# taz.de -- Bundestagsbeschluss zu Vertriebenen: Deutsche Gedenkpolitik sorgt für Ärger
       
       > "Beunruhigende Elemente": Historiker aus diversen Ländern und die
       > polnische Regierung kritisieren den Bundestagsbeschluss zur
       > Vertriebenencharta.
       
 (IMG) Bild: Bringen in ihren lustigen Trachten nicht Jeden zum Lachen: Vertriebene.
       
       BERLIN taz | Am Montag hagelte es Kritik an dem Beschluss des Bundestags
       zum Gedenken an die Vertriebenencharta vom 5. August 1950. Eine ganze
       Phalanx renommierter Zeithistoriker aus Ostmitteleuropa, Israel und
       Deutschland kennzeichnete die "Charta der Heimatvertriebenen" als "denkbar
       schlechteste Grundlage" für einen Gedenktag und verwies darauf, dass die
       UNO-Vollversammlung bereits den 20. Juni zum "Welttag der Migranten und
       Flüchtlinge" bestimmt hat.
       
       Die Erklärung der Historiker verweist auf die gravierenden Auslassungen in
       der "Charta": kein Wort zu den Ursachen des Zweiten Weltkriegs, kein Wort
       zu den nazistischen Massenverbrechen an Juden, Polen, Roma, Sinti und an
       den sowjetischen Kriegsgefangenen. Dafür die Selbsteinschätzung der
       "Charta", wonach die Flüchtlinge und Vertriebenen "vom Leid der Zeit am
       schwersten betroffen" gewesen seien. Hinter dem in der "Charta"
       proklamierten heiligen Recht auf Heimat stand, so die Erklärung der
       Historiker, die Forderung nach territorialer Revision der
       Nachkriegsgrenzen.
       
       Sieben der vierzehn Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung
       Flucht, Vertreibung, Versöhnung haben die Historikererklärung bis jetzt
       unterzeichnet. Unterschrieben haben auch der Vorsitzende des
       wissenschaftlichen Beirats, Stefan Troebst, sowie Raphael Gross vom
       Fritz-Bauer-Institut in Frankfurt. Neben den beiden polnischen Mitgliedern
       des Beirats, Piotr Madajczyk und Krzysztof Ruchniewicz, die seit Langem
       wissenschaftlich und politisch für die Verständigung mit Deutschland
       eintreten, unterschrieb auch Wlodzimierz Borodziej, der sich in der
       polnisch-deutschen Schulbuchkommission für den Abbau wechselseitiger
       Stereotype eingesetzt hat.
       
       In der linksliberalen wie der national orientierten polnischen Presse wird
       der Bundestagsbeschluss kommentiert als Versuch des Stimmenfangs durch die
       Christdemokraten und Liberalen, der leicht zum Anlass für revanchistische
       Bestrebungen werden könne. "Hat", so fragt er Kommentator der konservativen
       Rzeczpospolita, "die Lektion aus Dresden nicht gezeigt, dass das ein Spiel
       mit dem Feuer ist?"
       
       Auch das polnische Außenministerium meldete sich mit einer offiziellen
       Stellungnahme: In der "Charta" und im Bundestagsbeschluss fänden sich
       "beunruhigende Elemente", die sich daraus ergeben, dass der historische
       Kontext des Zweiten Weltkriegs nicht berücksichtigt wurde. "Das Dokument",
       so heißt es, "dient nicht der polnisch-deutschen Verständigung".
       
       15 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Semler
       
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