# taz.de -- Verkaufsstrategie bei Luxusartikeln: Macht kaputt, was nicht verkauft wird
> Einige Luxushersteller – wie die Porzellanmanufaktur Meißen – zerstören
> unverkäufliche Ware lieber, als die Preise zu reduzieren. Sie fürchten um
> das Image ihrer Marke.
(IMG) Bild: Wenn die Ladenhüter nicht im Müll landen, tut es möglicherweise das Image.
Mitte Oktober schepperte es laut in der Talstraße in Meißen hinter den
Mauern der Porzellanmanufaktur. Besorgte Ohrenzeugen riefen die Polizei.
Die stellte fest, dass Mitarbeiter auf dem Gelände des 300 Jahre alten
Traditionsunternehmens in Staatsbesitz gerade große Mengen Porzellan
vernichtet werden. Angeblich soll es sich um 20 Kubikmeter des weißen
Goldes gehandelt haben.
Die vermeintlichen Vandalen handelten allerdings auf Weisung von ganz oben.
Kurt Biedenkopf, ehemaliger CDU-Ministerpräsident Sachsens und jetzt
Vorsitzender des Aufsichtsrats, teilte mit: "Die Manufaktur hat sich von
unverkäuflichen Produkten getrennt." Das Unternehmen verwies auch darauf,
dass dies üblich sei: "Ein solcher Bestandsabbau wird von allen führenden
Premium- und Luxusmarkenanbietern weltweit als gängige Praxis zur
Kostenoptimierung und Wertsicherung der Marke betrieben." Dies sei ein
"entscheidender Schritt" zur Sanierung des finanziell angeschlagenen
Traditionshauses.
Auf den ersten Blick ist das schwer zu verstehen. Warum reduziert das
Unternehmen nicht die Preise seiner Ladenhüter? Warum bringt es mehr
Gewinn, die Produkte zu zerstören, als sie zum halben Preis zu verkaufen?
Die Antwort liegt in der Bedeutung des Markenimage bei der
Verkaufsstrategie von Luxusartikeln. Die Herstellungskosten von Produkten
in diesem Segment machen nur einen Bruchteil des Verkaufspreises aus.
Kunden zahlen die hohen Preise nicht für das Produkt, sondern weil sie den
Eindruck haben, ein entsprechendes Image mitzukaufen.
Wenn Porzellan aus Meißen zur Hälfte des üblichen Preises verkauft wird,
dann sind die Luxuskunden nicht mehr bereit, für die Produkte das Doppelte
zu zahlen. Das meint das Unternehmen, wenn es von der "Wertsicherung der
Marke" spricht. Also landen die wertvollen Stücke auf dem Müll.
Doch wenn bekannt wird, dass ein Unternehmen neue Produkte zerstört, kann
das ebenfalls die Marke beschädigen. Im vergangenen Winter etwa fand die
Studentin Cynthia Magnus in den Mülltüten einer H&M-Filiale in New York
T-Shirts und andere Kleidungsstücke. Die Kleidung war neu - und
zerschnitten, damit sie niemand aus dem Müll holen und anziehen kann. Und
das im Winter, während andere Menschen frieren.
Image landet im Müll
H&M wollte zu dem Vorgang zunächst keine Stellung nehmen. Als immer mehr
Menschen in Blogs und auf Facebook die Methoden des Unternehmens
kritisierten und auch die Medien begonnen, über den Vorgang zu berichten,
musste H&M seine Geschäftspolitik ändern. "Es wird nicht mehr vorkommen",
sagte Unternehmenssprecherin Nicole Christi. Restposten gehen nun an
karitative Einrichtungen wie das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) -
allerdings mit der Einschränkung, dass die Ware nicht in Ländern verteilt
werden darf, in denen es Filialen von H&M gibt.
Das erklärt, dass es keine Statistiken darüber gibt, wie viele neue
Produkte zerstört werden: Jeder Markenhersteller müsste damit rechnen, dass
sein Image beschädigt wird, wenn er sich dazu bekennt. Also wird weiter
zerstört - und geschwiegen.
Das Problem mit der reduzierten Ware gilt allerdings nicht für die gesamte
Branche. Billighersteller können ihre Ware problemlos verramschen - sie
haben kein Luxusimage, um das sie fürchten müssten. Dazu gehört zum
Beispiel Medion: Der Elektronikhersteller für Aldi und Real verkauft
deutlich reduzierte Ware in seinem Onlineshop in der Rubrik
"Sonderangebote". Viele Billigladenhüter landen auch in den Wühltischen von
Kaufhäusern oder in 1-Euro-Geschäften.
Die letzte Station vieler Produkte ist Ulrich Zimmermann, Eigentümer der
Zimmermann Groß- und Einzelhandel, Im- und Export GmbH in Oldenburg. Zu dem
Unternehmen gehören 25 Sonderpostenmärkte in Norddeutschland. "Wir haben
keine Kernkompetenz", sagt Zimmermann - er verkauft einfach alles. In
seinem Sortiment landen Fahrräder von Mifa, Modellfahrzeuge von Lego,
Seilwinden von Güde oder Ketchup von Livio. Die Kunden erreicht er über
zwölfseitige Werbebeilagen in den Anzeigenblättern der Region.
Auch Luxushersteller wagen den Spagat, ihre angeblich hochwertigen Produkte
billig zu verkaufen, ohne dabei die Marke zu beschädigen. Dabei hilft ihnen
Jacques-Antoine Granjon, einer der erfolgreichsten Internetunternehmer
Frankreichs. Bei ihm können Markenartikler ihre Ladenhüter loswerden - ohne
dabei allzu viel Aufsehen zu erregen. Jedes Produkt wird nur wenige Tage
lang verkauft.
Kunden müssen sich erst kostenlos auf der Website [1][vente-privee.com]
registrieren, um die Angebote zu sehen. Die Ware ist 50 bis 70 Prozent
reduziert. Wer dagegen bei Google oder einer Preisvergleichseite sucht,
stößt nicht auf die Sonderangebote. Die Illusion der Marke bleibt bestehen.
"Diskreter Abverkauf der Warenbestände", so lautet das Versprechen, das
Granjons Unternehmen auf seiner Website den Luxusherstellern gibt.
Das Unternehmen expandiert auch nach Deutschland, hier haben sich bereits
einige hunderttausend Kunden registriert. Per E-Mail erhalten sie einen
Hinweis, sobald wieder Ware von Hugo Boss, Joop, Dolce & Gabbana
eingetroffen ist. Mode ist das Hauptgeschäft, aber es gibt auch
Haushaltsprodukte, Reisen, Wein oder Autos. Der Restpostenverkäufer ist
inzwischen selbst ein Handelsgigant. Das Unternehmen machte einen Umsatz
von 800 Millionen Euro im vergangenen Jahr - und seinen Eigentümer zu einem
der hundert reichsten Franzosen.
21 Jan 2011
## LINKS
(DIR) [1] http://de.vente-privee.com/vp4/login/portal.ashx
## AUTOREN
(DIR) Sebastian Heiser
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