# taz.de -- Stuttgart verliert gegen Nürnberg: Schockstarre im Schwabenstolz
> Stuttgart lässt sich beim 1:4 vom 1. FC Nürnberg vorführen. Der Club
> erklärt den Abstiegskampf für beendet. Beim VfB ist das wenig originelle
> Vokabular der Verzweiflung zu vernehmen
(IMG) Bild: VfB-Spieler Christian Traesch sitzt nach der Niederlage gegen den Club erschöpft auf einer Werbebande.
Seit ein paar Wochen kursiert in Stuttgart ein böser Spruch. Wenn im Sommer
das zur Fußballarena umgebaute Stadion offiziell eingeweiht wird, spielt
nur noch ein Erstligist im neuen Schwabenstolz. Allerdings nicht auf dem
Rasen. Die Rede ist von recht erfolgreichen Stuttgarter Volleyballerinnen,
die von April an in die nagelneue Sporthalle unter der Untertürkheimer
Tribüne einziehen werden. Über diese Vision lacht im Ländle seit Samstag
kein VfB-Anhänger mehr. Mehr noch - man wehrt sich kaum noch gegen den
Spott, nicht einmal die allertreuesten Fans.
Im Spiel gegen den 1. FC Nürnberg waren 51. Minuten vorbei, als Timothy
Chandler, ein Mann, der erst seit Mitte Januar in Nürnbergs erster
Mannschaft kickt, den VfB vollends blamierte. Er erzielte das 3:1 kurz nach
der Pause. Der wenige Wind, den der VfB nach dem Anschlusstor zum 1:2 kurz
vor der Halbzeit entfacht hatte, war schon längst wieder vorbei. Julian
Schieber ließ am linken Strafraumeck Serdar Tasci derart locker und
konsequent stehen, wie man es in Stuttgart sonst nur von
Bahnhofsbefürwortern kennt, die S-21-Gegnern mit Unterschriftenlisten in
der Fußgängerzone ausweichen. Chandler schloss Schiebers Vorarbeit locker
ab.
Stuttgarts Getreuen auf der Untertürkheimer Tribüne fielen fortan wie die
Mannschaft in eine Art Schockstarre. Ruhe im Rund, keine Aufmunterung der
Fans, nicht mal Pfiffe (außer vom bekanntermaßen divenhaften
Hauptribünenvolk gegen Serdar Tasci). Es war schon gespenstisch, wie nach
dem 3:1 die Luft aus der Arena wich, in der vor Anpfiff noch aufmunternd
AC/DC aus den Boxen röhrte, das einem fast der Gehörgang kollabierte.
Aber von wegen "Thunderstruck". Schweigen im Rund, und hätten die Franken
noch ein bisschen was für ihr Torverhältnis tun wollen, hätten sie es
gekonnt. Locker. Gelegenheiten gab es reichlich. So blieb es nach einem
Treffer von Mehmet Ekici beim 4:1, und in Stuttgart wird sich der
Hauptsponsor überlegen, ob er noch einmal im Stadionheft mit dem Spruch
"Nürnberger grillen kann jeder" werben will. Im Moment sieht es wohl eher
so aus, als dass den VfB jeder abkochen kann, der beherzt gegen den Ball
geht. Das reicht meist schon, um den verunsicherten Schwaben den Schneid
abzukaufen. Das Team, das wurde klar, hat offenbar keine Ahnung, wie
Abstiegskampf geht. Oder keine Lust darauf. Oder beides.
Am Ende war vor allem Julian Schieber das, was man im Süden eine arme Sau
nennt. Der Stürmer ist vom VfB an Nürnberg ausgeliehen und wollte sich über
sein Tor zum 2:0 und die Vorlage zum 3:1 kaum freuen, da er seinen
Arbeitgeber wieder ein Stück naher an Liga zwei herangeschossen hat. Und
damit auch sich selbst. "Julian spielt in der nächsten Saison definitiv bei
uns", sagte VfB-Manager Fredi Bobic. Auch Nürnbergs Trainer Dieter Hecking
hat wenig Hoffnung. "Wenn Stuttgart absteigt, sprechen wir den Spieler
zumindest mal an, aber wenn er so weitermacht, ist er für uns sowieso nicht
zu halten." Schieber selbst (6 Saisontore, 5 Vorlagen) sagte lieber nichts.
Schieber sprachlos, Stuttgart ratlos.Trainer Bruno Labbadia will "die Dinge
ansprechen", er sagt, dass "die Mannschaft die Fehler ja nicht mit Absicht
macht" und fordert, "dass man sich jetzt nicht hängen lassen darf". Das
typische Vokabular der Verzweiflung. So merkwürdig es auch klingt, ein
derart lebloses Spiel wie das des VfB löst gemeinhin eine Trainerdiskussion
aus. Dummerweise ist Labbadia bereits der dritte Stuttgarter Übungsleiter
in dieser Saison, somit verbietet sich dieses Thema von alleine. Dieter
Hecking durfte dagegen strahlen und verkündete, dass sein Team den
"Klassenerhalt heute wohl geschafft hat". Verkehrte Welt - der Club kämpft
normalerweise bis zum Ende um die Klasse, der VfB kann nur noch auf ein
Happy End auf den letzten Drücker hoffen. Maximal. "Das Team und das Umfeld
kennen den Abstiegskampf nicht", warnt der Trainer aber schon mal vor der
immensen Größe der Aufgabe, die nun bevorsteht.
Wohl wahr - das spürt man beim Spiel auf dem Rasen und bei der Reaktion der
Fans. Am kommenden Donnerstag geht es in der Europa League zu Benfica
Lissabon, am kommenden Sonntag nach Leverkusen. Vielleicht sollten sie
vorher mal beim Volleyball vorbeischauen. Einfach so.
13 Feb 2011
## AUTOREN
(DIR) Jürgen Löhle
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