# taz.de -- Absage an Beziehungsgespräche: Körper sagen mehr als Worte
       
       > Nanouk Leopold geht in ihrem Beziehungsfilm "Brownian Movement" der Frage
       > nach, wie sich Vertrauen und Unberechenbarkeit vereinbaren lassen
       > (Forum).
       
 (IMG) Bild: Sex mit hässlichen Männern hat für sie nichts mit ihrer Liebe zu ihrem bildschönen Mann zu tun: Sandra Hüller in "Brownian Movement".
       
       Der Sohn wird heute von ihrem Mann abgeholt, Charlotte hat den Nachmittag
       zur freien Verfügung. Die blonde Ärztin mit dem ungezeichneten Gesicht und
       den tieftürkisfarbenen Augen (Sandra Hüller) lächelt leise. Sie wird die
       Wohnung als Domizil für besondere Angelegenheiten nehmen, wortlos blättert
       sie der Vermieterin die Miete in die Hand.
       
       Ihre Neugierde auf Sex mit Männern oder besser mit Körperteilen von
       Männern, die im landläufigen Sinn hässlich sind, hat für sie nichts mit
       ihrem Zuhause, nichts mit ihrer Liebe zu ihrem bildschönen Mann Max zu tun.
       Es sind zwei Universen, zwischen denen hin und her zu wechseln sie
       glücklich macht. Es geht um Suchbewegungen hinein in neue Räume - darauf
       deutet schon der Titel von Nanouk Leopold hin: "Brownian Movement". In den
       Naturwissenschaften bezeichnet dieser Begriff die unregelmäßige Bewegung
       von Körpern in Flüssigkeit oder Gas.
       
       Und so haben auch Charlotte und Max etwas Schwebendes. Leopold nämlich
       verankert ihre Figuren nicht in deren Wohnräumen, sie lässt sie durch diese
       gleiten. Voraussetzung hierfür ist die reduzierte Möblierung der Wohnungen
       und vor allem die enorme Wortkargheit. Obwohl der Film davon erzählt, wie
       ein Paar seine Beziehung, seine Liebe miteinander aushandelt, wird kaum
       gesprochen. Dieser exzentrische, ereignisarme Liebesfilm ist eine radikale
       Absage an das Beziehungsgespräch. Worte heilen nicht, Worte lenken ab.
       Paartherapien sind bestenfalls komisch, und so zählt die Szene bei der
       Therapeutin auch zu den lustigsten im Film.
       
       "Sagen kann man ja alles", erklärt die Regisseurin Nanouk Leopold ihr
       Desinteresse an verbalen Auseinandersetzungen. Für sie ist der Körper, ist
       das Gesicht, sind die Augen die verlässlicheren Geschichtenerzähler. Ihre
       Kamera ist verliebt in das Gesicht von Sandra Hüller. Zahllose Close-ups
       zeigen, wie Hüller mit minimalen Mitteln ihren Gesichtsausdruck zwischen
       Naivität, Abgründigkeit und schlichter Lebensfreude pendeln lassen kann.
       
       Der Film ist in drei Kapitel untergliedert und er spielt in zwei Welten: Im
       Westen beginnt das Drama, und nachdem Charlottes Doppelleben aufgeflogen
       ist, übersiedelt das Paar nach Indien. Genauer nach Ahmedabad. Indiens
       siebtgrößte Stadt ist ein Mekka für Architekturliebhaber. Unter anderem Le
       Corbusier baute hier in den 50er Jahren grandiose Betonpaläste. So ganz
       erklärt es sich nicht, warum die Regisseurin der feinen Gesten mit diesem
       groben Kontrast arbeitet: Die reduzierte, unterkühlte Hightechwelt der
       Westens wird roh gegen das bunte Gewusel im Süden gesetzt. In dessen
       Zentrum thront die Architektur des Meisters der Klassischen Moderne.
       Leopolds Faible für avantgardistische Architektur prägt den ganzen Film.
       Indien ist für sie vor allem farbenfrohe Kulisse.
       
       Gleichzeitig nennt sie Vertrauen als das zentrale Thema ihres zweiten
       Spielfilms. Wie lässt sich ein Leben teilen, wenn ein Partner grundlegend
       unberechenbar ist? Das ist das große Rätsel. Über ihren letzten Spielfilm,
       "Wolfsbergen" (2007), hatte Leopold gesagt: "Meine Figuren müssen sich
       immer der Frage aussetzen: "Wie viel Wissen über mich kann ich ertragen?"
       Sie ist diesem Motiv treu geblieben. Die Annäherung von Charlotte und Max
       findet übrigens bei einer Fahrt durch die Wüste statt. Lächelnd und
       schweigend.
       
       19 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ines Kappert
       
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