# taz.de -- Sachsen-Anhalts Ministerpräsident geht: "Die Linke wünsche ich dem Land nicht"
       
       > Der sachsen-anhaltische Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) über
       > mögliche Nachfolger, die Verachtung von Politikern - und was Anpasser im
       > Osten von denen im Westen unterscheidet.
       
 (IMG) Bild: "Ich war auch ein Fan von Willy Brandt": Wolfgang Böhmer (CDU), scheidender Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.
       
       taz: Herr Böhmer, nach zwei Jahrzehnten in der Politik ist nun Schluss. Sie
       waren Finanzminister in Sachen-Anhalt, dann neun Jahre Ministerpräsident.
       Warum sind Sie nach der Wende in die Politik gegangen? 
       
       Wolfgang Böhmer: Aus einer Mischung aus Idealismus und Unkenntnis.
       
       Inwiefern? 
       
       Ich wurde gefragt, ob ich für eine Partei für den Landtag kandidieren
       würde. Ich glaubte, das wäre so ähnlich wie die Bezirkstage zu DDR-Zeiten.
       Die tagten einmal im Vierteljahr. Da dachte ich, das schaffst du auch. Das
       war eine totale Verkennung der Situation. Ich bin aber gewählt worden und
       kam dann ganz schlecht wieder raus.
       
       Warum sind Sie zur CDU gegangen? 
       
       Weil die mich gefragt haben.
       
       Sie hätten auch für die SPD kandidiert, wenn die Sie gefragt hätten? 
       
       Ich war auch ein Fan von Willy Brandt und Helmut Schmidt.
       
       Sind Sie heute froh, dass Sie nicht von der SPD gefragt worden sind? 
       
       Ich hätte mich durchaus auch in einer anderen Partei nützlich machen
       können. Dass ich bei der CDU gelandet bin, habe ich jedenfalls nicht
       bereut.
       
       Gab es in der DDR mehr Opportunismus als im Westen? 
       
       Das lässt sich schwer messen. In der DDR haben sich die Leute
       gezwungenermaßen an die Machtverhältnisse angepasst. Im Westen, weil sie
       Karriere machen wollten. Das ist zwar nicht das Gleiche, aber das sind die
       gleichen menschlichen Mechanismen.
       
       Für dieses Argument haben Sie bei Ihrer Rede im Bundestag zu 20 Jahren
       deutsche Einheit Applaus aus den Reihen der Linkspartei bekommen. Hat Sie
       das irritiert? 
       
       Möglicherweise habe ich nichts ganz Dummes gesagt. Das soll auch mal
       vorkommen.
       
       Bei der Bundestagswahl 2009 wurde die Linkspartei stärkste Kraft in
       Sachsen-Anhalt. In Umfragen zur Landtagswahl am 20. März liegt sie knapp
       hinter der CDU. Woran liegt das? 
       
       Die Wiedervereinigung Deutschlands hat viele Hoffnungen der Menschen in den
       neuen Bundesländern nicht erfüllt. Wir dachten ja alle, jetzt bricht sofort
       der Wohlstand aus. Die Arbeitslosigkeit und der schwierige wirtschaftliche
       Transformationsprozess haben aber auch zu Enttäuschung geführt. Das waren
       aber auch die Folgen der eigenen Illusion.
       
       Es wurde also zu viel gehofft im Osten? 
       
       Die Hoffnung kann man niemandem vorwerfen. Aber mancher Mensch denkt
       zuletzt daran, dass es auch an ihm liegen kann, wenn er nicht richtig
       vorankommt. Immer ist der Staat schuld, wenn etwas nicht klappt. Und die
       Staatsgläubigkeit ist in den neuen Ländern noch immer höher als in den
       alten.
       
       Ist Wulf Gallert, Spitzenkandidat der Linkspartei in Sachsen-Anhalt, nicht
       eigentlich ein ganz guter Mann, ein besserer Sozialdemokrat? 
       
       Das würde ich nie behaupten, da wäre er sicher sehr verärgert. Ich
       beobachte die Linkspartei hier und stelle fest, dass sie große
       Schwierigkeiten hat, sich der Wirklichkeit anzunähern, auch wenn sie
       versucht, pragmatisch zu werden.
       
       Können Sie sich vorstellen, dass jemand wie Wulf Gallert Ihr Nachfolger
       wird? 
       
       Das entscheiden die Wähler. Ich würde es dem Land nicht wünschen.
       
       Herr Böhmer, Sie waren 20 Jahren lang Berufspolitiker. Macht Politik
       eigentlich Spaß? 
       
       Wie alles im Leben macht auch Politik gelegentlich Spaß.
       
       Was ist denn Ihr größter Erfolg nach neun Jahren Regierungsverantwortung? 
       
       Der erkennbare wirtschaftliche Aufschwung im Land.
       
       Und Ihr größter Misserfolg? 
       
       Das wissen andere besser als ich.
       
       Das glauben wir nicht. 
       
       Da muss ich mir keine Gedanken machen. Es steht doch in der Zeitung, was
       wir alles falsch gemacht haben.
       
       Warum sind Politiker eigentlich so unbeliebt? 
       
       Weil sie gelegentlich - von ihren eigenen Hoffnungen verführt - mehr
       versprechen als sie dann umsetzen können.
       
       Das war früher auch so. Aber das Ansehen von Politikern ist in den letzten
       Jahrzehnten rapide schlechter geworden. Warum? 
       
       Die Zeit ist schnelllebiger geworden. Das Nachdenkliche, Intellektuelle ist
       in den Medien eher selten geworden. In Medien kommt man nur noch mit
       pointierten, deftigen Formulierungen vor. Alles möglichst schnell, per SMS
       oder E-Mail. Das hat den gesamten Eindruck von dem System beeinflusst.
       
       Haben nicht auch Politiker selbst Anteil daran - vor allem der Typus des
       Berufspolitikers, der schnell Karriere macht und keinen Kontakt mehr zur
       Lebenswirklichkeit hat? 
       
       Auch wenn es dafür Einzelbeispiele geben mag, kann man das nicht so
       verallgemeinern. Die meisten Parlamentarier leben mitten unter ihren
       Wählern. Auf Landesebene ist es eher selten, dass jemand drei, vier
       Legislaturperioden durchhält. Auf kommunaler Ebene sind Politiker ohnehin
       meist ehrenamtlich tätig. Für die Bundesebene sieht das ein bisschen anders
       aus. Aber da braucht man fast eine Legislaturperiode, um sich
       einzuarbeiten. Das pauschale Urteil über Politiker ist nicht
       gerechtfertigt. Niemand würde so abfällig über andere Berufe reden wie über
       Politiker.
       
       Würden Sie Jüngeren raten, in die Politik zu gehen? 
       
       Ja, wenn sie eine abgeschlossene Berufsausbildung und etwas Lebenserfahrung
       gesammelt haben, damit sie über eine gewisse innere Unabhängigkeit
       verfügen.
       
       4 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) P. Wrusch
 (DIR) S. Reinecke
       
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