# taz.de -- Integration von Kindern mit Behinderung: "Eine kindgemäße Schulpraxis"
> Bernd Althusmann, neuer Präsident der Kultusministerkonferenz, über
> Fortschritte und Pläne der Länder, behinderte Kinder in Regelschulen zu
> integrieren.
(IMG) Bild: Alle Kinder haben das Recht, eine Regelschule zu besuchen - dies beschloss der Bundestag 2009 auf der Grundlage einer UN-Konvention.
taz: Herr Althusmann, wie wichtig ist es Ihnen, dass ein behindertes Kind
in einer Klasse mit nichtbehinderten Kindern zusammen lernt?
Bernd Althusmann: Ich halte es für wichtig, dass Kinder mit und ohne
Behinderung gemeinsam unterrichtet werden können. Die vom Bundestag 2009
ratifizierte UN-Konvention für das Recht auf den Besuch einer Regelschule
für alle Kinder ist dabei der vorgegebene Rahmen für die Länder.
Genau, seit zwei Jahren schon. Wann werden die Länder sie endlich umsetzen?
Die Länder haben sich in diesen zwei Jahren gut vorbereitet. Gemeinsam mit
den Verbänden sowie mit Vertretern aus Bund und Kommunen wurde bereits ein
Positionspapier zur Umsetzung der UN-Konvention länderübergreifend
vorgelegt. Im Laufe des Februar werden wir einen Entwurf für Empfehlungen
vorlegen und voraussichtlich Ende des Jahres zur abschließenden Beratung
kommen. Es bleibt Sache der Länder, inklusiven Unterricht in größerem
Umfang als bisher behutsam umzusetzen. Dabei muss das Wohl des Kindes
oberste Priorität genießen. Nicht in allen Fällen ist eine gemeinsame
Beschulung die sinnvollste Lösung.
Wer entscheidet, was das Beste für ein behindertes Kind ist: Lehrer und
Ärzte wie derzeit, oder doch die Eltern?
Die Eltern wissen am besten, was ihren Kindern zuzumuten ist und wie
gemeinsamer Unterricht gewährleistet werden kann. Sie sollten sich dabei
aber eng mit den Lehrern abstimmen, um die für das Kind beste Entscheidung
zu treffen.
Das ist auf dem Papier so, praktisch ist es für ein lernbehindertes Kind
oft nicht zumutbar, in einer Klasse mit 25 Schüler konzentriert zu
arbeiten. Was muss sich in den Schulen ändern?
Wir müssen für Akzeptanz des gemeinsamen Unterrichts werben und die
rechtlichen Rahmenbedingungen schaffen, um dem Elternwillen Rechnung zu
tragen. Wir müssen Lehrer fortbilden und die Ausbildung der künftigen
Lehrer anpassen. Ich gehe davon aus, dass wir diese große Herausforderung
beherzt anfassen, wir sind bereits auf dem Weg dorthin.
Unser Schulsystem setzt eher auf die Trennung von Schülern. Wie sieht eine
Schule aus, die gemeinsame Förderung ermöglicht?
Die UN-Konvention macht keine Vorgaben, auf welche Weise Inklusion zu
gewährleisten ist, und sie macht keine Aussagen zur Gliederung des
Schulsystems. Es wird ja gerne behauptet, dass Inklusion auch Folgen für
das differenzierte Schulsystem haben muss. Das ist nicht der Fall.
Die Trennung der Kinder nach Schulleistungen muss sich also nicht ändern?
Es ist und bleibt die Aufgabe von Schule, jedes Kind entsprechend seiner
Begabung bestmöglich zu fördern. Es ist natürlich davon auszugehen, dass
sich hinsichtlich der besonderen Förderbedarfe von Kindern besonders in der
Ausbildung der Lehrer etwas ändern muss.
Das ist sehr unbestimmt. Wie definieren Sie denn gemeinsames Lernen: dass
ein Kind mit Down-Syndrom einmal pro Woche mit nichtbehinderten Kindern
turnt oder dass ein Down-Kind jeden Tag mit 25 Schülern ohne Behinderung
lernt?
Ich bin zurückhaltend mit Empfehlungen. Wir sollten es den Ländern
überlassen, auf welche Weise gemeinsames Lernen zu realisieren ist.
Das wird dann aber nicht der große Wurf, sondern der kleinste gemeinsame
Nenner, wie man es von der Kultusministerkonferenz gewohnt ist.
Ich gehe davon aus, dass wir uns über fünf Punkte heute schon verständigen
können: Was heißt Barrierefreiheit von Schulen, welche Klassengrößen sind
ratsam, wie kann Lernen organisiert werden, wie werden Übergänge gestaltet
und welche Abschlüsse werden ermöglicht. Ich bin überzeugt, dass wir zu
einer guten, kindgemäßen Schulpraxis kommen.
7 Feb 2011
## AUTOREN
(DIR) Anna Lehmann
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