# taz.de -- die wahrheit: Therapeut mit Lötkolben
       
       > Kulturbetrieb: Eugen Egner ist Deutschlands erster Baumarktliterat. Ein
       > wahres Porträt.
       
       Seit mehr als einem Jahr befindet sich der Wuppertaler Schriftsteller und
       Psychotherapeut Eugen Egner auf einer Lesereise, die ihn durch Deutschlands
       Baumärkte führt. Man kennt ihn als Verfasser heiter-besinnlicher Glossen
       zum Zeitgeschehen, aber auch als engagierten Menschenfreund und als
       Kritiker unseres allzu oft gedankenlosen Umgangs mit dem "Rohstoff
       Achtsamkeit", wie er es nennt. Die prägnanten Titel seiner Bücher sind in
       aller Munde - "Lächle, und dich küsst ein Engel", "Proaktive Zärtlichkeit",
       "Vom Gegenüber zum Du", "Auf den Schwingen der Wir-Gesellschaft" und "Neue
       Konfliktlösungsmodelle auf den Schwingen der Wir-Gesellschaft". Was aber
       hat Egner in die Baumärkte gezogen?
       
       "So ein Baumarkt", sagt der schlanke Dichter auf Befragen, "ist ja im
       Prinzip nichts anderes als ein großer Umschlagplatz der Gefühle. Rein
       äußerlich geht es um Heimwerkerbedarf, doch man bedenke, was damit
       verbunden ist - der Traum von einem eigenen Heim, die Hoffnung, etwas
       Bleibendes zu schaffen, und sei es auch nur ein Gewächshaus oder ein uriger
       Grillplatz …"
       
       Egners neues Buch heißt daher nicht von ungefähr "Der Baumarkt als
       Kontaktbörse". Laut Verlagswerbung handelt sich um einen Ratgeber "der
       besonderen Art", aus dem man lernen kann, "wie der Einkauf in einem
       Baumarkt zu einem rauschenden Fest für die Sinne wird". Ein Auszug aus dem
       Kapitel über "Gesprächskontakte im Kassenbereich" mag hier als Appetizer
       genügen: "Wer in einer Schlange vor der Kasse ansteht, der macht sich
       normalerweise beliebt, wenn er anderen Kunden den Vortritt lässt, doch es
       gibt Ausnahmen von dieser Regel. Das haben renommierte Verhaltensforscher
       vom Research Center for Human Behaviour an der Berkeley University in
       Harvard herausgefunden.
       
       Beispiel A: Ein gut aussehender junger Mann mit drei langen Fußbodenleisten
       über der Schulter lässt eine mittelmäßig attraktive Dame vor, die nur eine
       Gartenschere erwerben möchte. Die Dame dankt ihm und nimmt noch am selben
       Tag seinen Heiratsantrag an. Beispiel B: Ein alkoholisierter,
       schweißüberströmter, überaus korpulenter älterer Herr in ausgebeulten
       Shorts, die seine bleichen, unregelmäßig behaarten Beine der Betrachtung
       freigeben, lungert mit einer Rolle Tesa-Krepp am Kassenförderband herum.
       
       Er gewährt einer makellos gebräunten, fünf bis obenhin mit
       Badezimmerarmaturen gefüllte Einkaufswagen hinter sich herziehenden
       Sexbombe den Vortritt, redet unablässig auf sie ein und bietet ihr sogar
       seine Hilfe beim Transport und bei der Installation der Armaturen an, doch
       die Sache verläuft im Sande. Auf die Psyche der Baumarktkundschaft werfen
       diese Beispiele gerade in ihrer Unterschiedlichkeit zwei Schlaglichter, wie
       sie verschiedener nicht sein könnten."
       
       Beim Publikum kommen Egners Allerweltsweisheiten verblüffend gut an. Die
       Leute strömen jedenfalls in Scharen herbei und zahlen gesalzene Preise,
       nicht zuletzt für die spektakuläre Bühnenshow. Zum Programm gehören
       Dressurnummern, Flaggenparaden, Schleiertänze und Quartettspiele, aber auch
       Wettbewerbe im Armdrücken und im Beruferaten sowie ein Blumenkorso und das
       stets mit Spannung erwartete, von Egner persönlich durchgeführte Zersägen
       einer Jungfrau. Den feierlichen Abschluss bildet eine Totenehrung mit
       Brillantfeuerwerk, Fahnenappell und Champagnerdusche.
       
       "Das ist mehr, als man von einer klassischen Dichterlesung erwartet", sagt
       Egner. "Das ist ein Gesamtkunstwerk. Und jetzt entschuldigen Sie mich
       bitte. Ich habe noch was zu löten."
       
       Schmunzelnd schreitet er die Betontreppe zu seiner Kellerwerkstatt hinab
       und schlägt die Tür so fest hinter sich zu, dass man begreift: Dieser Mann
       möchte mit seinem Lötkolben allein sein. Alles andere bleibt unbegreiflich. 
       
       Eugen Egners nächste Lesungstermine: 6.-14.3. Heilbronn, OBI-Baumarkt; 15.
       und 16.3. Ludwigshafen, Heimwerkerbedarf Nöhlmann; 17. 3. Mannheim,
       Bauhaus; 18.-26.3. Koblenz, Rohr & Zange (Beginn jeweils 20.30 Uhr,
       Eintritt: 35, 32, 28 und 26,59 Euro).
       
       4 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gerhard Henschel
       
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