# taz.de -- Proteste in Kroatien: Aufstand der Facebook-Generation
       
       > In Zagreb sind tausende junge Menschen einem Protestaufruf bei Facebook
       > gefolgt. Sie fordern den Rücktritt der Regierung von Ministerpräsidentin
       > Jadranka Kosor.
       
 (IMG) Bild: Ganz so voll wie in Kairo war es nicht, aber immerhin: Mehrere tausend Demonstranten in Zagreb.
       
       SARAJEVO taz | Tausende junge Leute sind am Mittwochabend erneut einem
       Facebook-Aufruf in der kroatischen Hauptstadt Zagreb gefolgt. Die
       Teilnehmer des Protests zogen zunächst friedlich durch das Zentrum. Ziel
       war, wie bei den vorangegangenen Demonstrationen, der von Polizisten
       abgeschirmte Sitz der Regierung. Anschließend zogen sie vor das Gebäude der
       regierenden Partei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ). Die
       Demonstranten verbrannten Fahnen der Europäischen Union, der
       oppositionellen Sozialdemokraten und der Regierungspartei und forderten den
       Rücktritt der Regierung von Ministerpräsidentin Jadranka Kosor.
       
       "Heute hat die Revolution begonnen," sagte der informelle Führer der
       Bewegung, Ivan Pernar. "Die politische Elite und die Ausländer haben uns
       ausgeraubt." Die Bevölkerung verarme infolge einer restriktiven
       Geldpolitik. "Nur die Banken haben Geld." Die Parteien hätten sich nur
       gegenseitig die Schuld zugeschoben, aber nichts verändert. "Wenn sie 15.000
       Protestierende sehen, werden sie unruhig. Wenn aber Abertausende auf die
       Straße gehen, muss die Regierung zurücktreten", erklärten andere
       Demonstranten. Auch in Rijeka und der slawonischen Stadt Djakova kam es am
       Mittwoch zu Protesten.
       
       Am Montag waren tausend Demonstranten in Split auf die Straße gegangen. Sie
       warfen der Regierung Korruption und Missmanagement während der Finanzkrise
       vor, von der Kroatien hart getroffen wurde. "Die Bürger haben euch
       angeheuert, jetzt seid ihr gefeuert" stand auf den Plakaten der
       Protestteilnehmer. Sie trugen auch Banner mit der Aufschrift "Wir wollen
       Wahlen" und "Jadranka, hau ab".
       
       Wie in den arabischen Ländern wurde der Protest der Jugendlichen durch das
       Internet-Netzwerk Facebook organisiert. "Es gibt schon Ähnlichkeiten, aber
       der Funke wird kaum auf die Bevölkerung überspringen", meinen
       übereinstimmend Informanten aus Zagreb. Das sehen die Protestierenden
       anders. Sie wollen auf die sozialen Probleme und die fehlenden
       Berufsperspektiven Jugendlicher aufmerksam machen. Sie wenden sich gegen
       die Integration des Landes in die EU, weil sie bei einem Beitritt weitere
       soziale Opfer für die Bevölkerung befürchten.
       
       Am vergangenen Samstag war es zu militanten Auseinandersetzungen mit der
       Polizei gekommen, als sich Jugendliche und Fußballfans in eine gleichzeitig
       stattfindende Demonstration der Kriegsveteranen mischten und einen Konflikt
       mit der Polizei provozierten.
       
       Die Kriegsveteranen demonstrierten gegen ihren sozialen Abstieg. Viele sind
       verbittert, weil heute "in Kroatien Leute das Sagen haben, die während des
       Krieges im Ausland waren oder sich drückten, während wir das Land
       verteidigten", erklärten sie nach einer Kundgebung in Split.
       
       Viele Veteranen haben nach dem Krieg beruflich nicht mehr Fuß gefasst. Die
       von rechtsradikalen Splittergruppen durchsetzten Veteranen werfen der
       Regierung zudem vor, sie nicht ausreichend vor Strafverfolgung wegen
       mutmaßlicher Kriegsverbrechen zu schützen.
       
       Seit Monaten halten bosnisch-serbische Behörden den kroatischen
       Kriegsveteranen Tihomir Purda fest und wollen ihn nach Serbien ausliefern,
       wo er wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen angeklagt werden soll. Beide
       Bewegungen, die Facebook-Demonstranten und die Veteranen, haben jedoch nur
       wenig miteinander zu tun. Sie spiegeln unterschiedliche Protestmilieus
       wider. Die Parolen der Facebook-Demonstrationen deuten auf eine linke
       Ausrichtung.
       
       3 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Erich Rathfelder
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA