# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Das Fluchen des Königs
       
       > Das DFB-Team gewinnt bei der EM-Qualifikation so souverän die Spiele, die
       > sie gewinnen muss, dass ihr diese Selbstverständlichkeit übel genommen
       > wird.
       
       Geht man an einem Samstagabend, sagen wir mal, ins Kino, während zur
       gleichen Zeit das deutsche Fußballteam gegen, sagen wir mal, Kasachstan
       spielt, braucht man sich heutzutage keine großen Sorgen mehr zu machen. Man
       kann, sagen wir mal, "The Kings Speech" gucken, anschließend noch gemütlich
       diskutieren, ob Colin Firth nun wirklich den Oscar verdient hat, oder sich
       auch ein klein wenig streiten, ob denn Schauspieler immer so exzessiv
       fluchen müssen, um für preiswürdig befunden zu werden. Man kann also einen
       netten Abend verbringen und wenn man wieder zu Hause ist, kurz Videotext
       oder Internet gucken, um sich folgende Fragen beantworten zu lassen: Wie
       hoch hat die DFB-Auswahl gewonnen? Und, wenns unbedingt sein muss: Wer hat
       die Tore geschossen?
       
       Die Antworten auf solche, dieser Tage nicht mehr ganz so drängende Fragen
       sind in diesem Fall: 4:0. Und: Klose, Müller, Müller, Klose. Doch das
       Spannendste an diesem Spiel in Kaiserslautern war, dass dessen Ausgang zu
       keinem Zeitpunkt infrage stand, noch nicht einmal im Vorfeld. Was nicht nur
       beweist, wie aktuell die Dialektik noch ist, und was zudem den immer noch
       allseits beliebten, vom ehemaligen DFB-Teamchef Rudi Völler einst in die
       Welt geworfenen Allgemeinplatz "Es gibt keine Kleinen mehr" zum
       wiederholten Male der Absurdität überführte.
       
       Nach dem Spiel wurde aber noch nicht einmal darüber diskutiert, wie
       souverän die deutsche Nationalmannschaft mittlerweile Fußball zu spielen
       imstande ist. Das war zwar, Ältere unter uns erinnern sich mit Grausen,
       nicht immer so. Das 4:0 aber war nicht nur der fünfte Sieg im fünften Spiel
       und macht das DFB-Team zu einem von drei verlustpunktfreien in der
       EM-Qualifikation neben Spanien und den Niederlanden. Dieser Sieg war vor
       allem mit allergrößter Selbstverständlichkeit herausgespielt - und eben
       nicht erkämpft. Doch die stabile Spielkultur ist längst das Thema von
       gestern. Findet auch die Mannschaft selbst und beschäftigt sich auf
       entsprechende Reporterfragen nach dem Spiel lieber damit, ob und wie Jupp
       Heynckes demnächst den FC Bayern München trainieren wird.
       
       Die Einzigen, die das Geschehen auf dem Rasen selbst tatsächlich noch zu
       interessieren schien, waren die Zuschauer in Kaiserslautern. Die allerdings
       pfiffen in der zweiten Halbzeit angesichts einer dermaßen erbärmlichen
       3:0-Führung. Da war der nette Herr Löw plötzlich gar nicht mehr so nett und
       klassifizierte die Meinungsäußerungen der Verwöhnten als "äußerst negativ".
       Der Bundestrainer jammerte aber auch, wie es seine Art ist, messerscharf
       analysierend: "Die Ansprüche und Erwartungen sind gewachsen."
       
       Ja, muss man da sagen: selbst schuld. Hätte die deutsche Nationalmannschaft
       bei der Weltmeisterschaft nicht so prima gespielt und hätte sie dieses
       Niveau nicht um ein erstaunliches Zutrauen in die eigene Leistungsfähigkeit
       ergänzt, würde sie seitdem nicht fürchterlich erwartbar jene Spiele
       gewinnen, die sie gewinnen muss, dann, ja dann würden die Zuschauer in
       Kaiserslautern vielleicht nicht pfeifen. Und andere würden vielleicht nicht
       ins Kino gehen. Zumindest nicht so beruhigt.
       
       27 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Winkler
       
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