# taz.de -- Kolumne Das Schlagloch: Hass auf die Teutonen
       
       > Die Spanier haben ein neues Feindbild: die Deutschen - und Angela Merkel.
       
       Auf dem Vulkan ist nichts los. Seit 1971 hat er keine Lava mehr
       ausgespuckt, und nun liegt er da harmlos in der Sonne und wartet auf
       Touristen, die aber offenbar andere Ziele auf La Palma entdeckt haben. In
       der Dorfkneipe nebenan tut sich genauso wenig. Freundlich und unbeschäftigt
       ist der Barkeeper zu jedem Gespräch bereit. Außerdem hat er noch das
       kanarische Lokalblatt im Angebot, das Diario de Avisos, das könne er
       wirklich empfehlen. Vor allem die Sonntagsbeilage!
       
       Also gut. Zumal auf diesem beigelegten Hochglanzmagazin eine zarte Winona
       Ryder prangt. Sie habe ihre Kleptomanie jetzt überwunden, ist die
       Neuigkeit. Der Rest des Heftes ist ähnlich aufgemacht. Eine Bildstrecke,
       zum Beispiel, zeigt "exquisite Leichen". Zu sehen ist noch einmal das
       letzte Bild der hochschwangeren Sharon Tate, bevor sie erstochen wurde -
       und natürlich Marilyn Monroe, wie sie unkenntlich, aber blond von einem
       Polizeifotografen aufgenommen wurde.
       
       Außerdem, so ist in einer anderen Fotostrecke zu erfahren, würde sich
       Jordaniens König demnächst von Rania trennen, weil sie so viele Schuhe
       kauft. Damit wolle er sein empörtes Volk beruhigen und eine Revolution
       abwenden. Interessante These.
       
       ## Merkel gegen eine tote Monroe
       
       Und inmitten dieser vielen Frauengeschichten taucht sie dann auf: Angela
       Merkel. Gleich zwei Artikel werden ihr gewidmet. Wer hätte gedacht, dass
       sie eine tote Monroe überbieten kann.
       
       Schon die ersten drei Wörter des ersten Artikels sagen alles. Er beginnt
       mit: "Die Teutonin Merkel …" Da klingt Ohnmacht durch - und Hass. Die
       Deutschen, so wird mit diesem Einstieg suggeriert, walzen die wehrlosen
       Spanier nieder.
       
       Es geht natürlich um die Eurokrise, die jetzt am Freitag auf einem weiteren
       Sondergipfel in Brüssel verhandelt wird. Die Fronten sind klar in diesem
       Text: Da sind die "reichen Teutonen", diese "internationalen Plutokraten",
       die ihr Vermögen und ihre Zinsansprüche rabiat verteidigen. Und da sind die
       schuldlosen Spanier, die kleinen Rentner und Angestellten, deren Gehälter
       und Pensionen gekürzt werden, weil Merkels Teutonen weiter an ihren
       riskanten spanischen Krediten verdienen wollen. Dabei, so rechnet der
       Artikel vor, seien die spanischen Löhne überhaupt nur halb so hoch wie die
       "teutonischen Löhne", obwohl die Preise "dank des Euros" die gleichen seien
       wie in Deutschland. "Wie ekelhaft", endet der Text.
       
       Geschrieben wurde er von Juan Manuel de Prada, der in Spanien ein sehr
       geschätzter Autor ist und schon mit 27 Jahren die höchste literarische
       Auszeichnung des Landes gewann. Bisher war nicht bekannt, dass er sich bei
       Wirtschaftsthemen vertieft auskennen würde. Aber das verlangt er offenbar
       auch gar nicht von sich selbst. Er scheint sich als die Stimme des
       spanischen Volkes zu begreifen, dem es reicht zu wissen, dass es Opfer der
       Deutschen ist.
       
       ## Zwischen Jeans und Joghurt
       
       Diese Opfer haben auch ein Gesicht, wie bei einer anderen Fotostrecke zu
       entdecken ist. Abgebildet sind Autoverkäufer, Musiker, Lehrer, Anwälte,
       Feuerwehrmänner oder Krankenschwestern, die genau vorrechnen, wie viel sie
       im Monat verloren haben. Der Vorspann beginnt einmal mehr mit der Anklage:
       "Angela Merkel verlangt, dass die Löhne sinken."
       
       Danach geht es dann weiter mit Jeansmode und Kochrezepten. Es ist gerade
       diese bizarre Blattmischung, in der die "Teutonin Merkel" zwischen Glamour
       und Joghurt platziert wird, die signalisiert: Es gehört inzwischen zum
       selbstverständlichen Alltagswissen in Spanien, dass man sich von den
       Deutschen ausgebeutet fühlt.
       
       Dabei wirken die Teutonen vor Ort ganz harmlos. Inzwischen haben sich
       nämlich doch einige Touristen auf dem Vulkan eingefunden. Zum Beispiel
       Jens, der mit Muscle-Shirt und grauen Rasta-Locken kundtut, dass man sich
       auch jenseits der Midlife-Crisis noch als Aussteiger fühlen kann. Seit
       zwölf Jahren ist er nicht mehr auf La Palma gewesen und blickt etwas
       fassungslos auf die schwarze Lava, die die südlichsten fünf Kilometer der
       Insel bedeckt. "Da war früher nichts", sagt er erstaunt.
       
       Jetzt sind dort viele Apartmentblöcke. Und alle scheinen sie leer zu
       stehen. Meist sind es hässliche Kästen, aber nicht immer wurde gespart.
       Fern an der Küste, das ist vom Vulkan aus deutlich zu sehen, breitet sich
       inmitten der schwarzen Lava ein kleines Paradies aus. Hohe Palmen schwingen
       hier über dem Türkis der Pools, die sich zu einer eigenen Badelandschaft
       formen.
       
       Da würde sie wohnen, schaltet sich eine Blondine ein, deren tiefer
       Ausschnitt beweist, dass die Monroe nicht umsonst die Hochglanzmagazine
       füllt. Zahlen musste die Teutonin nichts für ihren Luxusurlaub. Sie hatte
       ihn auf einer Reisemesse gewonnen, weil sich das Hotel anders nicht füllen
       ließ. Noch bevor sich Neid entwickeln konnte, setzt sie hinzu: Privat würde
       sie sich dort niemals einbuchen. "Das Hotel ist einfach zu groß für die
       Insel." Die Teutonen haben auch ihre Wut. Sie nervt, dass die Spanier mit
       den vielen Krediten nichts Besseres anzufangen wussten, als die Landschaft
       zu verschandeln.
       
       ## Großmacht Deutschland
       
       Es wird zu einem Topos, der genauso auch in Irland oder in Griechenland zu
       finden ist: Die "Teutonen" werden als finanzstarke Großmacht gefürchtet,
       während sich umgekehrt die Deutschen nur von Verschwendern umgeben sehen.
       Wenn diese gegenseitigen Ressentiments selbst einen kleinen Vulkan im
       Atlantik erreichen, dann ist Europa wirklich in Gefahr.
       
       In der Dorfkneipe sortiert der Barkeeper derweil das einzige
       Wirtschaftsgut, das dem Ort bleibt, wenn man von den leeren Apartments
       absieht. Mandelkekse, aus den Mandeln der Umgebung. Mit Zimt, Zucker, Eiern
       und Zitrone. Sonst nichts.
       
       Plötzlich teilt der Wirt den Haufen. Nun sind es zwei Haufen, ungefähr
       gleich groß. "So muss man es auch mit den Krediten machen", sagt er. "Ihr
       Deutschen tragt die Hälfte."
       
       Dafür gibt es auch ein technisches Wort: Umschuldung. Genau darüber wird in
       Brüssel an diesem Freitag verhandelt. Vorerst nur für Griechenland.
       
       10 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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