# taz.de -- Nach Bayerns Niederlage im DFB-Pokal: In 4,8 Sekunden durch die Seele
       
       > Nach dem DFB-Pokal-Aus macht sich beim FC Bayern München eine
       > flächendeckende Ratlosigkeit breit - ausgerechnet jetzt, vor dem
       > plötzlich "wichtigsten Spiel der Saison".
       
 (IMG) Bild: Adrenalingesättigt, nicht ansprechbar: Bayern-Stürmer Arjen Robben.
       
       MÜNCHEN taz | Natürlich gilt selbst beim Ausnahmeklub FC Bayern München die
       alte Ruhrpott-Weisheit von Adi Preißler: "Wichtig is aufm Platz." Doch wer
       wissen will, wie es um den Rekordmeister wirklich bestellt ist, der muss
       nicht auf den Platz, sondern in die Mixed Zone. Dort, sozusagen backstage,
       wo sich Sportler und Journalisten zwischen Kabine und Mannschaftsbus
       begegnen, gewährt der Klub Einblicke ins Seelenleben. So auch nach dem 0:1
       im DFB-Pokal-Halbfinale gegen Schalke 04, dem zweiten titelraubenden
       Nackenschlag nach dem 1:3 gegen Borussia Dortmund wenige Tage zuvor.
       
       Als Erster kommt Arjen Robben. Das heißt, er kommt nicht, er stürmt.
       Durchmisst im Geschwindschritt den Raum in handgestoppten 4,8 Sekunden,
       ohne dass ein Reporter auf die Idee käme, den immer noch
       adrenalingesättigten Stürmer anzusprechen: Viel zu gefährlich! Nach dem
       Schlusspfiff war der an diesem Abend vor allem mit Diskutieren und
       Gestikulieren beschäftigte Dribbelkünstler derart geladen übers Feld
       gestiefelt, dass einem das Mobiliar in der Umkleidekabine schon vorab
       leidtat.
       
       Nach Robben erscheinen TV-Experte Oliver Kahn und FCB-Präsident Uli Hoeneß.
       Beide mit zentnerschwerem Schritt, als müssten sie nicht nur sämtliches
       Leid der Welt, sondern auch noch das des FC Bayern tragen. Kahn hatte im
       Fernsehen schon gesprochen, nicht so harsch wie nach dem Dortmund-Debakel
       ("Hühnerhaufen"), eher ernsthaft besorgt. Hoeneß spricht gar nicht. Er wird
       von den Journalisten auch gar nicht mehr angesprochen, ob er sprechen will.
       Würde er sprechen wollen, dann kommt er schon, so das ungeschriebene
       Gesetz, seit sich Hoeneß auf den Präsidentensessel des Vereins
       zurückgezogen hat. Und Hoeneß kommt nicht. Er schweigt. Obwohl: Wenn man
       ihn heute angesprochen hätte …
       
       Dafür spricht Karl-Heinz Rummenigge, der andere Bayern-Boss. Erst einmal
       muss er sich aber bei Schalke-Keeper Manuel Neuer für das beschämende
       Verhalten der Südkurven-Fans ("Neuer, du A…") entschuldigen und sagt dann,
       dass er nichts sagen wird - zum Trainer. "Wir tun jetzt gut daran, Ruhe zu
       bewahren", sagt Rummenigge. Eine Diskussion über Louis van Gaal führe er
       nicht, "und ich habe auch nicht den Eindruck, dass sie sonst jemand beim FC
       Bayern führt". Noch nicht. Denn: "Wenn der FC Bayern nicht Meister oder
       Pokalsieger wird, ist das keine gute Saison für uns." Sagt der
       Mannschaftskapitän Philipp Lahm. Und weiter: "Wir haben einen Titel zuhause
       verschenkt, uns keine Torchancen erarbeitet, hatten keine Lösung, keine
       Kreativität. Da muss sich einiges verbessern. Die Enttäuschung ist groß.
       Die Saison ist nur noch schwer zu retten."
       
       Schweres Geschütz vom Kapitän, aus dessen Worten eine gewisse Ratlosigkeit
       sprach. Eine Ratlosigkeit, die offenbar auch den Trainer erfasst hat. Wenn
       Arjen Robben und Franck Ribery vom Gegner konsequent gedoppelt werden, wenn
       Bastian Schweinsteiger wie zurzeit im Formtief steckt und Luiz Gustavo noch
       mit seiner Eingewöhnung beschäftigt scheint, dann hängen die Spitzen Thomas
       Müller und Mario Gomez in der Luft, dann ist es vorbei mit der
       Bayern-Herrlichkeit - von der chronisch wackligen Defensive ganz zu
       schweigen.
       
       Erklären kann van Gaal die Misere nicht. Er sagt: "Die Spieler können es
       noch nicht verstehen. Ich kann es ein bisschen besser verstehen. Aber das
       ist auch Fußball, dass eine Mannschaft nur verteidigt und dann kontert und
       das Tor macht." Ähnlich exklusiv hatte er auch die Ansicht, sein Team habe
       in der zweiten Hälfte "großartig" gespielt. Immerhin, zum Gegentor fällt
       ihm ein: "Wir haben eine kleine Mannschaft. Schweinsteiger ist fünf
       Zentimeter kleiner als sein Gegenspieler." Schweinsteiger hatte beim 0:1 -
       wie schon gegen Dortmund - ein Kopfballduell verloren, diesmal gegen
       Benedikt Höwedes. Den Treffer markierte jedoch Raul, und der misst gerade
       mal 1,78 Meter.
       
       Van Gaal weiß, dass ihm unruhige Zeiten bevorstehen, dass Hoeneß nervös
       wird, wenn das Minimalziel Champions-League-Qualifikation in Gefahr ist.
       Der Trainer sagt: "Ich mache meine Arbeit weiter, und ich denke, dass ich
       sie gut mache. Der Vorstand muss entscheiden, ob er das auch so sieht." Der
       Vorstand sieht zunächst einmal das nächste Spiel, beim Tabellennachbarn
       Hannover 96. Kapitän Lahm meint: "Das ist vielleicht das wichtigste Spiel
       der Saison." Sollte auch dieses punktlos enden, wird der Vorstand sicher
       überlegen, wie er die Arbeit des Trainers so sieht.
       
       3 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Becker
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA