# taz.de -- Reportage aus japanischem Krankenhaus: Kein Essen, keine Medikamente
       
       > Verdreckte Infusionspackungen, eingestürzte Decken und fehlende
       > Ausrüstung: Besuch im Allgemeinkrankenhaus in der japanischen Kleinstadt
       > Tagajo, über die der Tsunami hinwegrollte.
       
 (IMG) Bild: Einsam in Tagajo: In der Kleinstadt ist alles verwüstet.
       
       TAGAJO/ JAPAN dapd | Düster ist es auf den Stationen des
       Senen-Krankenhauses, und es stinkt furchtbar. Vielleicht 120 Patienten
       liegen in den Betten oder sitzen zusammengesunken in Rollstühlen und
       stöhnen. "Es gibt nichts zu essen!", jammert ein alter Mann im blauen
       Nachthemd vor sich hin.
       
       Das Erdbeben und der Tsunami in Japan haben unsägliches Elend über die
       vielen tausend älteren, gebrechlichen und leidenden Patienten gebracht. Wie
       viele Krankenhäuser von den massiven Erdstößen und der Riesenwelle
       verwüstet wurden, ist noch nicht bekannt. Doch angesichts des Ausmaßes der
       Zerstörung dürften nur wenige im Katastrophengebiet unbeschadet
       davongekommen sein.
       
       Im Allgemeinkrankenhaus Senen in Takajo, einer Kleinstadt in der Präfektur
       Sendai nahe Miyagi, lagen rund 200 Patienten, als das Beben hereinbrach, in
       einem Flügel einen Teil der Decke einstürzen ließ und Geräte und Ausrüstung
       durcheinanderwarf. Alle Lebensmittel und Medikamente lagerten im
       Erdgeschoss und wurden weggespült oder verdorben, als der Tsunami über die
       12.000-Einwohner-Stadt hinwegrollte.
       
       ## Nur noch das Allernötigste
       
       "Wir können nur noch das Allernotwendigste tun", sagt Verwaltungschef
       Ryoichi Hashiguchi. Vier Patienten sind bisher gestorben, alle über 90
       Jahre als und schon vor der Katastrophe schwerstkrank. Weitere 80 waren
       transportfähig und konnten in ein nahes Auffanglager verlegt werden.
       
       Es gibt weder Strom noch fließend Wasser. In den ersten beiden Tagen
       teilten sich Belegschaft und Patienten ein paar tiefgefrorene Nudeln und
       Gemüse, die aus einem umgestürzten Gefrierschrank gerettet werden konnten.
       
       Die Schwestern schneiden verdreckte Infusionspackungen auf und rubbeln
       schlammige Pillenpackungen mit Alkohol sauber. Der Gestank aus den
       Toiletten, die hunderte Menschen tagelang ohne Wasserspülung benutzt haben,
       dreht einem schon von Weitem den Magen um.
       
       ## Besserung nicht in Sicht
       
       Nachdem zwei Tage ohne jegliche Hilfe der Behörden verstrichen waren, gab
       es am Montag wenigstens ein paar Reiskugeln. Ein Verwandter eines
       Mitarbeiters spendierte einen Generator, den zwei Männer jetzt draußen in
       Gang zu bringen versuchen. Der örtliche Gasversorger ließ einige Brenner
       aufstellen, damit Wasser und Mahlzeiten erwärmt werden können.
       
       Von außen wirkt das Krankenhaus verlassen. Auf dem Parkplatz liegen Autos
       haufenweise durcheinander, alles ist von einer dicken Schlammschicht
       bedeckt. "Es tut mir leid, wir haben keine Medikamente", müssen die
       Mitarbeiter immer wieder den Leuten aus dem Ort sagen, häufig ältere
       Menschen, die um Hilfe bitten.
       
       Hashiguchi hat sich mit der Stadtverwaltung in Verbindung gesetzt und
       darauf aufmerksam gemacht, dass sich der Zustand vieler Patienten
       verschlechtert. "Ich glaube nicht, dass das so bald vorüber sein wird",
       sagt er.
       
       ## Supermärkten geht die Ware aus
       
       Wenn es sogar den Krankenhäusern an Hilfe fehlt, ist es kein Wunder, dass
       die normalen Überlebenden von der Hand in den Mund leben müssen.
       Denjenigen, die nicht in die Auffangzentren gegangen seien, habe der Staat
       bisher überhaupt nicht geholfen, berichtet Osamu Hayasaka. Der 61-Jährige
       schnallt zwei Kartons mit Getränken auf sein rotes Fahrrad, die er seiner
       Familie und den Nachbarn bringen will. "Es wohnen viele ältere Leute in der
       Nähe, denen werde ich etwas abgeben."
       
       Den Supermärkten im Ort gehe allmählich die Ware aus, berichtet Hayasaka.
       Am Sonntag stand er zweieinhalb Stunden lang an und durfte nur wenige
       Sachen kaufen, eine Grapefruit etwa und eine Orange. In einem Seniorenheim
       am Stadtrand wurden am Sonntag zwei Reiskugeln zugeteilt, wie ein
       Mitarbeiter berichtet, eine morgens und eine abends.
       
       In einem Gemeindezentrum, in dem sich hunderte Menschen drängen, gibt es
       auch nicht viel mehr zu essen. "Heute hatte ich ein bisschen Kuchen und
       eine Orange", erzählt der 15-jährige Yuto Hariyu, dessen Mittelschule am
       Tag vor seiner Abschlussfeier zertrümmert wurde. "Ich habe Hunger - aber am
       meisten vermisse ich Möbel, so wie ein Bett, und einen Fernseher", sagt
       sein Klassenkamerad Shio Fujimura.
       
       14 Mar 2011
       
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