# taz.de -- Bildung im internationalen Vergleich: Wo man Pisa links liegen lässt
       
       > Kanada ist Sieger der Pisa-Studie, ignoriert sie aber lässig. Dort
       > versteht man nicht, warum sich in Deutschland niemand mit Gerechtigkeit
       > beschäftigt.
       
 (IMG) Bild: "Was habe ich mit dieser kleinen Stadt in Italien zu tun?", fragt sich der Regierungschef einer kanadischen Provinz.
       
       BERLIN taz | Als ein deutscher Politiker einem der kanadischen
       Ministerpräsidenten im vergangenen Jahr zu den hervorragenden
       Pisa-Ergebnissen seines Landes gratulierte, da hatte der Mann, ein
       Regierungschef einer kanadischen Provinz, ein großes Fragezeichen im Kopf.
       Er beugte sich bei seinem Deutschlandbesuch zum Botschafter Kanadas und
       wisperte ihm zu: "Was habe ich mit dieser kleinen Stadt in Italien zu tun?"
       
       Botschafter Peter M. Boehm trug die Anekdote in der
       Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften vor.
       Bundesbildungsministerium und Vodafone-Stiftung ließen dort über "Neue Wege
       zur Bildungsgerechtigkeit" diskutieren. Die Pisa-Studie ist da stets die
       Folie, vor der man diskutiert.
       
       Kanada behandelt sie mit lässiger Ignoranz, Deutschland interpretiert sie
       seit dem schmachvollen Abschneiden bei Pisa I wie eine Weltmeisterschaft in
       Mathe, Lesen und Naturwissenschaften. Wobei sich ausländische Politiker
       angesichts von Pisa-Erfolgen auch nicht nach deutschem Muster in die Brust
       werfen und die Erfolge der Schüler zu den ihren machen.
       
       Die Geschäftsführerin der südkoreanisch-amerikanischen Bildungskommission,
       Jai Ok Shim, wirkt eher bedrückt darüber, dass Südkoreas Schüler laut
       neuester Pisa-Studie weltweit am besten lesen und rechnen können. Jai Ok
       Shim zufolge ist der Erfolg Ausdruck eines ausufernden Nachhilfesektors und
       überambitionierter Eltern. "Unsere Eltern sagen ihren Kindern: Wenn du nur
       drei Stunden schläfst, bist du erfolgreich", erzählt sie.
       
       Drei Viertel der Schüler nähmen inzwischen Unterricht in Nachhilfeschulen -
       und würden einschlafen, wenn sie anschließend im Unterricht der staatlichen
       Schulen säßen. "Wir haben ein ernsthaftes Problem", lautet das Urteil Jai
       Ok Shims trotz des internationalen Spitzenplatzes.
       
       Auch die niederländische Wissenschaftlerin Manuela du Boys-Reymond von der
       Universität Leiden ist nicht nach Berlin gekommen, um eine niederländische
       Erfolgsstory zu referieren - obwohl die heimischen Schüler im Pisa-Ranking
       überdurchschnittlich gut abschneiden. Die bedenklichste Entwicklung sei die
       Ghettobildung in den Städten.
       
       In solchen Brennpunkten gebe es Problemschulen mit eigener Dynamik. "Wir
       befinden uns an der Schwelle zu einer prekären Situation", meint du
       Boys-Reymond. Solche Problemschulen in städtischen Brennpunkten gibt es in
       allen Ländern. Einig sind sich die Experten darin, dass die Probleme nicht
       allein in den Schulen zu lösen sind, sondern das soziale und räumliche
       Umfeld einzubeziehen ist.
       
       Die Kanadier sind hier wiederum Vorbild. Ihre Community Schools sind fest
       im Stadtteil verankert, die Vertreter der Kommune entscheiden mit über
       Lehrer und Finanzen einer Schule. Und wenn es Probleme gibt, bekommt die
       Schule eben mehr Geld und bessere Lehrer. Und was macht Kanadas Schüler
       sonst noch so erfolgreich? Offenbar, dass es auch ziemlich gerecht zugeht.
       
       Die 13 unterschiedlichen Schulsysteme - in Kanada ist Bildung wie in
       Deutschland föderal organisiert - haben eines gemeinsam: eine Grundschule,
       die alle Schüler acht Jahre lang bis zum 14. Lebensjahr besuchen, und
       Ganztagsschulen.
       
       Das gemeinsame Lernen eint uns, sagt Boehm über sein Land. Davon würden
       besonders Kinder nicht kanadischer Herkunft und sozial Benachteiligte
       profitieren. Der Punkt wurde auf dem Podium nicht vertieft. Man ist eben in
       Deutschland.
       
       16 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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