# taz.de -- Lokführerstreik bei Berliner S-Bahn: Chaos bleibt überschaubar
       
       > Der Streik der Lokführer legt die S-Bahn für mehrere Stunden lahm, dafür
       > platzt die U-Bahn stellenweise aus allen Nähten. Fahrgäste schwanken
       > zwischen Verständnis und Verärgerung.
       
 (IMG) Bild: Die U-Bahnen am Alexanderplatz konnten dem Ansturm kaum Herr werden
       
       Viel los ist nicht am S-Bahnhof Treptower Park: Grade mal fünf Leute stehen
       morgens um halb sieben an den Gleisen. Die Anzeigentafel informiert: Die
       Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) streikt zwischen 4 und 10 Uhr. Ein
       junger Mann, sein Skateboard unter den Arm geklemmt, liest dies und fragt
       einen Mitarbeiter der Deutschen Bahn: "Habt ihr einen Ersatzverkehr wie das
       letzte Mal?" Der DB-Mitarbeiter verneint. Der junge Mann nickt und trottet
       gelassen zur Bushaltestelle.
       
       Bereits seit Mittwochabend streiken die Lokführer im Güterverkehr, am
       Donnerstagmorgen wird der Streik auf den Personenverkehr ausgeweitet - und
       auf die Berliner S-Bahn. Nach Angaben der GDL sind am Donnerstag 80 Prozent
       des Bahnverkehrs in der Region lahmgelegt. "Kein GDLer ist gefahren",
       erklärt GDL-Bezirkschef Frank Nachtigall gegenüber der taz. Nur die nicht
       gewerkschaftlich organisierten Lokführer seien ihrer Arbeit nachgegangen.
       
       Auf dem Bahnsteig am Treptower Park reagieren nicht alle Fahrgäste
       gelassen. Eine Pendlerin ist verärgert: "Wenn der Güterverkehr bestreikt
       wird, finde ich das okay, aber dass der Personenverkehr betroffen ist, das
       nervt." Sie arbeite in einer Arztpraxis und wenn sie zu spät zur Arbeit
       komme, müssten wiederum die Patienten warten.
       
       Die BVG versucht zwar die S-Bahn-Ausfälle abzufedern, wie Sprecherin Petra
       Reetz sagt: "Wir haben zusätzliche Fahrzeuge und Personal eingesetzt. Aber
       wir können die S-Bahn natürlich nicht ersetzen."
       
       Am Alexanderplatz stapeln sich daher auch die Fahrgäste auf den Bahnsteigen
       von U 2 und U 5. Kurz vor 9 Uhr müssen sich die Wartenden in die Waggons
       quetschen oder sogar einige Züge passieren lassen, bevor sie einen Platz
       ergattern können. Ein Berlin-Tourist beschwert sich: "Streik hin oder her,
       die Leute sind eingepfercht wie Vieh, wenn hier einer umkippt, das ist
       gefährlich."
       
       Andere können überhaupt nicht auf die U-Bahn oder den Bus ausweichen:
       "Langsam reichts mir", sagt Andreas Bertge. Der 31-Jährige arbeitet in
       Potsdam. Es ist 9 Uhr, eigentlich müsste er genau jetzt an seinem
       Arbeitsplatz sein. Mit der U 5 ist er bis zum Alex gekommen, doch hier geht
       es nicht weiter. Ab und zu fährt zwar eine S-Bahn - aber nicht nach
       Potsdam. "Ich habe kein Auto und bin abhängig von der S-Bahn", sagt Bertge.
       Er fühle sich wie eine Geisel, zuerst die Ausfälle im Winter, dann der
       Streik. Bertge wohnt erst seit Januar in Berlin, doch sein Urteil über den
       Nahverkehr steht schon fest: "In Berlin öffentliche Verkehrsmittel zu
       benutzen ist katastrophal."
       
       Es ist der vierte Ausstand der GDL im laufenden Tarifkonflikt. Weil die
       S-Bahn wegen technischer Probleme seit 20 Monaten ohnehin nur einen
       eingeschränkten Verkehr anbieten kann, hatte die Bahnführung die
       organisierten Lokführer gebeten, die S-Bahn von ihren Warnstreiks
       auszunehmen - was bis auf einen Ausstand im Februar bislang auch der Fall
       war. Nun erklärt GDL-Bezirkssprecher Nachtigall gegenüber der taz: "Wir
       hoffen, dass die Arbeitgeber ein vernünftiges Angebot machen." Ansonsten
       müsse man "weitere Maßnahmen" ergreifen. Ein erneuter Streik ist also nicht
       ausgeschlossen.
       
       Eine 32-jährige Studentin, die ebenfalls am Alexanderplatz wartet,
       bezweifelt, dass die BerlinerInnen Verständnis für weitere S-Bahn-Ausfälle
       haben. "Die Stimmung ist schlecht", sagt sie. Natürlich könne sie
       verstehen, wenn die Lokführer höhere Gehälter fordern, aber andere Leute
       müssten eben auch arbeiten.
       
       So wie Andreas Bertge. "Das wird ein langer Tag heute", befürchtet er. Denn
       die Arbeitszeit, die er auf dem Bahngleis verbringt, müsse er nachholen.
       
       10 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirjam Schmitt
       
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