# taz.de -- Biografie über Guttenberg: Ich bin der, auf den ihr gewartet habt
       
       > Guttenberg, der Plagiator, war noch nicht erkennbar für die Autoren
       > seiner Biografie. Dennoch sucht man beim Lesen nach der Vorgeschichte
       > eines Fälschers.
       
 (IMG) Bild: Die Politik wird mit Argwohn betrachtet, er zwinkert dem Volk zu: Karl-Theodor zu Guttenberg.
       
       Wie wäre der Tenor dieser Biografie, wenn sie nur einige Wochen später
       erschienen wäre? Es wäre wohl keine Heldengeschichte geworden. So wie sich
       das Leben von Karl-Theodor zu Guttenberg in diesem Februar verändert hat,
       hätte sich auch die politische Erzählung des ersten ausführlichen Buchs
       über ihn anpassen müssen.
       
       Mindestens ein Teil des Lebens des Verteidigungsministers hätte dann in
       einem anderen Licht gestanden. Aber es kam anders. Die Autoren Eckhard
       Lohse und Markus Wehner haben die Danksagung für "Guttenberg - Biographie"
       am Endes des Buchs bereits im Januar gezeichnet - dem Monat, bevor die Uni
       Bayreuth Guttenberg seinen Doktortitel aberkannt hat und einer ihrer
       Wissenschaftler den früheren Werbeträger der Uni als Betrüger beschimpfte.
       
       Die Passage über den Doktoranden Guttenberg erscheint nun in dem Buch
       reichlich knapp. Über gerade zwei Absätze lassen sich die Schwierigkeiten
       erahnen, die dem immer noch beliebtesten deutschen Politiker die eigene
       Dissertation bereitete. "Abschließen kann er seine Doktorarbeit über Jahre
       nicht", schreiben die Autoren. Im Vorwort der Arbeit habe der Minister
       selbst bekannt, "wie schleppend und quälend die Niederschrift voranging".
       Das war es dann auch schon.
       
       ## 
       
       Es ist eine Ironie, dass Guttenberg gerade dieses Vorwort der Arbeit nahezu
       identisch aus einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
       abgeschrieben hat - also im Prinzip von Kollegen der Biografen, die bei der
       Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung schreiben.
       
       Wertlos wird durch das Fehlen der aktuellen Plagiatsaffäre das Buch über
       Guttenberg dennoch nicht. Wenn auch der Makel bleibt, dass es mitten in
       einer politischen Debatte erscheint, die das Land zu spalten scheint, ohne
       sie auch nur ansatzweise abzubilden.
       
       Weit ausführlicher als in der im vergangenen Jahr erschienenen
       Guttenberg-Biografie von Anna von Bayern widmet sich das Buch dafür den
       familiären Wurzeln des Guttenberg-Clans, der "etwas darauf hält, von Adel
       zu sein". So ordnen Wehner und Lohse detailliert die
       Verwandtschaftsverhältnisse der Guttenbergs zu den Hitler-Widerständlern
       der Stauffenbergs und den Nazi-Kollaborateuren der Ribbentrops und zwischen
       den Bismarcks und dem deutschen Regisseur Florian Henckel zu Donnersmarck -
       dessen Neffe vierten Grades Karl-Theodor zu Guttenberg ist.
       
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       Zum Hochadel gehören die Guttenbergs trotz all der spektakulären familiären
       Verzweigungen nicht. Den Guttenbergs scheint es nichts ausgemacht zu haben.
       Mit dem Satz: "Ein fränkischer Freiherr spuckt auf einen bayerischen
       Grafen", hat die Urgroßmutter Guttenbergs den Stolz der Familie nach
       Schilderung der Autoren in den Fünfzigerjahren einen Spiegel-Reporter
       spüren lassen.
       
       Karl-Theodor wächst zusammen mit seinem Bruder Philipp bei seinem Vater
       auf. Seine Mutter verlässt Vater Enoch zu Guttenberg, als Karl-Theodor fünf
       Jahre alt ist. Die potenziellen Stammhalter sollen sich an das Leben im
       gleichnamigen Schloss nahe Kulmbach in Oberfranken gewöhnen, er wächst "mit
       dem Bewusstsein eines zukünftigen Schlossherrn auf".
       
       Die Jugend mit dem eher un(partei-)politischen Vater beschreiben die
       Autoren als ein enges Verhältnis, das wegen der reise- und
       arbeitsintensiven Dirigententätigkeit des Vaters aber auch nicht frei von
       Spannungen war. Immerhin, so sah Karl-Theodor zu Guttenberg schnell andere
       Kontinente. Da der Vater überdies seinen Sohn dazu verdonnerte, bei
       Begräbnissen von Angehörigen oder Feuerwehrfesten Reden zu halten, erklärt
       sich einiges von der Sicherheit, mit der der Politiker Guttenberg in seiner
       politischen Laufbahn schnell aufzutreten lernte. "Ein Guttenberg schafft
       es, ein Bierzelt zum Schweigen zu bringen", zitieren die Autoren den Vater.
       
       Was an kritischen Details über die zusammenkopierte Doktorarbeit in der
       Biografie fehlt, liefern die Autoren dennoch an zahlreichen Stellen über
       den jungen Karl-Theodor zu Guttenberg. Er selbst sagt von sich als Schüler,
       er "habe es immer geschafft, mit relativ geringem Aufwand relativ weit zu
       kommen", einen "ausgeprägten Hang, für die Schule zu arbeiten, hat
       Guttenberg nicht", umschreiben es die Autoren. Für den Adel habe Bildung,
       die Aneignung von Wissen, anders als für das Bürgertum nie eine überragende
       Rolle gespielt. "Wichtiger waren ihm Charakter, Auftreten, Moral, auch
       Opferbereitschaft." Auch seinen beruflichen Lebenslauf mit einigen Praktika
       habe Guttenberg "etwas aufgeblasen".
       
       Der politische Aufstieg Guttenbergs beginnt 2002. In dem Jahr erreicht er
       mit 30 Jahren und nur drei Jahre nach seinem Eintritt in die CSU erstmals
       ein Bundestagsmandat. Mit Edmund Stoiber verpasst ein CSU-Politiker nur
       knapp die Kanzlerschaft im selben Jahr, die Partei schlittert in eine tiefe
       Krise. "Für die politische Laufbahn Guttenbergs ist das Scheitern Stoibers
       von entscheidender Bedeutung", folgern Lohse und Wehner. Die Sehnsucht nach
       einem wie Guttenberg wäre in der CSU andernfalls gar nicht entstanden. Ein
       wenig mehr rhetorische Fähigkeiten Stoibers hätten vielleicht seinen Erfolg
       gebracht - und den von Guttenberg verhindert. Hier erzählt die Biografie
       von den vielen Zufällen, die politische Karrieren plötzlich fördern oder
       bremsen können.
       
       Dass Guttenberg weiter aufsteigt, wird den Methoden zugeschrieben, mit
       denen er auch heute Erfolg hat. Er sucht sich als Abgeordneter gern die
       Position, "mit der er auffällt, weil sie quer zur Mehrheitsmeinung liegt".
       Von seinem ersten großen Schritt, der Berufung zum CSU-Generalsekretär
       durch Horst Seehofer im November 2008, will Guttenberg durch die Medien
       erfahren haben.
       
       Guttenberg bleibt nur drei Monate Generalsekretär, er fällt so viel oder
       wenig auf wie manch anderer in derselben Zeit. Am 10. Februar wird er mit
       37 Jahren der jüngste Wirtschaftsminister des Landes, und schon bald wird
       er durch ein Nein zu Staatshilfen für Opel und einer damit verbundenen
       Rücktrittsdrohung zu einem der beliebtesten Politiker Deutschlands. Nach
       der Bundestagswahl steigt er zum Verteidigungsminister auf.
       
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       Doch der Politiker Guttenberg ist vollkommen verwoben mit dem Darsteller
       Guttenberg, und so widmet die Biografie einen ganzen Abschnitt den
       Auftritten des Verteidigungsministers. Das Hinaufspringen von Treppen, das
       Wippen, die offensive Rhetorik bei Reden - es gibt auch keinerlei optischen
       Ausrutscher in seiner bisherigen Karriere. Ist alles also Show? Nicht nur,
       folgern die Autoren, seine zur Schau getragene Bescheidenheit ist auch ein
       Stück Erziehung. Sicher sei allerdings eines: Guttenberg will populär sein
       - solange es geht.
       
       Lange hatte auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Lohse und
       Wehners journalistische Heimat, den Aufstieg Guttenbergs positiv begleitet.
       Gerade die FAS und die FAZ scheinen sich aber in den vergangenen Wochen
       durch die Plagiatsaffäre weiter von Guttenberg abzuwenden, als dies andere
       Medien getan haben. Darum ist es besonders pikant, dass gerade in dieser
       Zeit die Biografie der beiden FAS-Autoren erscheint. Das bringt Spannung:
       Die Lektüre des Buchs wird unweigerlich auch zu einer Spurensuche nach
       Anzeichen des Fälschers Guttenberg.
       
       Es mag auch daran liegen, dass Guttenberg nun gerade aus der FAZ das
       Vorwort seiner Dissertation abgeschrieben hat und sich dadurch das
       Verhältnis zu der Zeitung abgekühlt hat. Sicher ist aber auch, dass die
       renommierte Frankfurter Zeitung mit dem Anspruch, eine akademische
       Leserschaft die ihre nennen zu können, dem Verteidigungsminister eben nicht
       die Schummelei als Versehen durchgehen lässt. Nicht zufällig haben die
       Autoren in einem Vorabdruck in der FAS vor einer Woche besonders die
       kritischen Stellen herausgefiltert und auf drei Seiten den Lesern
       präsentiert.
       
       Insofern, auch wenn der kuriose Zufall bleibt, dass die Affäre unerwähnt
       bleibt, bekommt das Buch durch die Veränderungen der vergangenen Wochen
       einen besonderen Reiz. Und es liefert als erste Guttenberg-Biografie
       ausführliche Hintergründe zu den Situationen, in denen sich Guttenberg
       befunden hat - inklusive einer Analyse über die Situation der CSU vor
       Guttenbergs Aufstieg oder eben dem komplizierten Geflecht des Adels in
       Deutschland.
       
       Das Phänomen Guttenberg entsteht in einer Zeit, in der die Bevölkerung die
       Politik mit Argwohn betrachtet. Guttenberg, schreiben die Autoren, kommt in
       diesem Moment mit seiner Frau aus dem Schloss herabgestiegen und zwinkert
       dem Volk zu. Ich bin der, auf den ihr gewartet habt. So endet die
       Geschichte von Lohse und Wehner. Allerdings nun einmal schon im Januar
       dieses Jahres. Vor der Plagiatsaffäre.
       
       28 Feb 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gordon Repinski
       
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