# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Campino statt Pennywise
       
       > Der Musikbeauftragte des VfB Stuttgart ist ein Vollprofi. Und er ist der
       > einzige im Club. Das muss einmal gesagt werden.
       
       An ihrer Stadionmusik sollt ihr sie erkennen. In einer Welt stumpfer
       Cocktails aus Vorort-Disco-Beats und "Wir stehn zu dir"-Lyrik legt man
       mancherorts noch Wert auf Distinktion. Wer vor einem Heimspiel von
       Erzgebirge Aue nicht sofort vor Rührung eine Staublunge bekommt, wenn die
       Mannschaft zu den Klängen von "Der Steiger kommt" das Spielfeld betritt,
       kann kein fühlendes Wesen sein. Und wer hört, wie Nina Hagen davon singt,
       "Eisern Union" werde sich nicht vom Westen kaufen lassen, kriegt selbst
       dann eine Gänsehaut, wenn er aus Westwestfalen stammt.
       
       Insofern gebührt auch dem VfB Stuttgart endlich einmal ein lobendes Wort.
       Vor dem Spiel gegen den SC Freiburg erklang die Tormusik schon mal gleich
       eine Viertelstunde vor dem Anpfiff. Da die des VfB von der kalifornischen
       Punk-Band Pennywise stammt und die praktischerweise des Abends in einem
       Stuttgarter Club aufspielte, gab es die "Bro-Hymn" ausnahmsweise ohne
       Anlass - dafür aber live gespielt.
       
       Und auch wenn es ein wenig komisch aussah, wie die Mappus-Wählerinnen auf
       der Haupttribüne mit frisch getönten Haaren den Refrain ("ooooo-o-o-o-o")
       mitschunkelten - sie waren immerhin verdammt textsicher.
       
       So, jetzt ist fast die Hälfte des Textes geschrieben und bislang war es
       eine einzige Ode an die vortreffliche Geschmackssicherheit der
       VfB-Verantwortlichen. Soll also bloß keiner behaupten, man meine es nicht
       gut mit dem Club. Der Musikbeauftragte des VfB ist ein Vollprofi. Das muss
       auch mal gesagt werden.
       
       Pennywise mit Anlass gab es an diesem Abend natürlich nicht, der VfB
       schießt in dieser Saison ja bekanntlich entweder gleich sechs (Bremen) bzw.
       sieben (Gladbach) Tore - oder er spielt so, dass auch der optimistischste
       Fan nach drei Minuten alle Hoffnung fahren lässt. Nun fragt man sich
       natürlich, wie eine Mannschaft, in der eigentlich jedes Elftel sein Fußwerk
       versteht, in der Summe so dermaßen plan- und hilflos vor sich hinkicken
       kann.
       
       Es gibt Leute, die diese Frage schlüssig beantworten können. Es sind die
       sechs Trainer, die der Club allein seit Sommer 2005 verschlissen hat. Sie
       alle weisen drei Parallelen auf.
       
       Erstens die, dass ihre jeweilige Spielphilosophie so wenig mit der des
       Vorgängers zu tun hatte wie mit der des Nachfolgers. Zweitens die, dass sie
       sich ein paar Spieler kaufen durften, die der Nachfolger dann wieder nicht
       brauchen konnte. Und drittens die, dass sie von den immer gleichen Leuten
       geheuert und gefeuert wurden. Leute, die beim VfB Stuttgart seit Gottlieb
       Daimlers Zeiten das Sagen haben - ganz egal, wer unter ihnen grad Trainer
       oder Manager ist.
       
       In der Welt von Finanzvorstand Ulrich Ruf und Aufsichtsratschef Dieter
       Hundt muss ein Trainer weg, weil er entweder Erfolg hat - dann wird er zu
       mächtig. Oder weil er Erfolg hat - dann ist er zu schwach. Mancher Ex-Coach
       soll die Zeit beim VfB nicht ohne Folgeschäden überstanden haben. Felix
       Magath holt derzeit jedenfalls massenhaft Spieler, die es schwer hätten, in
       der zweiten Stuttgarter Mannschaft Fuß zu fassen. Doch das nur am Rande.
       Dass der Wahnsinn auch woanders tobt, ist im Schwäbischen längst kein Trost
       mehr.
       
       Immerhin machen sie sich beim VfB auch Gedanken, was sie ihrem Publikum
       nach Niederlagen kredenzen: die Toten Hosen, die davon singen, dass man
       aufstehen muss, wenn man am Boden liegt. Weil man sonst liegen bleibt. Oder
       so. So schlau sind dann selbst die Leute, die beim VfB das Sagen haben.
       Campino hat also gute Chancen, bald einen Anruf aus Stuttgart zu bekommen.
       Er soll ja auch jede Menge von Fußball verstehen.
       
       4 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christoph Ruf
       
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