# taz.de -- Judith Holofernes über "Bild"-Kampagne: "Die 'Bild' ist keine Supermacht"
       
       > Das Medium ist die Botschaft, sagt Judith Holofernes. Sie hat es
       > abgelehnt, für die "Bild"-Zeitung zu werben, und ihre Absage ins Netz
       > gestellt. "Bild" bedankt sich mit einer ganzseitigen Anzeige.
       
 (IMG) Bild: Heldin Judith Holofernes hat einen Offenen Brief an die Werbeagentur "Jung von Matt" geschrieben.
       
       taz: Da wir uns schon lange kennen, duze ich dich. Jetzt ist eure
       Band-Website zusammengebrochen. Liegt das daran, dass ihr so einen lahmen
       Server habt oder dass du einen Nerv getroffen hast? 
       
       Judith Holofernes: Also unser Server ist garantiert nicht der größte. Aber
       dass er zusammenbricht, hat mich dann doch überrascht. Und der von
       BildBlog.de ist auch angeschlagen.
       
       Hast du den Brief schon mit der Absicht geschrieben, den dann auch in die
       Öffentlichkeit zu stellen, oder war der erst mal nur an die Damen und
       Herren von Jung von Matt gerichtet? 
       
       Das war schon so geschrieben als Antwort in die Öffentlichkeit, um meines
       eigenen Amüsements und Seelenheils willen. Ich hab über die Jahre so viel
       Blödheit an mich herangetragen bekommen, dass ich einfach ein ganz tiefes
       Bedürfnis hatte, nicht immer nur drüberzustehen, sondern auch mal zu
       reagieren. 
       
       Nun könnte man sich vorstellen, dass die Agentur für diese Werbekampagne
       öfter mal eine Absage kassiert - aber du machst mit deinem offenen Brief
       aus deiner Absage ja sozusagen eine Kampagne gegen Bild! Hast du eine
       Mission? 
       
       Es hatte in erster Linie was mit Herzenshygiene zu tun. Und ich habe ein
       starkes Bedürfnis, mich da abzugrenzen, drum wollte ich das öffentlich tun.
       Auf der anderen Seite habe ich mir schon auch gedacht, dass die Art, wie
       ich das getan habe, den ein oder anderen amüsieren könnte und vielleicht
       auch ein bisschen erhellen. Ich glaube, dass viele Leute verärgert und
       genervt waren von dieser Kampagne, aber gar nicht so genau benennen
       konnten, was das eigentlich ist, was sie daran so stört.
       
       Du nennst die Kampagne "perfide" und beantwortest diese Frage in dem Brief
       ja eigentlich für dich. Aber trotzdem noch mal: Wäre es nicht der
       elegantere Weg gewesen, mitzumachen und, wies so schön heißt, das System
       von innen anzugreifen? 
       
       Nein, eben nicht. Ich bin ganz fest davon überzeugt, dass niemand, der sich
       in das Bezugssystem dieser Kampagne begibt, ungeschoren davonkommt. Im
       Sinne von: ohne mit der Bild-Zeitung fraternisiert zu haben. Das ist ja die
       Masche, mit der die versuchen, sowohl die Prominenten zu kapern als auch
       die, die das dann irgendwie total clever finden sollen. Ich bin ja schon
       nicht sicher, ob man so was machen kann, was ich da jetzt gemacht habe,
       ohne am Ende Werbung für die Bild-Zeitung zu machen.
       
       Wenn man Bild-Werbung sieht, denkt man ja oft: Mist, leider gut. Bild und
       McDonalds haben mit die cleversten Werbungen - woran liegts? Können die
       sich einfach die besten Agenturen leisten? 
       
       Ich glaube, umstrittene und mit einem offensichtlichen Makel behaftete,
       aber doch irgendwie mainstreambeherrschende Marken zu gestalten, das reizt
       einfach jeden Werber. Oder fast jeden. Ich kann mir vorstellen, dass die da
       dann ihre besten Leute zusammenstellen. Und mir ging das ja früher auch so,
       dass ich solchen Sachen ein bisschen auf den Leim ging. Gott sei Dank hab
       ich ja nun Werbung studiert und weiß, dass man die Werbung nicht mit dem
       Werber verwechseln darf - und vor allem natürlich auf keinen Fall mit der
       Macht, die hinter der Marke steht. Und wenn die Werbung für die
       Bild-Zeitung irgendwie witzig ist, heißt das noch lange nicht, dass das
       Medium Bild-Zeitung mit irgendeiner Art von Humor gesegnet ist.
       
       Du kommst den Leuten von Jung von Matt in dem Brief ja ziemlich persönlich
       und durchaus vorwurfsvoll. Von einer großen Werbeagentur zu erwarten, wie
       du es zum Ausdruck bringst, dass sich die Leute da ja auch weigern könnten,
       für Bild Werbung zu machen, ist zumindestens frisch-naiv. Ist es auch dein
       Ernst? 
       
       Es ist zumindest bei dieser speziellen Kampagne so, dass da so viele
       unausgesprochene Annahmen dahinterstecken, die ich so dermaßen perfide
       finde, dass ich es dann tatsächlich übel nehme und auch wirklich persönlich
       beleidigt war, dass irgendjemand annehmen konnte, ich möchte da Anteil dran
       haben. Sollen sie doch Werbung für die Bild-Zeitung machen. Aber klar ist:
       Es gibt auch viele Werber, die das nicht machen würden, und es gibt auch
       viele, die dann irgendwann aus diesem doch sehr verkorksten Business
       aussteigen. Es ist nicht so, dass man sagen müsste: Das ist halt alles
       systemimmanent, es ist halt so, und deswegen lass doch die armen Leute in
       Ruhe. Ich hab das ja alles von innen gesehen und deswegen mein Studium
       abgebrochen.
       
       Jetzt versteh ich erst "Werbung studiert". Du hast nicht in den letzten
       Jahren die Werbung in den Medien studiert, sondern richtig Werbung
       studiert, an der Uni? 
       
       Ich habe Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation angefangen in dem
       Glauben, das hätte irgendwas mit Medien und Journalismus zu tun, hab mich
       dann in einem Werberstudiengang wiedergefunden und innerhalb weniger
       Veranstaltungen das kalte Grauen gekriegt. Das meine ich ja mit "Ich kenne
       euch alle". Aus Ernüchterung darüber, wie dieses Business läuft, habe ich
       ja erst angefangen, mich mit Werbekritik und dann mit Konsum- und
       Globalisierungskritik zu beschäftigen.
       
       Du sagst, du nimmst es den Werbern übel, die diese Kampagne machen. Nimmst
       dus auch den Prominenten übel, die mitmachen und ihr "Testimonial" abgeben? 
       
       Klar: Natürlich ist es jedem überlassen, ob er da mitmacht. Ich denke nur,
       die Leute müssen mit in Kauf nehmen, dass sie damit zwar unheimlich viele
       Menschen erreichen, aber auch bei vielen Ansehen einbüßen. Und ich habe
       schon das Gefühl, dass das einen Teil dieses Hallihallo jetzt im Internet
       ausgemacht hat: dass viele Leute, die enttäuscht waren von Prominenten, die
       bei dieser Kampagne mitgemacht haben, sich einfach gefreut haben,
       mitzukriegen, dass man da offensichtlich nicht zwangsläufig mitmachen muss,
       wenn man gefragt wird. Ich lauf ja immer wieder vorbei an neuen Plakaten
       und denk mir: Oh nein, der nicht auch noch! 
       
       Du unterstellst den Teilnehmenden recht klar Dämlichkeit, du schreibst:
       "Selten hat eine Kampagne so geschickt mit der Dummheit auf allen Seiten
       gespielt." 
       
       Ich unterstelle denen, die mitmachen, dass sie sich als dümmer verkaufen,
       als sie sind. Diese ganze Kampagne wirkt auf mich wie ein großer Deal, den
       alle miteinander machen, damit sie in ihrer komischen Blase weiterleben
       können, indem sich jeder ein bisschen doofer verkauft, als er ist.
       
       Andere meinen - oder wissen - vielleicht, dass sie es sich
       karrieretechnisch gar nicht leisten können, Bild abzusagen. 
       
       Die Bild-Zeitung ist auf jeden Fall eine Macht, und ich habe mitbekommen,
       dass es zum Beispiel in der Schauspielerei offensichtlich nicht oder kaum
       möglich ist, sich dem zu entziehen. Wenn man als Schauspieler irgendwie
       eine Karriere haben will in Deutschland, ist es fast unabdingbar, sich mit
       der Bild-Zeitung gut zu stellen. Das ist im Pop gottlob nicht ganz so.
       
       Seid ihr mit Wir sind Helden da in einer Luxusposition? 
       
       Wir haben uns ganz bewusst eine Karriere aufgebaut, die nicht von der
       Bild-Zeitung abhängig ist. Ich denke, dass viele Künstlerkarrieren in
       Deutschland von der Bild-Zeitung abhängen, aber natürlich vor allem die,
       die sich von Anfang an mit ihr verbündet haben. Die Bild-Zeitung ist ein
       wahnsinnig machtvolles Instrument, um eine Karriere aufzubauen. Aber dann
       kommt man aus der Nummer eben auch nicht wieder raus. Ich weiß, dass die
       Bild-Zeitung sehr gnadenlos umgeht mit Leuten, die nicht kooperieren. Und
       wir haben immer das Glück gehabt, dass wir uns außerhalb dieses
       Machtgefüges bewegt haben.
       
       Hast du jetzt Angst vor dem Zorn von Bild? 
       
       Ich denke, die versuchen so sehr, für sich ein Image zu gestalten von
       Drüberstehen und Humor und Selbstironie, dass ich mir nicht vorstellen
       kann, dass die da zu einem richtigen Gegenschlag ausholen. Und ich fänds
       auf jeden Fall schön, wenn niemand jetzt die Bild kaufen würde, nur um zu
       sehen, ob sies doch tun.
       
       Man predigt mit einer Aktion wie deiner natürlich vor allem zu den
       Bekehrten. 
       
       Das ist völlig klar. Ich ahne aber auch, dass es einen erschreckend hohen
       Prozentsatz von "ironischen" Bild-Zeitungs-Lesern gibt. Leute, die das nur
       mal an der Raststätte oder nur vorm Zahnarztbesuch kaufen, oder die "nur
       den Sportteil lesen" und die das eigentlich alles durchschauen, aber halt
       irgendwie witzig finden. Das merkst du ja schon daran, dass du das als Band
       in deinen Tour-Rider reinschreiben musst, wenn du backstage bitte KEINE
       Bild-Zeitung liegen haben möchtest. Weil das einfach so ist: Alle Bands
       lesen auf Tour die Bild-Zeitung! Zumindest ist das die Annahme. Wenn nur
       alle ironischen Bild-Leser das mal für ein paar Monate sein lassen könnten,
       würde das denen, glaub ich, ernsthafte Umsatzeinbußen bescheren.
       
       Nachdem wir dieses Interview geführt haben, hat Bild reagiert und schaltet
       in der Montagsausgabe eine ganzseitige Anzeige in der taz, die deinen
       kompletten Brief enthält mit dem Zusatz "Danke für Ihre ungeschönte und
       unentgeltliche Meinung, Frau Holofernes". Wird es der Bild-Zeitung
       gelingen, aus der Sache noch was für sich rauszuholen? 
       
       Die Bild ist eine Macht, aber nicht mehr die Supermacht, die sie zu sein
       vorgibt. Ich schätze, die werden - wie auch ich - die vielen Antworten und
       Kommentare im Netz gelesen und gemerkt haben: Okay, da ist ein Großteil der
       Leute einfach entzückt. Nur ein paar wenige fürchten, die Bild könnte
       letztlich alles zu ihren Gunsten drehen - und diese Anzeige ist der
       Versuch, diese Annahme zu unterstreichen. Eine ziemlich zahnlose
       Dominanzgebärde. Interessant übrigens, dass sich die taz dafür zur
       Verfügung stellt. Ich glaube aber nicht, dass das aufgeht, dazu bewege ich
       mich zu weit außerhalb ihres Spielfelds. Ich bin jedenfalls sehr glücklich
       damit, das gemacht zu haben, und würde mich freuen, wenn andere das
       weitertragen.
       
       Aber konsultierst du jetzt deinen Anwalt? 
       
       Meine erste Reaktion war jetzt schon: Dürfen die das? Aber ich hab auch
       keine Lust, da jetzt einen Fehdehandschuh aufzunehmen. Es ist ja doch das
       Berechenbarste, was sie machen konnten.
       
       Man würde ja annehmen, dass so was dann von der Rechtsabteilung eh
       wasserdicht abgecheckt wurde. Oder eben gerade nicht? Ist da vielleicht
       bewusst eine Lücke? Warten man nur darauf, dass du mit rechtlichen
       Schritten reagierst? 
       
       Es ist jedenfalls ein ziemlich lahmer Versuch, ein Rückspiel zu erzwingen,
       weil man aus der ersten Runde nicht besonders glorios hervorgegangen ist.
       Aber ich sehe nicht ein, warum ich mich drauf einlassen sollte, wenn ich
       schon geduscht habe und mit meinen Leuten singend im Bus sitze.
       
       26 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Josef Winkler
       
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