# taz.de -- Mafia-Ausstellung: Sizilien ist überall
       
       > Das Überseemuseum zeigt Bilder der legendären Fotografin Letizia
       > Battaglia und dokumentiert die kriminellen Abgründe der Globalisierung in
       > Italien, Japan, Russland.
       
 (IMG) Bild: Palermo, 1998: Anti-Mafia-Staatsanwalt Roberto Scarpinato im Kreis seiner Leibwächter.
       
       Es ist seit mindestens 20 Jahren das erste Mal, dass das Überseemuseum, wie
       kaum ein anderes seiner Art von Exponaten in Vitrinen lebend, sich einem
       Thema rein fotografisch nähert. Andererseits: Kann man die "Mafia", kann
       man "Das globale Verbrechen" anders aufarbeiten? Im Überseemuseum wollen
       sie mit der Ausstellung der "dunklen Seite der Globalisierung" ein Gesicht
       geben, wie Direktorin Wiebke Arndt es ausdrückt. Und keine kann das so
       eindrücklich wie die Fotografin Letizia Battaglia.
       
       Gut 100 ihrer Bilder der sizilianischen Mafia sind seit Samstag im
       Überseemuseum zu sehen, ergänzt durch gut 30 Arbeiten von Patrick Zachmann
       und Bruce Gilden, die beide für die renommierte Agentur Magnum arbeiten und
       die neapolitanische Camorra beziehungsweise die Mafia in Japan und Russland
       dokumentierten. Sie werden erstmals in Deutschland ausgestellt. Sizilien,
       so die These dieser Ausstellung, ist überall. Wenn trotzdem keine Bilder
       aus Deutschland in der Ausstellung zu sehen sind, dann liege das daran,
       sagt Hartmut Roder vom Überseemuseum, dass es keine gebe.
       
       Letizia Battaglia, heute 76, hat zwischen 1970 und 1994 in Palermo die
       Mafia, vor allem ihre Morde, fotografisch dokumentiert, dabei 600.000
       Bilder gemacht, die samt und sonders schwarz-weiß sind. Es war eine Zeit,
       in der dort beinahe täglich mehrere Schießereien, Anschläge stattfanden.
       Sowie Battaglia, Fotografin der kommunistischen Tageszeitung Ora, im
       Polizeifunk davon erfuhr, eilte sie zum Tatort. Das Blut ist oftmals kaum
       getrocknet, als ihr Bild entsteht. Dennoch sind ihre Fotos nie
       sensationsheischend, voyeuristisch oder gar geschmacklos. Sie zeugen von
       ungehemmter Brutalität und analysieren die Gesellschaft doch ungemein
       präzise, strahlen Respekt, ja, Anteilnahme mit den Opfern aus.
       
       Doch wer Battaglia nur als "Chronistin" der sizilianischen Mafia sieht,
       würde ihr nicht gerecht. Ihr Nachnahme steht für Kampf, und auch ihre ganze
       Arbeit als Fotografin steht dafür. "Wir müssen zusammenstehen, um die Mafia
       zu zerstören", sagt sie. Ihre Fotos sind Ausdruck eines steten, intensiven
       Kampfes gegen das organisierte Verbrechen, seinen Einfluss. Anerkennung
       dafür erfuhr sie zumeist im Ausland, vor allem in Deutschland und den USA.
       
       Ob sie Angst gehabt habe, wird sie anlässlich der Eröffnung in Bremen von
       einer Journalistin gefragt. "Es spielt keine Rolle." Warum? "Weil ich
       kämpfen muss." Bis "zum bitteren Ende" werde sie das tun, sagt Battaglia,
       doch ihre Stimme klingt müde, erschöpft, ein wenig resigniert. "Wir haben
       für eine bessere Welt gekämpft", sagt sie dann. "Und verloren." Ihre
       Arbeit, sagt sie, habe "niemand" etwas gebracht.
       
       2009, schätzt Roder, machte allein die italienische Mafia einen
       Jahresumsatz von 150 Milliarden Euro, beschäftigt 100.000 Menschen. Und
       doch, auch das belegt die Ausstellung, hat sie sich fundamental geändert.
       Einst wurde auf offener Straße beseitigt, wer sich der Mafia in den Weg
       stellte. Heute wird infiltriert, in Politik, der Wirtschaft, den Medien.
       Und die Mafia, sagt Battaglia, "regiert mit". Vieles von dem entzieht sich
       der Kamera und auch Battaglias neuere Arbeiten, künstlerischer angelegt,
       die Möglichkeiten modernder Technik nutzend, dabei das eigene Innenleben
       nach außen kehrend, haben nicht mehr die Intensität der früheren Werke.
       
       Umso klarer leuchten die Parallelen, die Zachmann und, mehr noch, Gilden,
       zeichnen. Die Bilder gleichen sich, freilich. Und doch: Was wir hier aus
       Japan, aus Russland zu sehen bekommen, bleibt häufig an der Oberfläche. Es
       spiegelt vor allem Selbst-Inszenierung, eine von medialen Bildern geprägte
       Welt. Und das Phänomen dahinter - entgleitet.
       
       Bis 24. April
       
       6 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jan Zier
 (DIR) Jan Zier
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Mafia
 (DIR) Russland
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Ausstellung „Continente Sicilia“: Versteinerte Gesichter
       
       Der Fotograf Franco Zecchin war Zeuge des Mafiakrieges. Seine Ausstellung
       in Palermo konfrontiert die Stadt mit ihren bleiernen Jahren.
       
 (DIR) Mafia in Russland: Auftragsmord mit Folgen
       
       Aslan Ussojan, der mächtigste Mann in der russischen Unterwelt, wird Opfer
       eines Auftragsmordes. Nun könnte ein Krieg der Unterwelt folgen.