# taz.de -- ARD-Portrait der Jugendrichterin Heisig: Endloses Betroffenheitsgerede
       
       > Porträt "Tod einer Richterin" (22.45 Uhr, ARD) versucht eine Annäherung
       > an die umstrittene Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig - und bleibt
       > nichtssagend.
       
 (IMG) Bild: Vor acht Monaten erhängte sich Richterin Heisig. Nun beleuchtet die ARD ihren Kampf gegen Gewalt und die Hintergründe ihres Selbstmords.
       
       "Sie war ein Mensch ohne Ausschalter. Ich habe sie nie depressiv erlebt",
       sagt Heinz Buschkowsky (SPD), Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln.
       "Sie wurde immer dünner, als würde sie sich von innen aufzehren",
       beschreibt die Schriftstellerin Monika Maron. "Sie war nicht nur eine
       Schreibtischtäterin", urteilt Kazim Erdogan, Psychologe und Leiter der
       türkischen Männergruppe Neukölln.
       
       Sie alle erinnern sich an die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig. Mit
       einem Kollegen hatte sie das "Neuköllner Modell" entwickelt: Bei bestimmten
       Delikten sollte nicht erst Monate oder Jahre später verhandelt werden,
       sondern binnen zwei Wochen - "früh, konsequent und deliktbezogen", damit
       ein Lerneffekt eintritt. Für die einen war sie "Richterin Gnadenlos", für
       die anderen "Richterin Courage".
       
       Vor acht Monaten erhängte sich Heisig dann in einem Wald. Nun beleuchtet
       die ARD ihren Kampf gegen Gewalt und die Hintergründe ihres Selbstmords.
       "Tod einer Richterin - Auf den Spuren von Kirsten Heisig" von Güner Balci
       und Nicola Graef versucht eine Annäherung - und scheitert. Der Zuschauer
       erfährt nichts Neues über die Verstorbene, stattdessen werden altbekannte
       Fakten aufgerollt und von Personen erzählt, deren Beziehung zu Kirsten
       Heisig nicht genau erklärt werden.
       
       Der Tod der 48-Jährigen kam plötzlich, so schien es zumindest, mitten
       hinein in den WM- Rausch des letzten Sommers. Mesut Özil hatte Deutschland
       gerade ins Achtelfinale geschossen - da schreckte eine Vermisstenmeldung
       die Republik auf: Die umstrittene Jugendrichterin war verschwunden. Gerade
       hatte sie ihr Buch "Das Ende der Geduld" abgeschlossen.
       
       Der ersten Bestürzung folgten die Fragen nach dem Grund für den Selbstmord.
       Wurde die Jugendrichterin Opfer ihres eigenen Erfolgs? War der Druck, der
       auf ihr lastete, zu groß? Oder war die geschiedene Mutter zweier
       minderjähriger Töchter trotz aller Öffentlichkeit letztlich einsam und
       verzweifelt?
       
       "Es muss zwei Kirsten Heisigs gegeben haben", so Buschkowsky. Wer die
       öffentliche Heisig war, ist bekannt. "Kirsten Heisig, die Frau im
       Dauereinsatz, will allen gerecht werden, scheitern oder innehalten kommt
       für sie nicht infrage", stellen Graef und Balci fest. Aber ist das eine
       neue Erkenntnis? Und wer war die "andere" Heisig? Diese Frage bleibt
       unbeantwortet, der private Hintergrund bleibt im Dunkeln.
       
       "Die Anzeichen für ihren Erschöpfungszustand werden übersehen. Niemand
       merkt, wie sie des Lebens müde wird", wird festgestellt. Wirklich?
       Diejenigen, die dazu etwas sagen könnten - ihr Exmann und ihre zwei Töchter
       - kommen nicht zu Wort. Sehr wahrscheinlich ist, dass sie schlicht - und
       verständlicherweise - nicht mit Journalisten reden. Aber warum bleibt dies
       unerwähnt? Die Journalistinnen bemühen sich stattdessen über weite
       Strecken, ihre 45 Minuten voll zu bekommen, mit nicht enden wollendem
       Betroffenheitsgerede. Der magere Erkenntnisgewinn: Kirsten Heisig war
       überfordert und hatte private Schwierigkeiten.
       
       Als einziger Kritiker spricht der 16-jährige Gibran, der von Heisig
       verurteilt wurde: "Sie denkt, sie kann alles machen. Sie denkt, sie ist
       Gott", stammelt er in schlechtem Deutsch. "Wir haben sie gehasst. Sie war
       für uns schlimmer als der Teufel". Er ist im Film der Einzige, der Heisig
       angreift. Dabei hätte es durchaus sachlichere Kritiker gegeben, etwa den
       Kriminologen Christian Pfeiffer. So bleibt "Tod einer Richterin" an der
       Oberfläche, zeigt Mitstreiter und Glaubenskämpfer, Nahestehende und
       Kritiker werden ausgespart.
       
       Persönlich wird es dann am Ende, wenn sich Heisigs Kollege Andreas Müller
       an sie erinnert. Der Jugendrichter stockt immer wieder. "Wir haben über
       Suizid gesprochen", sagt er. Im Nachhinein sei ihm aufgefallen, dass sie
       depressiv war. "Aber im Nachgang ist man immer schlauer."
       
       9 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Cigdem Akyol
       
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