# taz.de -- Neuer Agro-Kraftstoff E10: Super-Schuldiger gesucht
       
       > Der neue Agro-Kraftstoff E10 floppt beim Verbraucher, die Hersteller
       > ziehen die Reißleine. Nun tobt die politische Debatte: Wer hat wann was
       > falsch gemacht?
       
 (IMG) Bild: "Das hat uns die Kanzlerin eingebrockt", sagte die Grüne Bärbel Höhn.
       
       E10-Chaos an der Zapfsäule? Eigentlich ist das Auftanken nicht schwierig. E
       steht für Ethanol. Die Zahl 10 besagt, dass der Anteil von Ethanol im
       Kraftstoff bei bis zu 10 Prozent liegt. Der neue Kraftstoff ist pro Liter 8
       Cent billiger als Super Plus. Und im Internet ist nachzulesen, ob das
       eigene Auto zu den 7 Prozent der Wagen gehört, die E10 nicht vertragen,
       weil es Leitungen und Ventile angreift. Ein Anruf beim Autohändler oder in
       der Werkstatt täte es auch.
       
       Trotzdem: Die Käufer boykottieren das Benzin mit der Beimischung vom Acker.
       Die E10-Lagertanks sind voll, Super Plus wird knapp - und die sogenannte
       Biosprit-Strategie der Regierung zum Debakel. Am Freitag, einen Tag nachdem
       die Mineralölindustrie die Einführung des Kraftstoffs stoppte, suchte
       Deutschland den Super-Schuldigen.
       
       "Das hat uns die Kanzlerin eingebrockt", sagte Bärbel Höhn, Vizechefin der
       Grünen-Bundestagsfraktion. Angela Merkel war Chefin einer schwarz-roten
       Bundesregierung, als die EU 2007 beschloss, dass die Mineralölwirtschaft
       dem Sprit Bioethanol beimengen muss - und andernfalls Strafzahlungen
       drohen. Sie gab sich da als Klimakanzlerin. Die Umstellung sollte den
       Verbrauch von Erdöl und damit den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid
       senken.
       
       Aber die Regierung will nicht schuld sein. CDU-Umweltminister Norbert
       Röttgen macht die Branche verantwortlich: "Das Chaos, das die
       Mineralölwirtschaft hier veranstaltet, ist nicht akzeptabel." Werbefachmann
       Andreas Fischer-Appelt, Gründer der gleichnamigen Agentur, sieht ein
       kollektives Versagen bei "Ministerium, Mineralölwirtschaft und
       Autoindustrie".
       
       Wer ein neues Produkt in den Markt drücken will, so der Agenturchef, müsse
       die Verbraucher "vom Sinn der Maßnahme überzeugen - mit einfachen
       Informationen übers Fernsehen, Details im Internet". Zehn Millionen Euro
       veranschlagt er für eine dreimonatige Kampagne. Doch weder der
       Umweltminister noch die Aral-Manager oder Autobauer legten sich für E10 ins
       Zeug.
       
       Die Botschaft habe gefehlt, sagt Fischer-Appelt. Im Gegenteil: "Es gab
       Widersprüche." Widerspruch eins: die Verträglichkeit. Die Auto-Bild etwa
       mahnte zur "Vorsicht an der Bio-Zapfsäule". Ähnliches war auch andernorts
       zu lesen. Tatsächlich aber verträgt zwar nicht jeder Wagen das neue
       Gemisch, doch die Mehrheit schon, genauer: 93 Prozent der in Deutschland
       angemeldeten Autos, von den deutschen Fabrikaten sogar 99 Prozent.
       
       Gerd Lottsiepen vom alternativen Verkehrsclub Deutschland sagt: "Bei einem
       Direkteinspritzer von Volkswagen, einem FSI-Motor, müssen Verbraucher zum
       Beispiel vorsichtig sein, aber alle anderen VW können sie sorglos mit E10
       tanken." So klar ist das selten kommuniziert worden, auch an Tankstellen
       nicht. In anderen Ländern wie Frankreich hat die E10-Einführung
       reibungsloser geklappt. Dort wurde pauschal verkündet, dass alle Modelle ab
       dem Baujahr 2000 E10-verträglich sind. Bei älteren Wagen muss man
       allerdings vorsichtiger sein.
       
       Widerspruch zwei: das Preis-Leistungs-Verhältnis. Wer mit E10 fährt, muss
       öfter tanken - war vielfach zu lesen. Dabei wiege der höhere Brennwert von
       Super Plus den Preisvorteil von E10 nicht auf, sagt Lottsiepen. Doch habe
       die Meldung viele verunsichert: "Der Deutsche geht kein Risiko ein, wenn es
       um sein Auto und um seinen Motor geht."
       
       ## War es die Ökolüge?
       
       Widerspruch drei: das Ökoargument. E10 wird zwar als Biosprit verkauft, tut
       der Umwelt aber nicht gut, warnten die Ökoverbände. Die Beimischung ist
       nichts Neues. Schon im herkömmlichen Ottokraftstoff liegt der
       Agrospritanteil bei bis zu 5 Prozent. Das Problem: Man braucht immer mehr
       Energiepflanzen. Ethanol wird aus Getreide, Zuckerrüben, Zuckerrohr
       hergestellt. Werden beim Anbau Dünger und Gift verwandt, belastet das die
       Böden. Wird Regenwald gerodet, um Ackerfläche zu schaffen, kann mehr
       Kohlendioxid entstehen, als eingespart wird. Weniger Anbaufläche verteuert
       Lebensmittel.
       
       Lottsiepen sagt: "E10 macht erst Sinn, wenn es sozial und ökologisch
       korrekt produziert wird." Derzeit wird an einem internationalen
       Zertifizierungssystem gearbeitet. Wie strikt Kritierien und Kontrollen
       ausfallen, ist jedoch noch offen.
       
       Die Regierung aber will an E10 festhalten. FDP-Wirtschaftsminister Rainer
       Brüderle wird die Mineralölfirmen am Dienstag zum Benzingipfel laden.
       
       4 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanna Gersmann
       
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