# taz.de -- Kommentar Ende des Atomzeitalters: Wer investiert noch in Reaktoren?
       
       > Ein Atomkraftwerk zu bauen bedeutet, 5 bis 10 Milliarden Euro zu
       > investieren. Mit Fukushima erweist sich das als blanker Horror für jeden
       > Investor.
       
       Schon jetzt ist klar, dass sich die Atomindustrie von der Katastrophe in
       Japan lange nicht erholen wird - vielleicht nie. Die rauchenden Reaktoren
       von Fukushima sind auch für den Rest der Welt ein Fanal.
       
       Vor allem in jenen Ländern, die über eine Anti-Atom-Bewegung verfügen -
       allen voran Deutschland -, wird es künftig schwer sein, den Bau neuer
       Reaktoren durchzusetzen. Schon nach dem Desaster von Tschernobyl gehörte es
       zwar zur Taktik der Atomindustrie, abzuwarten und abzuwiegeln: Sowjetische
       Reaktoren seien aus einem anderen System, hieß es da, solch eine Explosion
       könne im Westen nicht passieren. Genutzt haben diese Argumente wenig: Nach
       Tschernobyl wurde in der gesamten westlichen Welt 20 Jahre lang kein neuer
       Reaktor mehr in Auftrag gegeben.
       
       So einen Rückschlag wird die Atomlobby jetzt wieder erleiden - zumal in
       Japan weder sowjetische noch besonders alte Reaktoren stehen, sondern
       solche wie überall sonst in den westlichen Industrieländern auch. Dass an
       solch einem Hightechstandort, wo sechs AKWs an einer schönen Küste
       nebeneinander stehen, eines nach dem anderen durchbrennt - das schien
       bislang zwar theoretisch möglich, wurde im Normalbetrieb aber gern
       verdrängt.
       
       In der Theorie der Reaktorbauer brennt ein Reaktor ja nur einmal in
       zehntausend oder gar nur einer Million Jahren durch. Mit Fukushima werden
       solche Wahrscheinlichkeitsrechnungen ad absurdum geführt - und wir haben
       noch nicht einmal über Urangewinnung und Endlagerung des Atommülls
       gesprochen.
       
       Dann gibt es noch all jene Länder, die sich um solche Argumente seit je
       einen Dreck scheren. Entweder weil sie das Glück hatten, dass sie bislang
       noch keinen großen Unfall erleben mussten (wie etwa Frankreich). Oder weil
       sie wie die USA so groß sind, dass sie ihre in vergangenen Jahrzehnten
       verseuchten Gebiete einfach evakuieren und dann Gras über die verstrahlten
       Böden wachsen lassen können.
       
       In all diesen Ländern spielte die Anti-Atom-Bewegung bei Wahlen bislang
       keine große Rolle, aber dort dürfte künftig ersatzweise die wirtschaftliche
       Vernunft greifen. Kein Banker gibt schließlich einen Kredit für eine
       Rieseninvestition, die von einer Stunde auf die andere ihren Wert verliert
       und Investoren wie Betreiber vor unlösbare Haftungsfragen stellt.
       
       Für die meisten Industrieländer gilt: Ein Atomkraftwerk zu bauen bedeutet,
       5 bis 10 Milliarden Euro in Beton festzumauern, bevor auch nur eine
       Kilowattstunde Strom erzeugt ist. Das besagen Kalkulationen aus den USA
       oder Europa, wo ja derzeit einige Neubauten geplant werden. Mit Fukushima
       erweist sich so ein Investment einmal mehr als reiner Horror für jeden
       Investor. Als im AKW Harrisburg 1979 der Reaktorkern schmolz, war in den
       Vereinigten Staaten auf einmal schlagartig Schluss mit dem Neubau solcher
       Reaktoren. Seit Jahren stellt die US-Regierung potenziellen Bauherren
       deshalb billige Kredite und Bürgschaften in Aussicht. Doch die wollte kaum
       jemand haben. Ein einziges neues Kraftwerk steht derzeit in den USA kurz
       vor der Bauphase - und das war vor Fukushima.
       
       Für ein Überwintern bieten sich der Atomindustrie derzeit in Asien die
       größten Chancen. Länder wie China, Indien oder Vietnam sind derzeit die
       größten AKW-Bauer. Ihr Stromverbrauch steigt so stark, dass sie jede Art
       der Erzeugung nutzen, egal wie gefährlich - sie bauen dafür auch völlig
       verantwortungslose Staudämme. In diesen Ländern wird es voraussichtlich
       auch im kommenden Jahrzehnt noch eine nukleare Expansion geben.
       
       Aber auch für autoritär geführte Staaten wie China oder Russland, die nur
       wenig Rücksicht auf die Bevölkerungsmeinung nehmen müssen und wo der Bau
       von Reaktoren nur halb so viel kostet wie in den arrivierten
       Industrieländern, gilt: Auch hier wird kapitalistisch gerechnet - und
       Atomkraft rechnet sich nur schwer.
       
       Fukushima wird dafür sorgen, dass der Atomkraft künftig das Geld ausgeht.
       Mehr braucht es nicht, um diesen Irrweg der Industriegeschichte endgültig
       zu beenden.
       
       16 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Metzger
       
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