# taz.de -- Prozess gegen Berlusconi: Die Mär vom politisch Verfolgten
       
       > Korruption, illegale Spenden, Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung -
       > Berlusconi konnte seinen Kopf immer aus der Schlinge ziehen. Er sah sich
       > als Opfer politischer Justiz.
       
 (IMG) Bild: Bisher immer davongekommen, nun aber könnte es eng werden: Silvio Berlusconi.
       
       ROM taz | "Das ist eine evident politische Nutzung der Justiz", erklärte
       Fabrizio Cicchitto, kaum dass am Dienstag die Nachricht von der Zulassung
       der Anklage gegen Berlusconi die Runde machte. Cicchitto, einer der drei
       Koordinatoren der Berlusconi-Partei "Popolo della Libertà" (Volk der
       Freiheit), bot das Übliche: das sattsam bekannte Bild von einem
       Ministerpräsidenten, der von Staatsanwälten politisch verfolgt wird.
       
       Berlusconis Anhänger bemühen dafür Zahlen: 104 Verfahren seien in den
       letzten knapp 20 Jahren gegen den Regierungschef angestrengt worden.
       Berlusconi habe allein für die Anwaltskosten mehr als 300 Millionen Euro
       aufwenden müssen, hunderte Durchsuchungen über sich und seine Firmen
       ergehen lassen müssen und sich gegenüber Dutzenden Richtern und
       Staatsanwälten verantworten müssen.
       
       In Wirklichkeit - den Überblick haben die meisten Italiener längst verloren
       - sind es gut 20 Verfahren, die gegen Silvio Berlusconi angestrengt wurden.
       Aber schon das allein reicht seinen Verteidigern als Beleg dafür, dass der
       Mann verfolgt werde. "Zwei bis drei Prozesse" seien ja noch normal, befand
       vor einigen Tagen ein Kommentator, aber die schiere Anzahl der Verfahren
       gegen Berlusconi zeige, dass es da um anderes gehe als um Justiz.
       Schließlich - dies der Kern dieser These von der politisierten Justiz
       "roter Roben" und "verrückter Staatsanwälte" - sei Berlusconi ja immer
       freigesprochen worden. Keine einzige Vorstrafe laste auf ihm.
       
       Richtig daran ist, dass Berlusconi niemals verurteilt wurde. Seit den
       frühen Neunzigerjahren hatte er sich gegen einen ganzen Strauß von
       Vorwürfen zu verteidigen: illegale Parteispenden, Korruption von Beamten
       der Steuerfahndung, Bilanzfälschung, Steuerhinterziehung, Unterschlagung,
       Korruption in einem Justizverfahren. Zwölf Prozesse endeten mit einem
       letztinstanzlichen Urteil. Zweimal kam Berlusconi ungeschoren davon, weil
       die ihm vorgeworfenen Verbrechen unter Amnestien fielen. Dreimal erhielt er
       einen "echten" Freispruch.
       
       In den anderen sieben Fällen dagegen hatte Berlusconi geschafft, was nur
       Münchhausen gelungen war: sich am eignen Schopf aus dem Morast zu ziehen.
       Der Ministerpräsident beschwört zwar immer wieder die gegen ihn gerichtete
       politische Verfolgung, doch alle Anklagen trafen bisher den Unternehmer,
       der beim Ankauf von Filmrechten getrickst, schwarze Kassen in
       Offshore-Paradiesen angelegt und Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben
       soll. Um diese Fälle kümmerten sich dann aber nicht nur die Rechtsanwälte
       Berlusconis, sondern auch er selbst - in seinem Zweitberuf als Politiker.
       
       In seinen Regierungsjahren 2001 bis 2006 ließ er ein Bündel von Gesetzen
       verabschieden, die ihm mal Immunität verschaffen, mal die Ermittlungen der
       Staatsanwälte behindern sollten. Viele dieser Regelungen scheiterten
       später, weil sie verfassungswidrig waren. Zwei von diesen Gesetzen
       bescherten ihm allerdings gleich sieben Freisprüche. Mit dem einen schaffte
       er kurzerhand den Straftatbestand Bilanzfälschung ab, und so waren die
       gegen ihn laufenden Prozesse beendet. Das andere Gesetz sah vor, dass die
       Verjährungsfristen für Bürger, die noch nicht vorbestraft waren, deutlich
       verkürzt werden. Wieder durfte Berlusconi sich über diverse Freisprüche
       freuen - wegen Verjährung.
       
       Doch diesmal könnte die Geschichte für Berlusconi so enden wie für Al
       Capone, den die Chicagoer Staatsanwälte nicht wegen seiner Mafiadelikte,
       sondern wegen Unregelmäßigkeiten beim Finanzamt zu Fall brachten. Der
       Unternehmer Berlusconi fühlte sich dank der Tatsache, dass der Politiker
       Berlusconi sich vor ihm als Schutz platziert hatte, unangreifbar. Er wird
       es als Hohn empfinden, dass jetzt die Justiz seiner habhaft würde wegen
       Sexpartys unter Beteiligung Minderjähriger.
       
       16 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
 (DIR) Michael Braun
       
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