# taz.de -- Odyssee nach dem Erdbeben in Japan: Vier Tage Tokio
> In dieser Woche sollte ein Projekt der Hochschule für Künste in Japan
> starten. Als die Katastrophe geschah, waren viele der beteiligten
> Studierenden bereits auf dem Weg
(IMG) Bild: Da war die Welt noch in Ordnung: Die HfK-Studierenden Kathrin Heydekamp und Natalie Wild in Tokio, kurz vor dem Erdbeben
Das "shizouka bremen art project 2011" sollte ab heute 15 Studierende der
Hochschule für Künste in einen japanischen Zen-Tempel nahe Osaka führen.
Zwei Wochen wollten die angehenden BildhauerInnen mit den Mönchen leben und
eine Konzeptkunst-Ausstellung erarbeiten. Als sich das Erdbeben ereignete,
waren viele von ihnen bereits unterwegs. Zwei Studentinnen erlebten eine
tagelange Odyssee und konnten das Land nur mit größter Mühe wieder
verlassen.
Eine von ihnen ist Natalie Wild. Mit einer Kommilitonin war die 31-jährige
am Donnerstag in Tokio eingetroffen. Das Beben überraschte sie einen Tag
später - beim Sightseeing. "Es hatte erst etwas von einem Event", sagte
Wild gestern nach ihrer Landung in Frankfurt. "Unser japanischer Begleiter
meinte: ,Schaut mal, ein Beben'." Erst als die Erdstöße immer länger
dauerten, sei ihnen "echt anders geworden." Alle hätten die Wucht des
Bebens total unterschätzt. Der ÖPNV kam zum Erliegen, die Gruppe musste die
Nacht in einer Hotelloby verbringen. "Wir hatten keine Ahnung, wie die Lage
war, sind dann erstmal was trinken gegangen."
Die Berichterstattung in den Medien habe sie geschockt. "Weder von dem
Tsunami noch von dem Reaktorunfall war im Fernsehen die Rede." Ihre
Gastfamilie sei völlig ahnungslos gewesen. Erst durch SMS von Freunden und
einen Blick auf deutsche Nachrichtenseiten habe sie am Samstag das Ausmaß
der Katastrophe erfahren. "Es war total irritierend, weil die Meldungen und
die Ruhe der Leute dort überhaupt nicht zusammen passten", sagt Wild.
Ein ganzes Jahr lang hatte die Bildhauerklasse des japanischen
HfK-Professors Yuji Takeoka das Projekt vorbereitet. Der DAAD hatte
entschieden, ihre Reise zu fördern, das Goethe-Institut nahm ihre geplante
Schau in sein Programm auf. Takeoka wird Ende des Jahres emeritiert, es
sollte das letzte große Projekt mit seinen Schülern werden, sagt Wild. Sie
hatte eine Performance mit einer Badewanne geplant, "um Nacktheit und
Reinigung" sollte es dabei gehen.
Die Zeit in Japan sei von "starken kulturellen Differenzen" geprägt
gewesen. "Die gehen damit völlig anders um. Wir waren völlig alarmiert,
fast panisch. Die sind immer ruhig geblieben."Auf ihren Rückkehrwunsch habe
die Gastfamilie mit Unverständnis reagiert. "Die sagten, der Reaktor ist
doch 200 Kilometer weg, Und dahin, wo ihr hinwollt, sind es nochmal 200
Kilometer, in die andere Richtung." Erst der Hinweis, dass ihre Mütter in
Deutschland außer sich vor Sorge waren, sei akzeptiert worden.
Nur mit Hilfe ihres Gastvaters, selbst Pilot der "All Nippon Airways",
konnten sie noch ein Rückflugticket kaufen - für ein Vielfaches des
üblichen Preises.
Ihrer Kommilitonin Julia Körperich brach, wie eine Reihe weiterer
Studierender, ihre Anreise auf halbem Wege ab. Sie ist wütend auf die
Fluggesellschaft. "Beim Check-In hat man mir kein Wort davon gesagt, dass
der Reaktor bereits explodiert war", klagt sie. Auch beim Umstieg in Paris
habe die Airline sie nicht informiert. "Ich musste erst Bekannte anrufen,
um zu erfahren, dass es längst eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes
gab." Air France habe sich geweigert, ihr Ticket zu tauschen. "Die haben
einfach gesagt: Der Flughafen ist noch offen, und wir fliegen." Sie kehrte
trotzdem um. Einen Kommilitonen erreichten die Warnungen offenbar nicht: Er
bestieg in Dubai sein Flugzeug nach Tokio und ist noch immer dort.
14 Mar 2011
## AUTOREN
(DIR) Christian Jakob
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