# taz.de -- Ticker zur Räumung der "Liebig 14": Bitterer Abschied für die Besetzer
       
       > Ein Großaufgebot der Polizei hat am Mittwoch das besetzte Haus in der
       > Berliner Liebigstraße 14 geräumt. Die Polizei hatte den Stadtteil
       > abgeriegelt. Zahlreiche Proteste gab es im Umfeld.
       
 (IMG) Bild: Gespenstisch: das besetzte Haus in der Liebig14.
       
       15.00: Abschlussbericht: Sie wären gerne noch länger geblieben. 4 Packungen
       Spaghetti, 2 Tüten Popcornmais stehen noch im Küchenregal des dritten
       Stocks der Liebig 14, und Ketchup. Die sechs Männer und drei Frauen, die
       sich bis zuletzt in dem umkämpften Haus verschanzt hatten, waren gut
       gerüstet. Doch das Hausprojekt, das in Berlin von der Polizei geräumt
       wurde, ist nun nur noch eine Schrotthalde. Im Innenhof des Hauses stapeln
       sich Sofas, Metallasperrungen, Turnschuhe und Matratzen, alles Sperrmüll,
       den die Polizei hinausbefördert hat, ehe sie sich Zugang zum Haus
       verschaffen konnte. Nun verschaffen sich Beamte eine abschließende
       Einschätzung aus dem Haus: Manche erste Eindrücke sind noch zurecht zu
       rücken. Nein, eine Falltür hat es nicht gegeben. Nein, das Treppenhaus, es
       wurde nicht entkernt.
       
       Doch die letzte Barrikade der Liebig-Bewohner war umständlich gebaut: Sie
       hatten so viel Sperrmüll in das Treppenhaus geschüttet und die
       Treppengeländer entfernt, dass die Polize stundenlang davon ausgegangen
       war, es gebe gar kein Treppenhaus mehr. Als sie sich am Morgen im
       Erdgeschoss Zugang zum Haus verschaffen wollte, floss ihr Wasser aus den
       oberen Etagen entgegen. Und eine verschweisste Metallvorrichtung musste mit
       Sägen, Brecheisen, Bohrhammern entfernt werden. Eine Wand aus Sperrmüll,
       kaum durchdringbar.
       
       Um die Bewohner aufzufinden waren deshalb Beamte auch durchs Dachgeschoss
       eingedrungen. Über den alten, kalten Dachboden des Nachbarhauses waren sie
       in die Liebigstraße 14 vorgedrungen, hatten dort eine Wand eingerissen.
       Dahinter standen Badewannen, mit Flüssigkeit gefüllt, in ihnen die Enden
       von Elektrokabeln. Wieder ein Hindernis, doch ohne Spannung, wie sich
       später herausstellte.
       
       „Nach jetziger Einschätzung ist hier seitens der Besetzer nicht so agiert
       worden, dass Leib und Leben anderer zielgerichtet gefährdet werden sollten.
       Es wurde sich vor allem verbarrikadiert. Das aber gewaltig“, sagte ein
       Polizeisprecher am Nachmittag der taz.
       
       Schokolade, Vollmilch-Mandel und Edelbitter liegen auch noch im Haus,
       unangerührt. Es ist ein bitterer Abschied für die Besetzer, die bis zum
       Schluss ausharrten. Und es ist das vorläufige Ende eines symbolhaften
       Kampfes, für den die Liebig 14 stehen sollte. Am Nachmittag sprach die
       Polizei von 32 Festgneommenen und 8 verletzten Polizisten. Dass es noch
       weitergeht, das ist nicht ausgeschlossen. Für den Abend ist eine weitere
       Demonstration in Berlin angekündigt, die Polizei hält sich bereit. Für den
       Tag heißt die Bilanz: Es ist, zunächst, vorbei.
       
       Damit beendet die taz auch ihren Live-Ticker zur Räumung der Liebigstraße
       14.
       
       13.31: Die kaputten Barrikaden erinnern an den letzten Abwehrkampf der
       Besetzer. Verstaubte alte Möbel stehen in den Räumen. Ein paar Flaschen
       liegen auf dem Boden verteilt.
       
       13.22: Die Presse wird nun ins Haus gelassen und die taz mit! Durch den
       Hintereingang werden die Kollegen und wir hineingelassen.
       
       13.11: Die dpa meldet: Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Renate
       Künast, verteidigte die Räumung. Sie sei rechtmäßig, sagte die
       Grünen-Spitzenkandidatin für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus
       
       13.04: Vor dem Haus in der Liebigstraße 14 gibt ein Polizeisprecher eine
       erste vorsichtige Zwischenbilanz: Bislang seien 32 Personen festgenommen
       und acht Polizeibeamte verletzt worden. Für eine abschließende Bilanz sei
       es aber noch weit zu früh. "Der Tag ist ja noch lang."
       
       12.58: Die Liebig 14 wird nun bald begehbar sein. Eine Auswahl von zehn
       Journalisten darf in absehbarer Zeit ins Haus.
       
       12.52: Ein Polzeisprecher dementiert die Meldung, wonach das Haus schon
       übergeben worden sei: "Dies ist nicht der Fall. Allerdings sind schon
       sämtliche Blockierer abgeführt worden." Unterdessen ist ein Polizist auf
       dem Balkon des Hauses bei Aufräumarbeiten zu sehen.
       
       12.44: Die Polzei ist zu den Bewohnern vorgedrungen und auf sechs Männer
       und drei Frauen gestoßen, bestätigte ein Polizeisprecher der taz.
       Unbestätigten Gerüchten zufolge sollen die ersten schon abgeführt worden
       sein. Die neun Personen werden festgenommen, weil ihnen Körperverletzung
       vorgeworfen wird. Sie sollen die Polizei mit einem Spray attakiert haben,
       als sie sich Zutritt zur Wohnung verschafft hat. Abgeführt werden die
       Bewohner durch einen Hinterhof, der für die Presse nicht zugänglich ist.
       "Dies auch, um niemanden vorzuführen", so der Sprecher der Polizei.
       
       12.40: Seit ca. einer Stunde werden 50 Demonstranten in der Bänscher Straße
       von der Polizei eingekesselt. Ihre Personalien werden zuzeit aufgenommen.
       Ihnen wurde ein persönlicher Platzverweis erteilt. Unklar sind die Gründe
       dafür, denn die Demonstanten bewegten sich lediglich friedlich von den
       Absperrungen weg.
       
       12.28: Endlich Bewegung! Der Pizzalieferant ist da. Wer geordert hat, ist
       unklar und auch, was auf der Pizza drauf ist.
       
       12.12: Der Nachrichtensender N24 berichtet, dass die Polizei inzwischen im
       richtigen Stockwerk angelangt ist. Doch zu den Bewohnern vorzudringen sei
       gar nicht so einfach, denn der Zugang zu der Wohnung, in der sich die
       Besetzer aufhalten, sei sehr stark verbarrikadiert.
       
       11.49: Ein Polizei-Pressesprecher gibt eine Zusammenfassung: es seinen rund
       2.500 Beamte im Einsatz. Im gesamten Kiez schließen sich immer wieder
       kleine Gruppen von 50 Leuten zusammen, die von der Polizei zerstreut
       werden. Vereinzelt wird Flaschen und Steine geschmissen. Im Großen und
       Ganzen läuft jedoch alles friedlich ab. Auf die Frage, was mit den
       Bewohnern passiere, wenn sie das Haus verlassen, sagte der Sprecher, dass
       die nach Aufnahme der Personalien gehen könnten, wenn sie sich friedlich
       verhalten.
       
       11.42: Franz Schulz, grüner Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg,
       steht mit Händen in den Manteltaschen in der Rigaer Straße und schüttelt
       den Kopf. Dieser Tag sei ein schwerer Verlust. Monatelang hatte er am
       runden Tisch für eine Lösung für die Liebig 14 gekämpft. "Jetzt ist die
       Angst da, dass ein Dominoeffekt einsetzt, dass eine für den Bezirk wichtige
       alternative Projektstruktur wegbricht." Immerhin seien aber mehr Leute
       gekommen, als er erwartet habe. Er hatte befürchtet,dass kaum einer kommt.
       
       11.35: Jetzt beginnt der Showdown in der Liebig 14: Hausbewohner
       inszenieren sich auf dem Balkon. Mit einem Feuerlöscher spritzen sie in die
       Luft. Die Straße sieht aus, als wäre sie in eine riesige Qualmwolke
       gehüllt. Es sieht ein wenig gespenstisch aus. Meldungen, wonach ein Feuer
       gegeben haben soll, erweisen sich dagegen als falsch. Unterdessen dringt
       die Polizei im dritten Stock immer näher zu den Hausbewohnern vor. Ein
       Sprecher sagt: "Wir haben noch immer keinen Kontakt zu den Bewohnern, gehen
       aber davon aus, dass das in Kürze passiert."
       
       11.30: Ein Lebenszeichen: die Polizei ist vorgedrungen, aus einem Fenster
       im dritten Stock in der Liebig 14 blickt ein Polizist und lacht. Vier
       Fenster weiter auf gleicher höhe stehen nun drei vermummte Hausbewohner und
       schwenken die schwarze Fahne. Erstmals zeigen sie sich der Öffentlichkeit.
       Von den Nachbarbalkonen wird ihnen zugejubelt.
       
       11.15: Pleite für Ströbele: der Szene-Bekannte Konfliktvermittler Christian
       Ströbele hat ein Hausverbot bekommen. Auf Weisung des Hausbesitzer Suitbert
       Beulker untersagte die Polizei dem Bundestagsabgeordneten, sich weiter im
       umkämpften Haus aufzuhalten. Nun steht er mit seinem Berliner
       Politikkollegen Benedikt Lux und der Linksparteiabgeorneten Halina
       Wawzyniak vor dem Eingang zur Rigaer Straße 96. Hier tragen Polizisten seit
       längerem Werkzeug hinaus.
       
       11.12: Die 200 Demonstranten an der Ecke zum Weidenweg haben sich
       aufgelöst. Viele schlagen in Richtung Bänscher Straße ein. Ein paar
       Polizisten folgen.
       
       11.04: An der Rigaer Straße stehen drei Feuerwehrwagen, allerdings ohne
       Blaulicht. Es ist unklar, warum sie angefahren sind. Außerdem ist eine
       Einsatzhundertschaft aufgelaufen. Weiterhin hört man von den Balkonen der
       Nachbarschaft ein lautes Trommeln.
       
       10.58: In der Liebigstraße, Ecke Weidenweg ziehen sich ca. 200
       Demonstranten zusammen. Auch die Polizei formiert sich in Viererreihen. Mit
       Polizeihunden stehen sie den Demonstranten gegenüber. Alles läuft friedlich
       ab. Lediglich ein RTL-Übertragungswagen kam nicht ganz so glimpflich davon.
       Demonstranten hatten diesen mit Rasierschaum besprüht.
       
       10.44: Die Räumung kommt nur äußerst langsam voran. Nach Polizeiangaben
       sind Beamte derzeit aus dem Erdgeschoss nicht über die Parterre
       herausgekommen. Auch die Beamten, die sich vom Dach aus Zugang verschafft
       haben, sind bislang nur bis zum vierten Stock vorgedrungen. Der Großteil
       des Hauses ist damit für die Polizei weiter unzugänglich. "Kontakt zu den
       Bewohnern besteht weiterhin nicht", sagte der Polizeisprecher der taz. Die
       Hausbewohner hatten zuvor nach Polizeiangaben Wasser aus den oberen Etagen
       offen in den unteren Hausbereich fließen lassen. Die Wasserleitungen seien
       nach Polizeiangaben mittlerweile abgestellt. Wie viele Beamte sich derzeit
       im Haus befinden, dazu wollte sich der Sprecher nicht äußern.
       
       10.41: Eine "Gerüchteküche" verteilt Punsch, Kaffee, Tee und Kleinigkeiten
       zum Essen an die Demonstranten. Ein Demonstrant ruft der Polizei zu: " Ich
       krieg was zu essen und ihr nicht!" Auch an der Kreutziger Straße 19, einem
       ehemals besetztem Haus, wird seit heute Morgen warmes Essen verteilt.
       
       10.40: Standort: Frankfurter Tor. Da, wo keine Kleingruppen von
       Demonstranten sind, schafft es die Polizei den Verkehr komplett
       lahmzulegen.
       
       10.28: Auf der Frankfurter Allee hat eine kleine Gruppe Ärger mit der
       Polizei, nachdem mit Plastikflaschen geschmissen wurde. Immer wieder werden
       kleinere Ausschreitungen und Festnahmen beobachtet.
       
       10.26: Der Polizei ist es gelungen, in die vierte Etage vorzudringen.
       Weiterhin wurde kein Anwohner gesehen. Im Dachgeschoss fand die Polizei
       Wannen mit einer unidentifizierbaren Flüssigkeit vor. Diese wurden
       kriminaltechnisch untersucht. Die Flüssigkeit wurde jedoch als ungefährlich
       eingestuft.Die Untersuchung stoppte den Einsatz der Polizei um ein paar
       Minuten. Inzwischen hatte die Sirene, die seit dem frühen Morgen
       kontinuierlich aus einem der anliegenden Häuser schallt, kurzzeitig
       ausgesetzt. Die Polizisten atmeten erleichtert auf. Doch schon nach ein
       paar Sekunden ging der Alarm wieder los.
       
       10.04: Jubel im Bäckereicafé, als der grüne Bundestagsabgeordnete Christian
       Ströbele plötzlich hereinkommt. Er war gerade im besetzen Haus und
       berichtet von vor Ort. "Da drin ist die Polizei reichlich zu Gange,
       allerdings anscheinend noch recht erfolglos." Bislang wisse die Polizei
       noch nicht einmal sicher, ob sich überhaupt noch Personen im Haus befinden.
       Zumindest bestehe zu denen keinerlei Kontakt. Dann schließen sich einige
       Gespräche an. Die ausharrenden Sympathisanten freuen sich, ein bisschen mit
       Ströbele parlieren zu können, ehe der weiterzieht, zur Demo.
       
       9.49: Der Polizei ist es gelungen, über das Dach in die oberste Etage
       einzudringen. Sie hat mit Einverständnis des Eigentümers eine Wand
       durchbrochen und versucht nun von oben in das Haus zu gelangen. Bisher ist
       immer noch kein Anwohner der Liebig 14 angetroffen worden. Auch Ströbele
       (Grüne) versucht es weiterhin. Der taz sagte er: "Sobald es möglich ist,
       will ich da rein. Es hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass alles ein
       bisschen sanfter zugeht, wenn ich dabei bin."
       
       9.35: Auf der Frankfurter Allee haben sich mindestens 500 Demonstranten
       versammelt. Vereinzelt liegen Flaschen auf der Straße. Polizisten laufen
       mit gezucktem Pfefferspray durch die Gegend und halten sich so die
       Demonstranten vom Leibe.
       
       9.31: In der Liebigstraße wird seit mehreren Minuten eine junge Frau von
       Polizisten mit dem Kopf an der Hauswand "fixiert". Laut Polizei soll sie
       eine Flasche geworfen haben.
       
       9.30: Jan K., Bewohner des Hauses neben der Liebig 14, steht mit seinen
       Einkäufen auf der Straße und schüttelt den Kopf: "Das ist eine Niederlage
       für alle heute. Es kann doch nicht sein, dass die Stadt es nicht geschafft
       hat, den Eigentümer an einen Runden Tisch zu holen."
       
       9.25: Am südlichen Ende der Liebigstraße ziehen rund 150 Demonstranten
       vorbei. Ein Knallkörper explodiert. Die Polizei blockiert den Zugang zur
       Straße mit Schäferhunden.
       
       9.19: Der grüne Lastwagen mit Werkzeug, aus dem heraus sich die Polizei
       Zugang zum Haus verschafft hatte, entfernt sich. Außerhalb des Hauses ist
       die Lage weiter ruhig, gegenüber klopfen die Nachbarn wie schon seit
       Stunden auf Töpfe. Auf der Straßenkreuzung entspannt sich die Lage, auch im
       angrenzenden Cafe, wo sich rund 25 Sympathisanten verschanzt hatten, feiern
       sie ihre liberale Freiheit: Sie dürfen sich jetzt wieder auf die
       Straßenkreuzung trauen, ohne gleich weggeführt zu werden. Es sieht so aus,
       als gönne sich die Polizei eine Pause.
       
       9.15: Die große Kreuzung am Frankfurter Tor ist von gut 500 Demonstranten
       blockiert. Der Verkehr auf der Ausfallstraße ist komplett lahm gelegt.
       
       9.13: Offenbar haben die Bewohner der Liebigstraße 14 das Treppenhaus
       nahezu komplett zerstört. "Im Erdgeschoss existiert es nicht mehr", sagte
       ein Polizeisprecher der taz. Von oben tropfe Wasser herunter. Es sei völlig
       unklar, ob sich überhaupt jemand im zu räumenden Haus aufhalte. Bisher habe
       man immer noch niemanden angetroffen.
       
       9.10: Vor dem Haus rücken nun weitere vereinzelte Beamte mit
       Schutzschildern und Spezialausrüstungen an. Vieles deutet darauf hin, dass
       sich die Räumungssituation im inneren des Hauses als sehr schwierig
       darstellt. Immer wieder die Rede von einer Falltür.
       
       9.05: Die Polizei ist nach eigenen Angaben in der Liebigstraße 14 auf
       "massive Sperren" gestoßen. Deshalb sei das Vordringen in die oberen
       Geschosse "stark erschwert", sagte ein Sprecher. Derweil taucht der
       Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele (Grüne) vor Ort auf. Er will bei
       der Polizei erreichen, dass der Anwalt der Bewohner endlich durchgelassen
       wird.
       
       8.57: Auf der Frankfurter Allee fahren Höhe Gabelsberger Straße zwei
       Wasserwerfer auf. Die Spontandemo wurde von der Polizei aufgelöst. Die
       Demonstranten sind im Kiez verstreut.
       
       8.42: Die Spontandemo zieht über die Gabelsberger Straße Richtung
       Frankfurter Allee. Die Polizei versucht sie aufzuhalten. Sie wirkt
       ausgesprochen nervös und packt teilweise grob zu. Ein junge Demonstrantin
       wird mit Pfefferspray besprüht. Bis auf einen einzelnen Flaschenwurf sind
       die Demoteilnehmer bisher sehr friedlich. Die elektronische Anzeigetafel
       auf der Frankfurter Allee verkündet: "Demonstrationen in Friedrichshain.
       Verkehrstörungen möglich". Die Autos auf der Allee kommen nur langsam
       voran. Vor allem die vielen Polizeifahrzeuge bremsen den Verkehr.
       
       8.40: Ein Polizeisprecher bestätigt, dass der Gerichtsvollzieher mit
       Beamten seit kurz nach 8 Uhr im Haus ist. Sie seien allerdings erst im
       Erdgeschoss. Drinnen habe man noch niemanden getroffen. Insgesamt sei die
       Lage im Kiez friedlich. Die Polizei sei mit 2.500 Beamten im Einsatz.
       
       8.30: Auf der Proskauer Straße formiert sich ein Spontandemo mit etwa 300
       Teilnehmern. Die Demonstranten ziehen auf der Rigaer Straße Richtung Osten.
       Die Polizei versucht sie aufzuhalten. Die Lage wird unübersichtlich.
       
       8.28: Laut Max Althoff, dem Anwalt der Bewohner, ist der Gerichtsvollzieher
       mittlerweile vor Ort. Er selbst darf weiter dort nicht hin. "Hier
       verselbständigt sich gerade ein Polizeieinsatz", sagt der Anwalt. Es gehe
       nicht, dass die Anwälte weder zum Haus, noch zum Gerichtsvollzieher
       könnten.
       
       8.20: Erste Polizisten dringen durch das mittlerweile geöffnete Fenster in
       das Haus ein. Anwohner rufen "Fuck the police!" Von außen deutet bislang
       nichts auf gewalttätige Gegenwehr aus dem Haus hin. Immer wieder hatte die
       Polizei in den vergangenen Tagen Befürchtungen geäußert, bei der Räumung
       des Hauses auf massive Gewalt zu stoßen. Danach sieht es bislang zumindest
       noch nicht aus. Die Dächer der Häuser sind polizeilich bewacht, lediglich
       auf dem Nachbarhaus gegenüber, einem Hausprojekt in der Liebigstraße 34,
       stehen sechs Sympathisanten auf dem Balkon, klopfen mit Kochlöffeln auf
       Töpfe und rufen immer wieder Solidaritätsparolen. Auf der Kreuzung direkt
       am Haus der Liebig14 ist es nun wieder relativ ruhig.
       
       8.18: Die Polizei drängt die Pressevertreter in der Liebigstraße zurück. Es
       gibt erste leichte Rangeleien - zwischen Beamten und Fotografen.
       
       8.15: Das Berliner Boulevard-Magazin BZ meldet auf seiner Homepage, es habe
       bereits erste Steinwürfe gegen Polizisten sowie eine angebliche
       Bombenattrappe gegeben. Gegenüber der taz dementiert ein Polizeisprecher:
       "Nein, es hat noch keine Steinwürfe gegeben, die Lage ist bislang
       friedlich. Auch von einer angeblichen Bombenattrappe ist uns nichts
       bekannt."
       
       8.13: Polizisten schlagen mit einer Axt auf ein vernageltes Fenster der
       Liebig 14 ein. Im Haus ist die Polizei offenbar noch nicht. Auch der
       Gerichtsvollzieher wurde noch nicht gesehen. Dann ersetzen die Polizisten
       die Axt durch einen Vorschlaghammer.
       
       8.09: Rigaer, Ecke Proskauer: Rund 150 Demonstranten versuchen die Kreuzung
       zu besetzen. Sie singen und trommeln. Es ist friedlich, die Polizei fordert
       sie auf, die Straße zu verlassen. Wenige Minuten später rückt die Polizei
       mit einem Großaufgebot an. Die Menge ruft: Haut ab!
       
       8.05: Der Abgeordnete Steffen Zillich (Linke) begibt sich durch eine
       Polizeisperre Richtung Haus. Er will sich erstmal sachkundig machen. "Mal
       sehen, ob ich da was ausrichten kann", sagt er.
       
       8.00: Alles wartet auf den Gerichtsvollzieher. Der Anwalt der Hausbewohner
       wird aber nicht zum Haus durchgelassen. Er schimpft: "Die Polizisten hier
       haben doch keine Ahnung von nichts." Überall in der Nachbarschaft trommeln
       Unterstützer des Hausprojektes lautstark auf Töpfe.
       
       7.55: Die Polizei hat alles notwendige aufgefahren. "Wir warten aber noch
       bis 8 Uhr", sagt ein Polizeisprecher. Schießlich bestehe immer noch die
       Möglichkeit, dass die Bewohner freiwillig rausgingen. Damit rechnet aber
       niemand. Eine nervig laute Sirene klingt durch den Kiez.
       
       7.52: Im Bäckerei-Cafe sitzen Sympathisanten und betreiben Demo-Beobachtung
       mit Kaffee und Flaschenbier. Immer wieder funken sie Neuigkeiten an die
       Infostruktur der Liebig 14 weiter. Aber jetzt muss eine kurz einen Anruf
       erledigen. "Ich muss mich entschuldigen", sagt sie verraucht. "Ich liege
       krank mit Fieber im Bett. Die Krankschreibung reiche ich nach."
       
       7.40: Direkt vor dem Haus fährt die Polizei schweres Gerät auf. Ein
       Rammbock, zahlreiche Mannschaftsfahrzeuge. Beamte beginnen, Werkzeug
       auszuladen. Offensichtlich beginnen konkrete Massnahmen, um mit der Räumung
       zu beginnen. Aus einem der Nachbarhäuser ertönt "Spiel mir das Lied vom
       Tod".
       
       7.35: Die Polizei gibt nach. Der Tross der Journalisten darf bis auf gut 50
       Meter an die Liebigstraße 14 vorrücken. Damit sind auch Fernsehbilder der
       bevorstehenden Räumung gesichert.
       
       7.20: 400 Meter nördlich von dem Haus lässt die Polizei auch keine
       Journalisten mehr durch. Kamerateams mehrerer Fernsehsender und die
       Berichterstatter von Nachrichtenagenturen werden aufgehalten. Begründung:
       Das Eigenrisiko sei zu groß. "Wir können für Ihre Sicherheit nicht
       garantieren", so ein Polizeisprecher. Es gebe sogar die Überlegung, alle
       Journalisten, die sich schon im abgesperrten Bereich befinden,
       herauszuholen.
       
       7.15: Die Polizei steht in allen Hauseingängen rund um die Liebig 14. Bei
       den ehemals besetzten Häusern Rigaer 94 und 95 in der Nachbarschaft
       leuchten Beamte die Hinterhöfe aus. Auf den Dächern der Nachbarhäuser
       stehen große Scheinwerfer, die die Liebig 14 und die Straße ausleuchten.
       Aus den Nachbarhäusern schallt ein extremer Musikmix: mal Atari Teenage
       Riot, mal "Ein bisschen Frieden". Langsam beginnt es zu dämmern.
       
       7.05: Kritische Juristen laufen mit gelben Warnwesten durch den Kiez. Hans,
       ein Jurastudent der Humboldt-Uni berichtet, er habe bisher zwei Festnahmen
       und einen kurzen Pfeffersprayeinsatz beobachtet. Er ist seit 5 Uhr auf den
       Beinen, will dennoch bis zur Demo am Abend durchhalten.
       
       7.05: Rigaer Str. 99: Drei Häuser von der Liebig 14 entfernt steht ein Mann
       im vierten Stock auf dem Balkon und zieht demonstrativ die Spucke hoch.
       Immer wieder ruft er: "Scheiß Bullen, verpisst euch!" Die Polizei dankt mit
       dem Einsatz eines Riesenscheinwerfers, der nun den Balkon in Szene setzt.
       
       6.54: Die Bäckerei gegenüber dem Hausprojekt macht heute ein großes
       Geschäft. Heißer Kaffee ist seit dem frühen Morgen der Renner. Im Geschäft
       wärmen sich Journalisten und einige Sympathisanten des Hausprojekts. Deren
       Tageslosung: Ausharren. Denn wenn sie den Fuß vor die Tür setzen, werden
       sie von Polizisten aus dem abgesperrten Kiez geführt.
       
       6.30: „Spiel mir das Lied vom Tod“, dröhnt von einem Nachbarbalkon über die
       leere Liebigstraße. Ein Grablicht flackert vor dem verbarrikadierten,
       orangen angepinselten Haus mit der Nummer 14. Polizeischeinwerfer blenden
       über das Kopfsteinpflaster. Die Polizei hat bereits in den frühen
       Morgenstunden den Liebig-Kiez fest in der Hand – der Räumung steht nichts
       mehr im Weg.
       
       Ab 4 Uhr: Die Polizei hat mit mehreren dutzend Einsatzwagen die Gegend um
       die Liebigstraße weiträumig abgesperrt. Zwischen Bersarinplatz und
       Proskauer Straße ist die Rigaerstraße gesperrt, die Liebig ist über mehrere
       hundert Meter dicht. Inzwischen haben Spezialkräfte sämtliche Dächer um die
       Liebig 14 besetzt. Auch auf dem Dach des linken Hausprojekts stehen Beamte,
       leuchten mit Scheinwerfern über die Ziegel und auf die Straße. Rund 100
       Sympathisanten wurden vom Haus von der Polizei Richtung Proskauer Straße
       abgedrängt, es gab erste Festnahmen. Vor dem Hausprojekt selbst stehen
       jetzt nur noch Polizisten und einige Pressefotografen. Das Haus ist
       inzwischen vollständig verbarrikadiert. Bretter und Pappen versperren von
       innen die Fenster, von den Balkonen staksen Metalstangen. Bis in die Nacht
       wurde in den Wohnungen gehämmert und geschweißt. Auf einem Balkon im
       vierten Stock stehen zwei Dunkelkapuzierte und fotografieren Polizisten.
       Sonst ist niemand von den Bewohnern zu sehen.
       
       Die Nacht vor der Räumung: In Berlin kann heute morgen mit der Räumung
       eines umkänpften Symbolprojektes begonnen werden: Ab 8 Uhr kann der
       Räumungsbescheid gegen die "Liebig 14" vollstreckt werden. Bis in den
       Morgen hatten die Bewohner an den Abwehranlagen gebastelt – nun folgt der
       Showdown. Es war eine hellwache Nacht – und vielleicht war es die letzte
       für sie: Mit kalt klingenden Hammerschlägen und blitzhellen Schweißarbeiten
       im Dunkel der Nacht haben sich die Bewohner des heute akut
       räumungsbedrohten Berliner Hausprojekts "Liebig 14" bis zuletzt auf ihre
       große Abwehrschlacht vorbereitet. Ihr Signal: Wenn gleich, heute morgen ab
       8 Uhr, die Polizei mit der angedrohten Räumung beginnen darf, dann wird
       gekämpft. Der Balkon im ersten Stock des Hauses im Berliner Szenebezirk
       Friedrichshain ist aufgerüstet: Abwehrgitter, spitz und schwer bezwingbar,
       Marke Eigenbau ragen hervor, die Fenster des Hauses sind verhangen. Die
       Bewohner, sie haben sich verbarrikadiert. 16 Transparente flattern an der
       Hauswand. Auf ihnen steht: "Wir bleiben" und "An dieser Stelle werden 10
       neue Hausprojekte entstehen", steht darauf.
       
       Bis zu 2.000 Polizisten aus ganz Deutschland könnten heute zum Einsatz
       kommen, um ein Symbol im Häuserkampf zu erklimmen, das der
       Gerichtsvollzieher freigegeben hat. Ab 8 Uhr kann der Einsatz beginnen.
       Doch schon im Laufe der Nacht waren immer wieder Polizeifahrzeuge Streife
       gefahren. Immer wieder hatten linke Aktivisten Solidaritätsbesuche gemacht
       und Erinnerungsfotos vor der Hausfassade, mit Dosenbier in der Hand. Das
       Nachbarhaus, auch ein Wohnprojekt, es ist jetzt auch verbarrikadiert. Was
       auf den Dächern der Liebigstraßenhäuser auf die Polizisten warten könnte,
       das ist unklar. Am Samstag, hatte die Polizei behauptet, es seien dort
       schon Badewannen mit Steinen beladen, gesichtet worden. Die Nachbarn haben
       ihre Autos in Sicherheit gebracht. Tag erst zeigen. Die taz berichtet von
       vor Ort.
       
       Mitarbeit: Konrad Litschko, Martin Kaul, Plutonia Plarre, Gereon Asmuth,
       
       1 Feb 2011
       
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