# taz.de -- Prozessauftakt Menschenhandel: Straßenstrich statt Kellnerjob
       
       > Familienclan muss sich wegen Zwangsprostitution von jungen Slowakinnen
       > verantworten. Gericht bietet Deal bei umfassendem Geständnis an.
       
 (IMG) Bild: Da klickten die Handschellen: Einer der Angeklagten bei seiner Verhaftung in St. Georg.
       
       HAMBURG taz | Dass der Prozessauftakt von der Großen Strafkammer 12 des
       Landgerichts Hamburg ausgerechnet auf den Internationalen Frauentag gelegt
       worden ist, war wohl Zufall. Dass Zwangsprostitution ein globales Problem
       ist, zeigt sich aber einmal mehr: Wegen schweren Menschenhandels,
       Zuhälterei und Vergewaltigung steht die slowakische Großfamilie Julia,
       Meran, Stefan, Jozef und Martina B. seit Dienstag vor Gericht.
       
       20 Straftaten im Zeitraum zwischen Dezember 2002 und dem 21. September 2010
       hat die Staatsanwaltschaft aufgelistet, in die die Familie in
       unterschiedlicher Zusammensetzung verstrickt gewesen sein soll. 20
       vornehmlich junge slowakische Frauen aus dem ländlichen Umkreis der Stadt
       Nove Zamky soll der Familienclan "bandenmäßig" angesprochen und nach
       Hamburg gelockt oder transportiert haben - Frauen unter 21 Jahren oder
       junge und alleinerziehende Mütter, die in ihrer Heimat kaum eine Chance
       hatten, einen Job zu finden.
       
       Einigen von ihnen ist in Hamburg ein Job als Kellnerin versprochen worden,
       stattdessen wurden sie jedoch von der Familie zur Prostitution auf dem
       Straßenstrich in St. Georg gezwungen. "Dabei wurde Ort und Ausmaß der
       sexuellen Ausbeutung überwacht und bestimmt", so die Anklage.
       
       Unter Androhung von Gewalt, so die Anklage, mussten die Frauen von acht bis
       24 Uhr ihre sexuelle Dienstleistungen anbieten und die Einnahmen von bis zu
       400 Euro entweder bei Julia B. - einer 64-jährigen Frau, die im Gerichtsaal
       mit bäuerlichen Gewand und Kopftuch erschien - oder bei ihren Söhnen direkt
       abliefern.
       
       Diese zwangen die Frauen auch mit Gewalt zu sexuellen Handlungen. "Ihre
       Zwangslage wurde ausgenutzt, da die Frauen sich wegen Sprachproblemen nicht
       an die zuständigen Behörden wenden konnten", so der Staatsanwalt.
       
       Es sei sogar gedroht worden, ihnen die Kinder wegzunehmen, wenn sie sich
       der Prostitution widersetzten. In die Prostitution eingewiesen wurden die
       Frauen von der Schwiegertochter der Familie, der heute 24-jährigen Martina
       B., die selbst für den Clan auf dem Straßenstrich in St. Georg arbeiten
       musste. Als sie vor wenigen Jahren aussteigen wollte, sei sie mit Gewalt
       weiter zur Prostitution gezwungen worden.
       
       Der Vorsitzende Richter Hartmut Loth kündigte gleich zu Verfahrensbeginn
       einen Deal an. Für den Fall, dass die Angeklagten - die natürlich zu den
       Vorwürfen schweigen dürfen - ein umfassendes Geständnis ablegten, kämen bis
       auf Meran und Stefan B. alle mit Bewährungsstrafen von zwei Jahren davon.
       Martina B., die sich aussagewillig im Zeugenschutzprogramm befindet,
       stellte er eine Strafe von einem Jahr und drei Monaten in Aussicht.
       
       Einige der Verteidiger sehen den Handel skeptisch. "Die Staatsanwaltschaft
       hat zwar aufwendig ermittelt, richtige Beweise kann sie allerdings nicht
       präsentieren", sagt einer von ihnen. Er sei zuversichtlich, dass seinem
       Mandanten keine Straftat nachzuweisen ist. Die Familie sei überhaupt nicht
       im Rotlicht-Milieu tätig gewesen. Er werde daher empfehlen, den Deal
       abzulehnen, obwohl sein Mandant von der Untersuchungshaft gezeichnet sei.
       
       8 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
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