# taz.de -- Interview mit Wassertisch-Sprecher Rudek: "Das ist keine Verschwörungstheorie"
       
       > Am Sonntag stimmen die Berliner über die Offenlegung der Wasserverträge
       > ab. Hat der Senat die nicht schon offengelegt? Thomas Rudek, Sprecher der
       > Initiative Wassertisch, sieht das anders.
       
 (IMG) Bild: Thomas Rudek bei der Übergabe der für das Volksbegehren gesammelten Unterschriften im Oktober 2010
       
       taz: Herr Rudek, seit drei Monaten sind die Wasserverträge nicht mehr
       geheim, sondern öffentlich. Ist es da nicht völlig überflüssig, am Sonntag
       zur Abstimmung über die Veröffentlichung zu gehen? 
       
       Thomas Rudek: Wir fordern nicht nur die Veröffentlichung der Verträge zur
       Wasserprivatisierung, sondern auch von Beschlüssen und Nebenabreden. Wir
       alle wissen: Auf das Kleingedruckte kommt es an. Um auch das offenzulegen,
       brauchen wir die 617.000 Ja-Stimmen beim Volksentscheid.
       
       Sowohl der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit als auch der
       Wirtschaftssenator Harald Wolf haben öffentlich beteuert, dass alles
       veröffentlicht ist, was Ihr Gesetzentwurf fordert. Es ist doch abwegig
       anzunehmen, dass die beiden trotzdem etwas verschweigen. 
       
       In unserem Gesetzentwurf steht, dass die Verträge, Beschlüsse und
       Nebenabreden, die nicht veröffentlicht werden, unwirksam werden. Ich finde
       es sehr interessant, dass sowohl Herr Wowereit als auch Herr Wolf sich an
       dieser Unwirksamkeitsklausel stören, weil sie angeblich verfassungswidrig
       sei. Wenn alles offengelegt ist, wie behauptet, würde ja die Klausel gar
       nicht zur Anwendung kommen. Das ist für uns ein klarer Beweis dafür, dass
       noch nicht alles offengelegt ist.
       
       Dann müssten die Finanz- und Wirtschaftssenatoren der vergangenen zehn
       Jahre, zwei Regierende Bürgermeister und eine Reihe von Mitarbeitern in der
       öffentlichen Verwaltung, bei RWE und Veolia verabredet haben, die
       Öffentlichkeit dauerhaft belügen. Das ist doch völlig abwegig. 
       
       Es geht um die Frage: Welche Gesetze bieten eine höhere Rechtssicherheit
       und auch eine Bestrafung, wenn das Gesetz gebrochen wird? Bisher wurden die
       Wasserverträge vom Senat nur auf Grundlage des
       Informationsfreiheitsgesetzes veröffentlicht. Doch laut diesem Gesetz
       bleibt es ohne Folgen, wenn Dokumente nur unvollständig veröffentlicht
       werden. Unser Gesetz hat eine Sanktion: Die geheimen Teile werden
       unwirksam. Das hat nichts mit einer Verschwörungstheorie zu tun.
       
       Was für Vereinbarungen werden denn Ihrer Ansicht nach geheim gehalten? 
       
       Harald Wolf zum Beispiel hat Rechtsgutachten über die Wasserprivatisierung
       in Auftrag gegeben bei Kanzleien, die keine Experten auf dem Gebiet sind.
       Die haben dann auch keine verbraucherfreundliche Position vertreten. Da
       drängt sich die Vermutung auf, dass es eine Absprache mit RWE und Veolia
       gab, dass man die Gutachter gemeinsam auswählt.
       
       Es stimmt, die Auswahl der Gutachter kann man seltsam finden. Aber die
       Vermutung ist absurd, dass es darüber eine bindende Vereinbarung gab.
       Harald Wolf hat ja auch von sich aus ein Interesse daran, die Gutachter zu
       wählen, die seine Position stützen und zu dem Ergebnis kommen, dass die
       Privatisierung der Wasserbetriebe rechtsgültig war. Dafür braucht es keinen
       Geheimvertrag. 
       
       Das unterstellen Sie, dass Harald Wolf dieses Interesse hat! Das ist Ihre
       persönliche Bewertung. Ich sehe nur, dass Harald Wolf damals sehr
       unkritische Juristen beauftragt hat, und das soll er aus eigener
       Überzeugung heraus gemacht haben? Das glaube ich nicht! Er ist da
       sicherlich in Zugzwängen gewesen, als er auf diese neoliberalen Gutachter
       zurückgegriffen hat.
       
       Sie bleiben also bei Ihrer Verschwörungstheorie: Mehrere Personen haben
       eine Vereinbarung getroffen, von der sie jetzt öffentlich behaupten, es
       gebe sie nicht. 
       
       Das ist keine Verschwörungstheorie. Es gibt Fakten, die auf der Hand liegen
       wie die Gutachter-Entscheidung. Und wenn der Senat gegen ein Gesetz ist,
       das für den Fall einer Geheimhaltung klare Rechtsfolgen hat, ist das doch
       ein klares Indiz, dass da noch etwas schlummert.
       
       Auf der Webseite Ihrer Initiative heißt es, der Senat halte die
       Vereinbarung darüber geheim, wie die Gewinne zwischen dem Land und den
       privaten Anteilseignern der Wasserbetriebe genau verteilt werden. Das ist
       falsch - es steht in Paragraf 23 Absatz 7 des Konsortialvertrages, und der
       ist seit Monaten vollständig öffentlich. 
       
       Oh. Das stimmt. Das hatte ich noch gar nicht gesehen, dass das auf unserer
       Seite steht. Ich zeichne nicht alles gegen, was da hinkommt. Wir sind
       inzwischen ein größeres Netzwerk mit vielen ehrenamtlichen Helfern, und da
       können leider auch Fehler vorkommen.
       
       Der Senat und die Abgeordneten sagen, sie könnten die Unwirksamkeitsklausel
       nicht Gesetz werden lassen, weil sie verfassungswidrig ist. Und tatsächlich
       spricht viel dafür, dass man Verträge nicht rückwirkend per Gesetz
       unwirksam machen kann. 
       
       Es gibt Juristen, die das nicht so sehen. Vor allem ist es nicht die
       Aufgabe des Senats und des Abgeordnetenhauses, darüber zu urteilen, was
       verfassungswidrig ist. Dafür ist der Verfassungsgerichtshof zuständig. Wir
       haben Gewaltenteilung! Schlimmstenfalls ist zu erwarten, dass das Gericht
       die Unwirksamkeitsklausel - und nur die - aufhebt.
       
       Da möchte ich widersprechen: Natürlich ist es auch Aufgabe des Senats und
       der Abgeordneten, Gesetze selbst zu überprüfen und nichts zu beschließen,
       was verfassungswidrig ist. Es kann ja nicht sein, dass die erst immer in
       Kraft treten und man dann darauf warten muss, bis ein Verfassungsgericht
       urteilt. 
       
       Wie viele Gesetze hat denn das Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen, die
       anschließend von einem Verfassungsgericht kassiert worden sind? Sehr viele.
       Das jüngste Beispiel war, glaube ich, das Ladenschlussgesetz, das zu viele
       verkaufsoffene Adventssonntage erlaubte und damit gegen die
       Religionsfreiheit verstieß.
       
       Ich sage ja, die Abgeordneten sollten die Gesetze viel häufiger vorher
       besser prüfen. 
       
       Dazu haben die Berliner Abgeordneten gar nicht die Kapazitäten, das ist ja
       ein Feierabendparlament. Jedenfalls fällt mir auf, dass sie ausgerechnet
       bei unserem Gesetz alle sagen, dass das Paket verfassungswidrig ist. Sie
       diffamieren das gesamte Projekt. Uns ist klar, dass wir durchaus offene
       Rechtsfragen berühren. Aber die sind bisher noch nicht höchstrichterlich
       geklärt, und diesem Urteil sollte man auch nicht vorgreifen.
       
       Was machen Sie selbst eigentlich nach dem Sonntag? 
       
       Urlaub. Zwei Wochen brauche ich mindestens. Und danach schreibe ich
       vielleicht ein Buch über meine Erfahrungen mit der direkten Demokratie.
       
       10 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sebastian Heiser
       
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