# taz.de -- Harald Krassnitzer über Politik: "Distanz zu Österreich tut mir gut"
       
       > Aus dem Fernsehen kennt man Harald Krassnitzer als "Winzerkönig".
       > Liebliche Prominenz nennt er das. Lieber redet er über Politik – von
       > arabischen Revolutionen bis zu Sozialbanken.
       
 (IMG) Bild: "Mich interessiert das Leben mehr als die Arbeit": Schauspieler Harald Krassnitzer.
       
       taz: Herr Krassnitzer, Ihr Kollege Rainer Hunold erzählt gern die Anekdote,
       dass ihn eine Taxifahrerin ausgeschimpft hat, nachdem er ausnahmsweise mal
       einen Bösewicht gespielt hat. Kennen Sie solche Situationen? 
       
       Harald Krassnitzer: Nein, Gott sei Dank nicht!
       
       Aber Sie sind doch auch einer dieser … 
       
       Gutmenschen?
       
       … ich wollte eigentlich sagen: Sympathieträger, die im deutschen Fernsehen
       Serien zusammenhalten. Sie waren "Der Bergdoktor" und sind "Der
       Winzerkönig". Spüren Sie eine Erwartungshaltung der Zuschauer, wie Sie zu
       sein haben und wie eben nicht? 
       
       Ich habe in dieser Richtung nur einmal eine Erfahrung gemacht, die mich
       erschüttert hat. Das war im Jahr 2000, als die FPÖ in Österreich als
       Koalitionspartner der ÖVP an die Macht kam. Diesen Wahlerfolg habe ich bei
       einer großen Demonstration auf dem Wiener Heldenplatz sehr deutlich
       kommentiert. Und bin dafür im Zubringerbus am Wiener Flughafen von einer
       Frau laut ausgeschimpft worden. Meine Rede kannte sie, wie sie zugab, nur
       vom Hörensagen, das war ihr aber völlig egal. Sie wisse nur, hat sie
       gesagt, dass sie mich früher gern gesehen hätte, aber jetzt würde sie immer
       gleich wieder wegschalten. Offenbar hat sie es nicht verkraftet, dass
       jemand, der so eine liebliche Prominenz hat wie ich, sich auch mal
       politisch zu Wort meldet. Und das Schlimmste daran war, dass ich das Gefühl
       hatte, dass der ganze Bus ihr heimlich innerlich applaudiert hat. So nach
       dem Motto: Endlich sagt's ihm mal einer.
       
       War das eine österreichische Szene? 
       
       Ja, das wäre in Deutschland nicht denkbar, weil dieses Land viel
       pluralistischer ist im politischen Diskurs, mehr Meinungsfreiheit erlaubt -
       bei aller Härte im Austausch. Die taz kriegt ja auch immer wieder mal eins
       auf die Nase, hält aber trotzdem Kurs.
       
       Leben Sie auch deswegen in Deutschland? 
       
       Es ist nicht so, dass ich die Auseinandersetzung scheue, aber die Distanz
       tut mir gut. Ich muss mich nicht permanent aufregen, sondern nur gezielt,
       etwa darüber, dass in so einem kleinen Land wie Österreich gemeinsame
       ökonomische Interessen oftmals den konträren politischen Ansichten
       übergeordnet sind. Und vor, nach und zwischen dem Geschäftemachen haut man
       sich gegenseitig fleißig auf die Finger.
       
       In Deutschland sind Sie bekannt, in Österreich eine Berühmtheit. 
       
       Ich tue mich schwer damit, das zu kommentieren, weil ich für mich
       beschlossen habe, die Außenwahrnehmung von mir fernzuhalten. Ich kenne
       Kollegen, die glauben, dass sich in dem, was über sie geschrieben wird,
       eine Form der Realität widerspiegelt. Ich glaube das nicht und will mit
       diesem Simulationszustand so wenig zu tun haben wie irgend möglich. Und
       insofern weiß ich nicht, ob ich irgendwo beliebter bin als anderswo. Das
       bringt eine Verunsicherung mit sich, die verhindert, dass ich mich auf
       irgendwelchen Lorbeeren ausruhe. Diesen Motor schätze und brauche ich.
       Außerdem: Was könnte ich mir von der Feststellung, dass ich in Österreich
       beliebt bin, kaufen? Es wäre ja nicht wahr. Es würde meine Person nicht im
       Geringsten aufwerten, abwerten oder verändern. Ich müsste ja trotzdem mit
       mir klarkommen in meinem Leben.
       
       "Im Fernsehen zu sein, ist a priori noch keine Leistung", haben Sie mal
       gesagt. 
       
       Ist es auch nicht.
       
       Das ist eine Erkenntnis, die ich einigen Ihrer Kollegen wünschen würde. 
       
       Was wir hier gerade machen, ist doch auf seine Art auch schrecklich eitel.
       Sie befragen mich zu meiner Sicht auf die Welt und ich antworte viel
       ausführlicher als Sie gefragt haben - eine Prägung, die unser Miteinander
       nicht verlieren wird, bis wir unter Umständen irgendwann mal ein Bier
       zusammen trinken und darüber einen anderen Aggregatzustand erreichen. Sie
       wollen dieses Interview - und ich will gute Presse für diesen Film, den ich
       mag, weil er mein Rollenspektrum ein bisserl aufbricht.
       
       Gut. Damit wir dann auch mal auf Ihren neuen ARD-Film "Am Kreuzweg" zu
       sprechen kommen, in dem Sie einen katholischen Priester mit Familie spielen
       … 
       
       Sie wollen doch gar nicht auf den Film zu sprechen kommen, oder?
       
       … Ähm, also ich fand ihn nicht schlecht, aber wenn Sie mich schon fragen,
       interessiert es mich tatsächlich noch mehr, wie es ist, Harald Krassnitzer
       zu sein. 
       
       Warum interessiert Sie das?
       
       Das beantworte ich Ihnen gern. Wir müssen dann aber schnell wieder die
       Kurve kriegen, weil die Rollen aufzubrechen drohen. Ich stelle hier nämlich
       eigentlich die Fragen. Also: Ich frage, weil es mich als Medienjournalist
       interessiert, wie Menschen im Medienbetrieb die Branche sehen und ihre
       eigene Rolle darin. Mich interessiert nicht, warum Ihre Beziehung jetzt
       schon so lange hält und wie es sich im Bergischen Land so lebt. Auch der
       Film interessiert mich nicht en detail. Aber ich bin natürlich trotzdem in
       der Lage, dazu interessierte Fragen zu stellen. 
       
       Aber wozu? Es wäre doch dumm, wenn wir unsere Lebenszeit damit verschwenden
       würden, über einen Film zu sprechen, der Sie nur marginal interessiert. Das
       interessiert mich dann auch nicht. Mich interessiert sowieso das Leben viel
       mehr als die Arbeit. Sprechen wir doch darüber.
       
       Sehr gern. Was interessiert Sie denn im Moment politisch? 
       
       Na, die Umwälzungen in der arabischen Welt - was denn sonst?! Da stehen
       junge Menschen gegen alte Despoten auf, geeint von der Sehnsucht nach einem
       anderen Leben. Die meisten sind ja weder politisch noch religiös verbohrt,
       was wir in unserer Al-Qaida-Fixierung gern mal ignorieren, sondern haben
       festgestellt, dass das System ihre säkularisierte, offene Lebenseinstellung
       nicht mehr widerspiegelt. Und haben dann Facebook und Twitter dafür
       genutzt, um Demonstrationen zu organisieren, mit der klaren Botschaft:
       Schluss mit lustig, ihr alten Eliten. Da keimt plötzlich ein
       Demokratiegedanke auf, den ich hier in Europa schon lange nicht mehr
       gespürt habe. Diese Erstarrung beunruhigt mich.
       
       Glauben Sie, dass die arabischen Revolutionen Auswirkungen auf Europa haben
       werden? 
       
       Ich hoffe zumindest, dass auch außer Flüchtlingen etwas davon bleibt. Ich
       würde mir wünschen, dass wir als Bürger - im besten Sinne der französischen
       Revolution - wieder mehr Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen.
       Politische Parteien werden ja zunehmend obsolet, weil sie aufgrund ihrer
       Machtstrukturen und der Verankerung in den systemrelevanten Partikeln
       dieser Gesellschaft, etwa in der Wirtschaft oder im Bankenwesen, so
       verstrickt sind, dass sie nur noch dem System dienen und nicht mehr der
       Gesellschaft. Davor ist keine Partei gefeit - auch die Sozialdemokraten
       nicht. Ein Jammer.
       
       Was macht Ihnen Hoffnung? 
       
       Sind wir jetzt noch bei einem Thema, das Sie interessiert? Oder wird das
       jetzt zu einer allgemeinen Plauderstunde? Das fände ich schade.
       
       Natürlich interessiert es mich, was einem politisch interessierten und
       engagierten Menschen in seiner Lebenswelt Anlass zur Hoffnung gibt. 
       
       Vieles. Nehmen wir den Moderator Dieter Moor, der in Brandenburg auf dem
       Dorf eine "Gemeinschaft der freien Ungleichgesinnten" um sich geschart hat
       und ein nachhaltiges Leben und Handeln propagiert. Oder die Freiburger
       Genossenschaft "Energie in Bürgerhand", die die Macht der Stromkonzerne zu
       begrenzen versucht. Oder die Bank für Leihen und Schenken (GLS), die mit
       dem Geld ihrer Kunden ethisch sinnvolle Projekte unterstützt. All diese
       Initiativen haben Zulauf, es bewegt sich also was, Menschen übernehmen
       wieder Verantwortung für ihre nähere Umgebung. Da ist Deutschland viel
       weiter als Österreich. Wir haben ja noch nicht mal ein Äquivalent zum Bund
       der Steuerzahler.
       
       Inwiefern übernehmen Sie selbst Verantwortung für die Gesellschaft? 
       
       Das ist eine hochnotpeinliche Frage, weil ich gemessen an meinen ethischen
       Standards noch zu wenig tue. Ich versuche etwa meine schauspielerischen
       Fähigkeiten bestimmten Institutionen für Benefizlesungen zur Verfügung zu
       stellen oder Gagen aus Werbeverträgen zu spenden. Und ich meide
       Charity-Galas, weil ich nicht dabei sein will, wenn für Lachsbrötchen und
       Champagner mehr Geld fließt als für den guten Zweck des Abends.
       
       Sie sind also tatsächlich ein Gutmensch. 
       
       Danke vielmals.
       
       9 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) David Denk
       
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