# taz.de -- Skandal um Medikament Mediator: Die Appetitzügler brachten den Tod
       
       > In Frankreich hat offensichtlich die Arzneimittelkontrollstelle versagt.
       > An dem Medikament mit dem Wirkstoff Benfluorex sollen bis zu 2000
       > Menschen gestorben sein.
       
 (IMG) Bild: Pillen: machen nicht immer glücklich und gesund.
       
       PARIS taz | Pillen schlucken kann tödlich sein, jedenfalls in Frankreich.
       Sehr schwerwiegende Anschuldigungen hat die Inspektion der französischen
       Sozial- und Gesundheitsbehörden (Igas) gegen das Pharmazeutikunternehmen
       Servier und dessen bis 2009 vertriebenes Medikament "Mediator" erhoben.
       
       Das Labor habe dank seiner Beziehungen und der Schwachstellen im System der
       Zulassung und Überwachung von Heilmitteln mit Erfolg die Gefahren dieses
       Produkts verharmlost. Jetzt will die Regierung, gestützt auf diese
       Erkenntnisse und Empfehlungen der Igas, die Arzneikontrolle völlig
       reorganisieren. Zwischen 500 und 2.000 behandelte Patienten sind
       schätzungsweise in Frankreich an den schweren Nebenwirkungen des
       Medikaments Mediator gestorben.
       
       Es handelt sich dabei um den zur Familie der Amphetamine gehörenden
       Wirkstoff Benfluorex des französischen Pharmaunternehmens Servier. Dieser
       war 1976 aufgrund seiner angeblichen Vorteile bei der Behandlung von
       Diabetes zugelassen worden. Verwendet wurde das Medikament jedoch vor allem
       als Appetitzügler bei Schlankheitskuren. Schockierend ist vor allem die
       Tatsache, dass schon sehr früh Ärzte vor den gravierenden Nebenwirkungen
       gewarnt hatten. Inzwischen haben drei Studien diese seit Jahren gemeldeten
       Risiken und die potenziell tödliche Schädigung der Herzklappen bestätigt
       und somit den Verdacht erhärtet, das Hunderte von Menschen wegen der
       Einnahme von Mediator gestorben sind.
       
       In mehreren Ländern wurde das auch unter dem Namen Mediaxal zugelassene
       Mittel schon nach 1997 aus dem Verkauf gezogen. In Deutschland wurde es gar
       nicht erst im Umlauf gebracht. Unverständlich muss es darum anmuten, dass
       es dagegen in Frankreich bis Ende 2009 nicht nur verkauft, sondern auch von
       der Krankenkasse vergütet wurde. Laut dem Igas-Bericht habe Servier die für
       die Zulassung und Kontrolle zuständige Heilmittelstelle (Afssaps)
       vorsätzlich getäuscht, um die Risiken zu verharmlosen.
       
       Der Gründer des zweitgrößten französischen Pharmalabors, der 88-jährige
       Jacques Servier, hat selber noch vor Kurzem die Gefährlichkeit geleugnet
       und wollte allenfalls drei eventuell durch Mediator verursachte Todesfälle
       einräumen. Im Februar muss er vor Gericht aussagen. Sein Unternehmen wird
       auch verdächtigt, über befreundete Experten die Kontrollbehörde beeinflusst
       zu haben.
       
       Heute wundert sich jedenfalls die Igas über eine geradezu "unglaubliche
       Toleranz" gegenüber den Argumenten von Servier. Der Fall sei jedoch
       symptomatisch für ein System, das aufgrund seiner "wenig reaktiven,
       schwerfälligen und von bürokratische Prozeduren behinderten Strukturen in
       einer Art und Weise für Risiken unempfindlich war, die mit der Ausübung
       dieser Mission der gesundheitlichen Sicherheit unvereinbar" gewesen sei.
       
       Der bisherige Afssaps-Direktor ist zurückgetreten, und Gesundheitsminister
       Xavier Bertrand hat versprochen, es würden alle Lehren aus diesem
       Heilmittelskandal gezogen, um die Zulassung und Risikoevaluation von
       Medikamenten in Frankreich von Grund auf neu zu organisieren. Für die
       Mediator-Opfer werde aus staatlichen Mitteln ein Fonds gebildet, der
       sämtliche Folgekosten übernehme, kündigte Bertrand an.
       
       18 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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