# taz.de -- Muslimischer Schüler als Terrorist hingestellt: Yasins zu wachsame Lehrerin
       
       > Wegen einer Ethik-Klausur unter Terrorismusverdacht. Und das ist nicht
       > alles: Statt die Schulleitung zu kontaktieren, meldete die Lehrerin den
       > Schüler gleich mal bei der Polizei.
       
 (IMG) Bild: Stand unter Terrorismus-Verdacht: Yasin Celik.
       
       GARBSEN taz | Wachsam zu sein gegenüber muslimischen Mitbürgern, das
       empfehlen Innenpolitiker immer wieder, nicht erst, seit in Deutschland
       Terrorwarnungen ergehen. Wozu dieses Klima führen kann, hat ein
       türkischstämmiger Oberstufenschüler aus dem niedersächsischen Garbsen
       erfahren müssen. Im Sommer 2008 bereits hatte eine Lehrerin ihn anonym der
       Polizei gemeldet: Er sei Mitglied einer islamistisch-terroristischen
       Vereinigung.
       
       Einziger Anhaltspunkt war eine Klausur, die er in ihrem Unterricht
       geschrieben hatte. Nach einer zweimonatigen Überprüfung stellte der
       Staatsschutz aber fest: Nichts dran an dem Vorwurf, der Schüler völlig
       harmlos. Erst jetzt wandte der inzwischen 21-Jährige sich an die
       Öffentlichkeit.
       
       Die Schule hat Yasin Celik mittlerweile geschmissen. In den vergangenen
       zwei Jahren schlug er sich als Lagerarbeiter durch, seit Anfang 2011 ist er
       arbeitslos. Kurz vor seinem Abitur hat er die Integrierte Gesamtschule
       (IGS) Garbsen verlassen: Nach Bekanntwerden des Vorfalls sei er auf dem
       Schulhof als "Osama bin Laden" und "Terrorist" beschimpft worden.
       
       "Ich war psychisch am Ende, die Lehrerin hat mir meine Zukunft verbaut" -
       davon ist Celik überzeugt. Am liebsten würde er sein Abitur nachholen und
       dann studieren, aber mit dem schlechten Zeugnis, das er damals hatte, will
       ihn keine Schule mehr. Auch ein Ausbildungsplatz ist nicht in Sicht.
       
       Celik ist Moslem, aber damals, vor zwei Jahren, war der Gang in die Moschee
       für ihn eher die Ausnahme. "Ich habe zu der Zeit noch nicht mal richtig
       praktiziert", erzählt er. Lieber ging er auf Partys oder ins Sportwettbüro.
       Wie die Lehrerin zu ihrem Verdacht kam, kann er sich nicht erklären: "Ich
       verachte Terrorismus in jeglicher Form und dass Unschuldige dabei zum Opfer
       werden."
       
       Die Klausur, die alles ins Rollen brachte, hatte Hans Küngs "Weltethos" zum
       Thema. Die Menschen könnten das von Küng entwickelte Regelwerk nicht
       annehmen, schrieb Celik, weil sie bisher "zu frei gelebt" hätten. "Das
       Weltethos ist zu spät bei den Menschen angekommen", heißt es weiter. Man
       könne doch von Christen nicht verlangen, die islamischen Werte anzunehmen.
       
       Diese Passagen schienen der Lehrerin zu genügen, ihren Verdacht zu
       formulieren. Zu einer Stellungnahme war sie bisher nicht bereit. Laut der
       Hannoverschen Allgemeinen Zeitung zufolge hat die Lehrerin selbst ein Buch
       über das Weltethos geschrieben - mit einem Vorwort von Hans Küng. Für
       seinen Aufsatz gab sie Yasin Celik damals eine 5.
       
       Dass seine Lehrerin ihn angeschwärzt hatte, erfuhr Celik zwei Monate später
       von der Polizei. Observiert hatte die ihn aber gar nicht: "Wir sind
       lediglich dem anonymen Hinweis nachgegangen und haben die Sache fallen
       lassen, weil sie unbegründet war", sagt der Sprecher der Polizei Hannover,
       Thorsten Schiewe. Die Beamten erzählten Celik von den Vorwürfen, er brachte
       seine Lehrerin als mögliche Urheberin ins Spiel. Gegenüber der Polizei gab
       sie dann zu, ihren Schüler anonym denunziert zu haben.
       
       Celik erstattete Strafanzeige wegen Verleumdung. Die Staatsanwaltschaft
       stellte die Ermittlungen nach sechs Monaten ein: Es mangele an einem
       hinreichenden Tatverdacht, die Lehrerin sei von einer ernsthaften Bedrohung
       ausgegangen.
       
       An der IGS Garbsen, die mit dem Spruch "Verschieden sein, gemeinsam lernen"
       für sich wirbt, zeigt man sich entsetzt. Der Schulleiter Günther Herweg
       rügt die Aktion der Lehrerin als "nicht gerechtfertigt". Auch er hatte von
       dem Vorfall erst von der Polizei erfahren und ihn dann der
       Landesschulbehörde übergeben.
       
       Laut deren Sprecher Christian Zachlod wurde im September 2009 ein
       Disziplinarverfahren gegen die Lehrerin eingeleitet. "Dem Ergebnis des noch
       laufenden Verfahrens können wir aber nicht vorgreifen", sagt er. Derzeit
       unterrichtet die Lehrerin weiter an der Schule Ethik und Mathematik.
       
       Die Opposition im niedersächsischen Landtag kritisiert den Vorfall
       lautstark, allen voran Filiz Polat. Die migrationspolitische Sprecherin der
       Grünen sagt: "Die Stigmatisierung muslimischer Bürger als potenzielle
       Terroristen ist wohl auch bei Lehrkräften angekommen." Die Grünen sind
       jetzt dabei, eine Anfrage an die Landesregierung und das Kultusministerium
       zu formulieren.
       
       Sie wollen unter anderem wissen, inwiefern Lehrer geschult werden, deren
       Schüler unterschiedlichen Konfessionen angehören. Auch aus SPD und
       Linkspartei wird Kritik laut. "Innenminister Schünemanns Denunziations- und
       Bespitzelungskampagne gegen junge Muslime zeigt offensichtlich Wirkung",
       sagt Pia Zimmermann, innenpolitische Sprecherin der Linken.
       
       Dass seine Lehrerin wachsam war, ist nicht, was Yasin Celik stört. "Ich
       sage doch nichts dazu, dass sie reagiert hat", sagt Celik. "Nur, wie sie es
       getan hat." Sie hätte einfach nur mit ihm reden sollen. Oder mit dem
       Schulleiter. Oder mit den Eltern. Entschuldigt hat sie sich bei Yasin Celik
       bis heute nicht.
       
       14 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Emilia Smechowski
       
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