# taz.de -- Revolte in Bahrain: Erneut Schüsse auf Demonstranten
       
       > Ein spontaner Protest schiitischer Aktivisten wurde in Tränengas
       > erstickt. Sechs Oppositionsführer sind festgenommen worden. Die UNO
       > verurteilt das Eindringen des Militärs in Krankenhäuser.
       
 (IMG) Bild: Ein schiitischer Aktivist versucht mit Vermummung dem Tränengas der Polizei zu trotzen.
       
       GENF/MANAMA afp/rtr/dapd/dpa | In Bahrain haben Sicherheitskräfte am
       Donnerstag auf hunderte Oppositionelle geschossen, die westlich der
       Hauptstadt Manama dem Demonstrationsverbot trotzen wollten. Nach Angaben
       von Aktivisten vor Ort schossen Polizisten mit Schrotflinten auf die
       Demonstranten in dem schiitischen Dorf Deih und setzten Tränengas gegen sie
       ein.
       
       Am Ortseingang waren Polizisten postiert, die Tränengas abfeuerten. Mehrere
       Polizeifahrzeuge blockierten zudem die Straße zum Nachbardorf. Bei den
       Protesten in Deih handelte es sich laut Augenzeugen um eine spontane
       Demonstration, die Behörden hatten am Mittwoch sämtliche Proteste und
       Sitzblockaden im ganzen Land verboten. Nach Angaben des Staatsfernsehens
       wurde zudem die nächtliche Ausgangssperre ausgeweitet, sie galt nun von
       20.00 Uhr bis 04.00 Uhr morgens Ortszeit.
       
       Zuvor waren mindestens sechs Anführer der Opposition festgenommen worden.
       Chalil Marsuk, ein Abgeordneter der schiitischen Oppositionsbewegung El
       Wefak, berichtete, unter ihnen sei mit Hassan Maschaima auch ein Anführer
       der schiitischen Hak-Bewegung, die die sunnitische Herrscherdynastie in
       Bahrain stürzen will. Er war erst Ende Februar nach Bahrain zurückgekehrt,
       nachdem Terrorismusvorwürfe gegen ihn fallengelassen worden waren.
       
       Auch der Aktivist Abduldschalil el Singace, der erst im Februar nach einer
       sechsmonatigen Haftstrafe auf freien Fuß gesetzt worden war, wurde demnach
       festgenommen. Auch er gehört der Hak-Bewegung an. Zu den Festgesetzten
       gehörte demnach auch der Chef der Bewegung Wafa, Abdelwahab Hussein. Die
       Bewegungen Hak und Wafa gelten als radikal und fordern die Einrichtung
       einer Demokratie in Bahrain, während El Wefak sich für Reformen einsetzt,
       jedoch nie ein Ende der Monarchie gefordert hat.
       
       Die sechs Festgenommenen seien "in Kontakt mit ausländischen Staaten"
       gewesen und hätten zum "Sturz des Regimes" aufgerufen, hieß es in einer im
       Staatsfernsehen vorgelesenen Erklärung. Darin wurden auch "juristische
       Maßnahmen" gegen die Festgesetzten angekündigt.
       
       ## Perlenplatz bietet ein Bild der Verwüstung
       
       Am Mittwoch hatte die Regierung mit Gewalt auf die wochenlangen Proteste in
       dem arabischen Inselstaat reagiert. Die Sicherheitskräfte räumten mit
       Tränengas und Panzern den Perlenplatz in der Hauptstadt Manama, dem Zentrum
       der Demonstrationen. Dabei wurden drei Polizisten und drei Demonstranten
       getötet. Die Opposition sprach von "einem Vernichtungskrieg".
       
       Der Perlenplatz bot am Donnerstag ein Bild der Verwüstung. Es waren noch
       einige zerfetzte Zelte zu sehen, in den die Demonstranten campiert hatten.
       Bagger schafften entwurzelte Palmen in der Mitte des Platzes beiseite. Über
       große Teile von Manama war bis in die frühen Morgenstunden eine
       Ausgangssperre verhängt worden.
       
       Soldaten ließen nur Anwohner auf den Platz, und vor einer Kontrollstelle
       bildete sich eine lange Auto-Schlange. Im Finanzbezirk schien wieder
       Normalität einzukehren.
       
       ## 
       
       Unterdessen hat die UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay das gewaltsame
       Vorgehen der Sicherheitskräfte im Golfstaat Bahrain aufs Schärfste
       verurteilt. Besonders das mutmaßliche Eindringen der Sicherheitskräfte in
       Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen stelle eine
       "schockierende und eklatante Verletzung des internationalen Rechts" dar,
       teilte Pillay am Donnerstag in Genf mit. Zahlreiche Betroffene hätten in
       Telefonaten und E-Mails mit ihrem Büro ihre Angst vor den
       Sicherheitskräften ausgedrückt. Regierungen seien aber dazu verpflichtet,
       "die Rechte der Menschen auf Leben und Gesundheit zu schützen", mahnte
       Pillay.
       
       Menschenrechtsaktivisten hatten den Sicherheitskräften in Bahrain
       vorgeworfen, Verletzte nicht in Krankenhäuser zu lassen und helfende Ärzte
       am Rande der Proteste zu schlagen. Das größte Krankenhaus in der Hauptstadt
       Manama wurde demnach von Polizisten mit Waffengewalt abgeriegelt.
       Gesundheitsminister Nisar Baharna trat am Mittwoch zurück, nachdem
       Augenzeugen berichtet hatten, dass Sicherheitskräfte eine Klinik in Manama
       gestürmt und dort das Personal und die zumeist schiitischen Patienten
       bedrängt hätten. UN-Menschenrechtskommissarin Pillay forderte die
       Konfliktparteien in Bahrain zu einem "sofortigen Dialog über bedeutsame
       Reformen und ein Ende der Gewalt" auf.
       
       ## Kuwait will keine Truppen nach Bahrain schicken
       
       Unterdessen lehnte Kuwait es ab, Truppen nach Bahrain zu entsenden, um bei
       der Bekämpfung der Protestbewegung zu helfen. Außenminister Scheich
       Mohammed al Sabah sagte der arabischen Zeitung Al-Jarida, sein Land sei
       aber bereit, in dem Konflikt zu vermitteln. Am Montag hatte Bahrain Kuwait
       im Rahmen eines Verteidigungspakts der Golfstaaten um Unterstützung
       gebeten. Saudi-Arabien hatte in dieser Woche rund 1.000 Soldaten entsandt
       und die Vereinigten Arabischen Emirate 500 Polizisten.
       
       Das Königshaus in Bahrain ist sunnitisch, eine der zwei großen
       Glaubensrichtungen des Islam. Etwa 60 Prozent der Bevölkerung sind dagegen
       Schiiten, die Diskriminierung beklagen und die Masse der Demonstranten
       stellen.
       
       Der Streit in dem Staat mit der Größe Hamburgs sorgt auch für Unruhe in den
       Nachbarstaaten. Das streng sunnitische Saudi-Arabien etwa befürchtet ein
       Übergreifen der Proteste auf seine schiitische Minderheit, die insbesondere
       in den Ölfördergebieten lebt. Der Iran - der mächtigste Schiiten-Staat der
       Region - verurteilte die Gewalt am Dienstag. Inzwischen hat er seinen
       Botschafter aus Bahrain abgezogen.
       
       Auch der schiitische Ministerpräsident des Irak, Nuri al-Maliki,
       kritisierte das Vorgehen aufs Schärfste. Mehrere hundert schiitische Iraker
       haben am Donnerstag in der südlichen Stadt Kerbela gegen die Intervention
       saudischer und anderer Golfstaaten-Truppen in Bahrain demonstriert. Sie
       riefen Parolen wie "Stoppt den Massenmord am bahrainischen Volk!" und "Nein
       zur saudischen Einmischung in Bahrain!", berichtete die Nachrichtenagentur
       Aswat al-Irak. Zu der Kundgebung hatte der schiitische Großajatollah
       Mohammed Taki al-Mudarrisi aufgerufen. Kerbela, 100 Kilometer südlich von
       Bagdad, ist wegen seiner Wallfahrtsorte eine den Schiiten im Irak heilige
       Stadt.
       
       Auch die USA, die in Bahrain ihre fünfte Flotte stationiert haben,
       bezeichneten die Entwicklungen als besorgniserregend.
       
       17 Mar 2011
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Saudische Truppen in Bahrain: Ministerium verharmlost Einmarsch
       
       Das Bundesinnenministerium hat den Einsatz saudischer Truppen in Bahrain
       als "Sicherungsmaßnahme" für Infrastruktur bezeichnet. Die SPD wettert:
       "Die Regierung veralbert eigene Mitarbeiter".
       
 (DIR) Nach den Protesten in Bahrain: Vier Schiiten zum Tode verurteilt
       
       Wegen Mordes an zwei Polizisten während der Proteste im März sind vier
       Schiiten von einem Militärgericht in Bahrain zum Tode verurteilt worden.
       Drei weitere bekamen lebenslänglich.
       
 (DIR) Nach den Protesten in Bahrain: "Ich erkenne mein Land nicht wieder"
       
       Seit der Niederschlagung der Proteste sind viele Oppositionelle einfach
       "verschwunden". Es gilt das Notstandsrecht. Sunniten befürchten eine
       "Theokratie à la Iran".
       
 (DIR) Kommentar Proteste in Bahrain: Demokratie statt Theokratie
       
       Das sunnitische Herrscherhaus in Bahrain kämpft mit Hilfe seines
       Sicherheitsapparates und der saudischen Armee gegen seine Bürger. Der
       Westen hält sich zurück.
       
 (DIR) Protest in Bahrain geht weiter: Schüsse gegen Demonstranten
       
       Sicherheitskräfte gehen in Manama gegen die Demonstranten vor. Dabei kommen
       mindestens sechs Menschen ums Leben. Opposition spricht von "saudischer
       Besatzung".
       
 (DIR) Aus Le Monde diplomatique: Einstürzende Denkgebäude
       
       Die Umbrüche in der arabischen Welt stellen die alten Denkmuster des
       Westens auf den Kopf und verschieben die geopolitischen Gewichte in der
       Region.