# taz.de -- Spielsucht: Der Automat als Spielgefährte
       
       > Die Zahl der Spielsüchtigen in Berlin geht in die Zehntausende, viele
       > Migranten sind darunter. Für manche endet der Gang ins Automatencasino
       > mit völliger Verarmung.
       
 (IMG) Bild: Ein schlechter Ersatz für Freunde: der Spielautomat.
       
       Irgendwann kam die Einsicht: "Ich habe kapiert, dass immer der Automat
       gewinnt und nicht ich", sagt Berkan O. Das habe ihn befähigt, seine
       Spielsucht zu überwinden. O., alleinerziehender Vater von zwei Kindern, war
       nur wenige Monate lang spielsüchtig, sagt er. Mit seiner Sucht, erzählt O.,
       habe er sogar dafür gesorgt, dass "meine Kinder nichts zu essen hatten".
       Darunter habe er gelitten.Wenn sie einen Euro für den Wandertag brauchten,
       habe er sie angeschrien: "Geld ist keins da. Geht in euer Zimmer."
       
       Geholfen hat O. die Selbsthilfegruppe türkischstämmiger Väter in Neukölln.
       Deren Initiator Kazim Erdogan fordert von der Politik, die
       Konzessionsvergabe für den Betrieb von Spielhallen zu verschärfen sowie die
       Nutzung von Spielhallen, Spielautomaten in Gaststätten und Wettbüros unter
       staatliche Kontrolle zu stellen. "Spielsucht zerstört Familien", sagt er.
       Allein im Dezember hätten zwölf türkischstämmige NeuköllnerInnen bei ihm
       Hilfe wegen ihrer Spielsucht gesucht. Etwa die Frau, die ihn kurz nach
       Weihnachten ansprach. Sie konnte kein Essen für die Familie kaufen. Es
       reichte nicht einmal mehr für Fladenbrot beim Bäcker. "Die Familie musste
       Weihnachten hungern", erzählt der Psychologe.
       
       Süchtigen werde das Spielen sehr leicht gemacht, so die Erfahrung der
       Männergruppe. Berkan O. erzählt, dass er in einem Imbiss kostenlos essen
       und trinken konnte, solange er die Automaten fütterte. Auch Kredite zum
       Weiterspielen gab es vom Betreiber. Schließlich verdiente der an dem
       Automaten. Für viele sei das eine Schuldenfalle und der Einstieg in eine
       kriminelle Karriere. Berkan O. blieb das erspart, weil er
       Einrichtungsgegenstände zu Geld machen konnte. Andere Männer erzählten von
       13-jährigen Dauerspielern, ohne dass die Behörden einschritten. Anders als
       in der staatlich kontrollierten Spielbank sind Mitarbeiter von Spielhallen
       nicht zur Prävention von Spielsucht verpflichtet. Automatenspiel fällt
       nicht unter das Glücksspielgesetz.
       
       Allein an der Karl-Marx-Straße hat Kazim Erdogan 33 Spielhallen und
       Wettbüros gezählt. Die Straße habe den Charakter einer Einkaufsstraße
       verloren und sei zu einer Spielhallenstraße geworden. Ähnlich sehe es in
       der Pichelsdorfer Straße in Spandau, der Müllerstraße in Wedding und
       anderen Kiezen mit vielen Migranten und armen Menschen aus. Im Ostteil der
       Stadt liegt das Problem etwas anders: Dort verzichten viele
       Kleingaststätten wegen des Nichtraucherschutzes auf den Verkauf von Speisen
       und stellen Spielautomaten auf, um den Einnahmenausfall auszugleichen. Die
       Verlockung ist allgegenwärtig.
       
       Gut 10.000 Spielautomaten sind in Berlin zugelassen, die Zahl hat sich in
       den letzten fünf Jahren verdoppelt. Rechnet man die bundesweiten Zahlen auf
       Berlin herunter, so kann man von 17.000 Berlinern mit problematischen
       Spielverhalten und weiteren 17.000 pathologisch Spielsüchtigen ausgehen.
       Hinzu kommt wegen der Tabuisierung des Themas eine hohe Dunkelziffer. Etwa
       40 Prozent der Spielsüchtigen seien Zuwanderer, schätzt Erdogan, oft
       Neuankömmlinge, sogenannte "Importbräutigame". "Sie fühlen sich einsam und
       nehmen den Spielautomaten als Ersatz für fehlende Sozialkontakte", so der
       Psychologe.
       
       28 Jan 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marina Mai
       
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