulturelle Genie im Frack? Beides
       plakative Bilder. Doch wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen dem
       Menschen Frank Zappa zu seinem Abbild? Zwei neue und ein neu aufgelegtes
       Buch nähern sich diesem Phänomen. Gelingt die Entdeckung des Menschen
       hinter dem Künstler?
       
       Zappa-Biograf Ingo Meyer lässt zunächst nicht den eigenen, sondern den
       Blick anderer schweifen. Etwa den der Jefferson Airplane-Sängerin Grace
       Slick. Sie nannte Frank Zappa "das intelligenteste Arschloch, das ich je
       getroffen habe". Zappas langjährige Perkussionistin Ruth Underwood bedenkt
       ihn mit den Worten: "Zappa ist ein Zyniker, aber völlig destruktiv. Er
       glaubt an gar nichts, nicht mal an die Liebe. Er ist innen einfach leer."
       
       In dieser Leere aber ist alles Musik. Frank Zappas Musik. Er ist der
       Gebieter in seinem eigenen Universum. Und genügt nur sich selbst. Vom
       ganzen Rest genügt ihm nichts. Die bildende Künstlerin Emily James, die den
       berühmten "Quilt" aus auf die Bühne geworfener Frauenunterwäsche
       anfertigte, attestiert Zappa, "randvoll mit sich selbst bis zur Ausblendung
       aller seiner Mitmenschen" gewesen zu sein.
       
       Aus dieser Fülle quellen energiegeladene musikalische Dokumente. Frank
       Wonneberg kommt in seiner "Frank Zappa-Discology" auf 57 Veröffentlichungen
       zwischen 1966 und 1993, der Zappa Famliy Trust sogar auf 62. Kein Wunder
       also, dass sich George Duke, der Keyboarder der frühen Siebziger, zu der
       Aussage hinreißen lässt, "ich habe niemals wieder jemanden getroffen, der
       härter als er gearbeitet hätte. Vom Aufstehen bis zum Zu-Bett-Gehen dachte
       er Musik."
       
       Unbändige Arbeitswut 
       
       Frank Zappas unbändige Arbeitswut zeigt sich schon 1964, also Jahre vor dem
       Debüt mit den Mothers of Invention. Barry Miles protokolliert eine
       entsprechende Aussage Zappas: "Als ich erst einmal gelernt hatte, mit der
       Studioausstattung umzugehen, saß ich da zwölf Stunden am Stück, spielte
       alle Instrumente und nahm sie auf Band auf."
       
       Egomanisch wie er war, betätigt er sich von Anfang an als Komponist,
       Texter, Arrangeur, Toningenieur, Produzent, Verleger, Firmenchef,
       Multimedia-Pionier und Techniktüftler. Meist gleichzeitig und oberperfekt.
       Der Kontrollfreak Frank Zappa zielt dabei nicht auf das Genre Rockmusik,
       obwohl er sich seit jugendlichen Zeiten darin tummelt.
       
       Wieder ist es Barry Miles, der Zappas Worte festhält: "Ich hatte eigentlich
       nie vor, Rockmusik zu schreiben. Ich wollte ernsthafte Musik für
       Konzerthallen komponieren, aber mir war klar, dass niemand die aufführen
       würde. So kam ich auf den Gedanken, dass ich wohl eine Band zusammenstellen
       und Rockmusik spielen müsse, wenn irgendjemand irgendwann mal eine meiner
       Kompositionen zu hören bekommen sollte." Stets rauschen ihm Musikfetzen von
       Edgar Varèse, Igor Strawinsky oder Anton Webern durchs Hirn. Grund genug,
       über die Jahre alles komplexer werden zu lassen und eine Vielzahl
       künstlerischer Metamorphosen zu durchlaufen.
       
       Am Ende seines Lebens hat er die revolutionären Beiträge zur Rockmusik in
       Richtung klassischer Avantgarde verlängert und arbeitet mit Verfechtern der
       Neuen Musik wie Pierre Boulez oder dem Ensemble Modern zusammen. Verdient
       Frank Zappa den Genialitätspreis? Er selbst verneint bereits 1989. "Ich bin
       nicht genial, ich mache meine Arbeit." Für Wonneberg ist Zappas Ausspruch,
       "mein Geheimnis dabei ist, dass ich exakt weiß, was ich tue", so prägend,
       dass er das Zitat seiner Discology voranstellt.
       
       Frank Zappa verstößt gleich beim ersten Album, das er mit seiner Band
       Mothers of Invention veröffentlicht, massiv gegen alle Konventionen des
       Rock-n-Roll-Business. "Freak Out!" von 1966 ist nicht nur ein bis dahin
       undenkbarer Doppelalbum-Erstling, es gilt auch als die Erfindung des
       Rock-Konzeptalbums. Die Titel beziehen sich aufeinander, anstatt einfach
       aneinandergereiht zu werden.
       
       Ingo Meyer wertet dies als Beginn des schwierigen Versuchs Frank Zappas,
       "über organisierte Anarchie im System gegen das System Position zu
       beziehen. Dieses System heißt seit Theodor W. Adorno ,Kulturindustrie'."
       Obwohl Zappas Werk voll von bitterböser und frontal angreifender
       Gesellschaftskritik ist, lässt er sich nie vereinnahmen.
       
       Auch nicht von der APO. Meyer verweist auf das Zappa-Konzert im Berliner
       Sportpalast vom 16. Oktober 1968 vor rund 8.000 Besuchern. Fritz Teufel saß
       damals im Gefängnis Moabit ein. Die Kommune 1 hatte Frank Zappa
       aufgefordert, zum Sturm auf das Gefängnis aufzurufen. Er lehnt, laut
       Konzertveranstalter Fritz Rau, mit dem Hinweis ab, dass die Zeichen nicht
       auf Revolution stünden, und provoziert eine Bühnenbesetzung. Umgeben von
       Demonstranten spielt Frank Zappa "Ho, Ho, Ho Chi Minh" als grotesken
       Militärmarsch. Er zeigt einmal mehr, dass seine Intention und die
       Projektion des Publikums oft grundverschieden sind.
       
       Letzteres gilt auch für das Stück "Bobby Brown", das in Deutschland
       unbeanstandet fünfzehn Wochen in den Top Ten war. In England und den USA
       steht der Titel aufgrund seines deftigen bis obszönen Texts bis heute auf
       den Indexlisten. Hier hat sich Frank Zappa erneut einen Gedanken Adornos
       zunutze gemacht. Eine als Mitsing-Hymne ausgelegte Melodie, Adorno benutzt
       den Begriff ,bürgerliche Vulgärmusik', wird mit einem provozierenden Text
       unterlegt, den in Deutschland zudem kaum jemand versteht. Der deutliche
       Gegensatz zu Adorno liegt in Zappas stets humoristischer Herangehensweise.
       
       Frank Zappas Systemkritik ist so widersprüchlich wie seine Musik. Auf
       fruchtbaren Boden fällt diese Querdenkerei in der damaligen
       Tschechoslowakei. Dort gründen sich 1968 The Plastic People of the
       Universe. Der Bandname stammt aus einem Stück von Zappas Platte "Absolutely
       Free". Barry Miles weist darauf hin, dass die von Milan "Mejla" Hlavsa
       gegründete Truppe immer für die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks
       stand, ohne ihre Musik, ganz im Sinne Zappas, in einem simplen politischen
       Verständnis vorzutragen. Ihre Verhaftung im Jahr 1976 wird der Auslöser für
       die von Zappa-Fan Václav Havel mit verfasste Charta 77.
       
       Frank Zappas Werk ist rund um den Erdball erschienen. Von Simbabwe bis nach
       Argentinien. Dort wurde "Hot Rats" zu "Ratas Calientes". Frank Wonneberg
       betritt die wahre Metaebene von Zappas Schaffen. Seiner Suche nach dem
       Klang spürt er in der Zappa-Vinyl-Welt nach und blickt auf 850 verschiedene
       weltweit verstreute Labelaufkleber. Es geht dabei nicht um Musik allein,
       sondern um die verborgenen Geheimnisse von Rillen, Prägungen und Zeichen.
       
       Mit Rillenfotos, Oszillogrammen und Besetzungslisten beschreibt Wonneberg
       Unterschiede der Pressungen. Das verstellte Schöne einer Platte, die
       Klangästhetik dahinter wird freigelegt. Frank Zappa hat Mitte der Achtziger
       begonnen, seinen Backkatalog zu überarbeiten. Dabei hat er von den alten
       Masterbändern teils neue Mixe angefertigt, teils hat er alte Spuren gegen
       neu aufgenommene Instrumente getauscht. Dies nachvollziehbar zu machen,
       widmet sich Wonneberg mit Akribie und einer Ernsthaftigkeit, die den
       Perfektionisten Frank Zappa beeindruckt hätten.
       
       Die Autoren haben ihn jenseits des euphorischen Tons brachial ernst
       genommen. Und dabei die oft zweifelhaften autobiografischen Aussagen Zappas
       behutsam bewertet und eingeordnet. So wird er aus der Sphäre der überhöhten
       Ikonenhaftigkeit herausgezerrt und dem Menschen Frank Zappa Bodenhaftung
       zurückgegeben. Sein Werk wird so wieder besser wahrnehmbar. Doch endgültig
       gelöst wird das Rätsel nicht.
       
       Die Unschärfe im Blick auf Frank Zappas Lebensfacetten ist nicht vollends
       verschwunden. Er bleibt schillernd, umstrittenen und bewundert. So werden
       wohl noch viele seinem Charme des Unberechenbaren erliegen.
       
       13 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz X. A. Zipperer
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Frank Zappa
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Doku „Eat That Question – Frank Zappa“: Aufs Klo gehen wir doch alle
       
       Der Film über Zappa funktioniert als Schlüssel zum Werk des schrägen,
       erdnussbuttersüchtigen, früh verstorbenen Künstlers – und als Sittenbild
       der USA.