# taz.de -- Revolution: Erst Frust, dann Freude, jetzt Solidarität
       
       > Ein Wechselbad der Gefühle erlebten Berlins ÄgypterInnen an diesem
       > Wochenende. Sie wollen auch nach Mubaraks Rücktritt weiter demonstrieren
       > - für Freiheit und Demokratie in anderen arabischen Ländern.
       
 (IMG) Bild: Anti-Mubarak-Proteste Berliner Ägypter vor dem Brandenburger Tor
       
       "Eins, zwei, drei - wir sind endlich frei!", brüllt Ramy F. ins Mikrofon.
       Der 18-jährige Deutschägypter tanzt am späten Samstagnachmittag auf dem
       Demowagen in Neukölln, eingehüllt in die rot-weiß-schwarze ägyptische
       Flagge mit dem goldenen Adler. Dass Ramy nun schon seit etwa 24 Stunden
       tanzt und brüllt und brüllt und tanzt, merkt man dem jungen Mann nicht an.
       Seine Energie ist ungebrochen, für seine Reibeisenstimme bräuchte er nicht
       einmal ein Mikrofon. In den vergangenen Wochen ist Ramy zum
       Hauptparolenführer der Berliner Anti-Mubarak Demos avanciert. "Batil!",
       hallt seine Stimme durch die Boxen weit über die Karl-Marx-Straße. Frei
       übersetzt: "Mubarak ist weg!"
       
       Seit Husni Mubarak, Staatspräsident Ägyptens seit fast 30 Jahren, am
       vergangenen Freitag zurücktrat, feiern Berlins ÄgypterInnen den Erfolg der
       friedlichen Revolution in ihrer Heimat.
       
       Die über 100 Menschen, die am Samstag fahnenschwingend, singend und tanzend
       vom Hermannplatz aus durch Neukölln ziehen, rufen außerdem zu Solidarität
       mit anderen arabischen Ländern auf. "Freiheit für Ägypten, Freiheit für
       Marokko, Freiheit für Tunesien" fordern die Demonstranten und werfen dabei
       Bonbons in die Luft. Abwechselnd ertönen die ägyptische Nationalhymne
       "Biladi" ("Heimatland, dir gehören meine Liebe und mein Herz") und das
       kommunistische italienische Partisanenlied "Bella Ciao".
       
       Die 50-jährige, aus Ägypten stammende Erzieherin Amira war bisher auf jeder
       Demo dabei. Nach Mubaraks Rücktritt müsse man nun für die anderen Länder
       auf die Straße gehen, erklärt die zierliche Frau und schwingt dabei ihre
       Faust in die Luft: "Erst wenn alle frei sind, ist es vorbei!"
       
       Am späten Freitagnachmittag hatte die unermüdlichen DemonstrantInnen die
       Nachricht vom Rücktritt des verhassten Präsidenten erreicht. Da waren sie
       an der Weltzeituhr am Alexanderplatz versammelt, über 300 Leuten,
       aufgebracht über die Ansprache des Autokraten Mubarak, der eigentlich
       zurücktreten sollte und es dann doch nicht tat. Sie forderten Solidarität
       vom deutschen Volk, das vor zwei Jahrzehnten selbst durch friedliche
       Demonstrationen ein diktatorisches Regime gestürzt hatte. Amira, die am
       Samstag vor Freude tanzt, drohte noch am Freitag, die kommenden Wahlen in
       Deutschland zu boykottieren. Sie war sauer auf die deutsche Regierung.
       
       Ein schwarzer Sarg, auf dem "Mubaraks Regime" stand, wurde vom
       Alexanderplatz zum Brandenburger Tor getragen. Auch Ramy war da, rannte mit
       seinem Mikrofon durch die Reihen und schrie: "Wir wollen Demokratie! Wir
       holen sie heute oder nie!"
       
       Dann, kurz nach 17 Uhr, die lang ersehnte Nachricht: Mubarak war
       zurückgetreten. Die Menschen lagen sich weinend in den Armen. Viele warfen
       sich "Allahu Akbar" ("Gott ist groß") rufend auf den Boden und küssten ihn.
       Am Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor wurde der schwarze Sarg samt
       Mubarak und Regime symbolisch beerdigt und ein Gebet für die während der
       Unruhen in Ägypten gestorbenen 300 Menschen gesprochen. Dann wurde
       gefeiert.
       
       "Mubaraks Rücktritt ist ein Etappensieg, nun dürfen wir die
       Menschenrechtslage nicht aus den Augen lassen", sagt der junge Bauingenieur
       Tarek Habashi, der mit Freunden das "Egyptian German Network for Changing
       Egypt" organisiert. Es müsse für die Freilassung aller politischen
       Gefangenen gekämpft und die Entwicklung von Frieden und Sicherheit in
       Ägypten begleitet werden. Habashi plant deshalb mit seinen Freunden ein
       Informationszelt, das am Potsdamer Platz stehen soll. Dort sollen sich alle
       Berliner ein Bild über die Lage am Nil machen können.
       
       13 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Canset Icpinar
       
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