# taz.de -- US-Präsident zum Libyen-Einsatz: Obamas Interventionsdoktrin
       
       > Kampf dem "Tyrannen": In einer Rede versucht US-Präsident Obama, den
       > Libyen-Einsatz gegen harte Kritik zu verteidigen. Und definiert, was
       > "echter leadership" ist.
       
 (IMG) Bild: Barack Obama: "Wir haben getan, was wir angekündigt haben."
       
       WASHINGTON taz | "Wenn wir einen Tag länger gewartet hätten, wäre in
       Bengasi ein Massaker möglich gewesen, das auf dem Gewissen der Welt
       gelastet hätte. Das zu verhindern lag in unserem nationalen Interesse."
       Neun Tage nach dem Beginn der Militärinternvention in Libyen versucht
       Barack Obama, den Krieg gegenüber seiner skeptischen Öffentlichkeit zu
       rechtfertigen. "Wir haben getan, was wir angekündigt haben", sagte er am
       Montagabend in einer vom Fernsehen übertragenen Rede in Washington.
       
       Obama beschreibt eine Militärintervention gegen Massaker und für die
       humanitäre Sache. Einen Krieg, der unter quasi exemplarischen Umständen
       einer neuen internationalen Zusammenarbeit zustande gekommen sei: Eine
       schnelle Einigung; eine breite internationale Allianz – inklusive
       arabischer Staaten; eine libysche Opposition, die um internationale Hilfe
       gebeten habe; der Verzicht der USA auf den Einsatz von Bodentruppen; und
       der Verzicht der USA auf eine langfristige Führung der militärischen
       Operationen. Tatsächlich geht das militärische Kommando in dieser Woche von
       den USA an die Nato über. Allerdings ist der für Libyen zuständige
       Europa-Chef der Nato ein US-amerikanischer General. Und die USA behalten
       die stärkste militärische Präsenz.
       
       In einer eigenwilligen Vorgeschichte der Intervention beschreibt der
       US-Präsident einen "Tyrannen", der zahlreiche Menschenleben auf dem
       Gewissen habe. "Auch amerikanische", sagt Obama in dem Versuch, lang
       zurückliegende Terror-Opfer posthum für die Militär-Intervention zu
       vereinnahmen. Er erwähnt nicht, dass Washington nach jenen Morden eine
       Aussöhnung mit Libyen betrieben hat. Noch im Januar dieses Jahres ist
       Gaddafis Sohn Khamis bei einer Reise durch die USA von PolitikerInnen,
       Intellektuellen und Industriellen – unter anderem aus der Rüstungsbranche -
       hofiert worden.
       
       ## Mit acht US-Fahnen im Rücken
       
       Als Schauplatz für seine knapp halbstündige Rede hat Barack Obama die
       Verteidigungsakademie Fort McNair im Süden von Washington gewählt, wo sich
       auch die School of War befindet. Er spricht mit acht US-Fahnen im Rücken
       und vor einem Publikum aus Militärs und PolitikerInnen. Seine Rede wird
       live in die Nachrichtensendungen des Fernsehens eingeblendet.
       
       Während der ersten Kriegstage tourte der US-Präsident durch mehrere
       lateinamerikanische Länder. Auf Pressenkonferenzen in Brasilien, Chile und
       El Salvador befasste er sich nebenbei auch mit den Bomben in Nordafrika.
       Unterdessen wuchs in den USA die Kritik. Vor der Verhängung der
       Flugverbotszone hatten hochrangige US-Militärs und Verteidigungsminister
       Robert Gates zur Zurückhaltung gemahnt und bezweifelt, dass es vernünftig
       wäre, wenn sich die USA an einem dritten Krieg in der Region beteiligen.
       
       Nachdem die Operation begonnen hat, fragen PolitikerInnen – darunter
       prominente DemokratInnen - nach dem "nationalen Interesse" der USA in
       Libyen, nach dem ultimativen Ziel, das mit den Bomben erreicht werden
       solle, und danach, ob und welche Ausstiegspläne es gäbe.
       Kongressabgeordnete beider Parteien klagen auch darüber, dass ihr Präsident
       zwar Zeit gefunden habe, eine internationale Allianz zu schmieden, nicht
       aber, den Kongress zu konsultieren.
       
       Am Montagabend versucht Obama, seine KritikerInnen mit dem Entwurf einer
       neuen Doktrin zu befrieden. "Es stimmt, dass es viele brutale Regime gibt",
       sagt er, "und Amerika kann auch künftig nicht überall militärisch
       eingreifen. Aber hier standen unsere Interessen und unsere Werte auf dem
       Spiel". Und er legt Wert darauf, zu definieren, was "echter leadership"
       ist: Wenn "Amerika nicht allein geht, sondern sich die Lasten mit anderen
       teilt". Das ist auch eine der "Regeln" für die "Obama Doktrin", die
       zahlreiche BeobachterInnen noch am selben Abend aus der Rede
       herausdestillieren: Die USA von Obama werden auch in Zukunft keine
       militärischen Alleingänge machen, sondern multilateral vorgehen, und ihre
       Ziele sind nicht Regimewechsel sondern die Verhinderung von Massakern.
       
       ## Sturz Gaddafis nicht Aufgabe der USA
       
       In einem Versuch, sich von seinem – nicht namentlich erwähnten -
       Amtsvorgänger abzugrenzen, sagt Obama: "Der Regime-Wechsel im Irak hat acht
       Jahre gedauert. Er hat tausende von amerikanischen und irakischen Leben
       gekostet und beinahe eine Billion Dollar. Wir können es uns nicht leisten,
       das in Libyen zu wiederholen."
       
       In den vergangenen Wochen hat Obama Gaddafi wiederholt zum "Gehen"
       aufgefordert. Doch in seiner Ansprache sagt der US-Präsident ausdrücklich,
       dass ein Sturz Gaddafis nicht Aufgabe der USA sei: "Wenn wir versuchten,
       ihn zu stürzen, würde das die Koalition spalten." Auch eine Aussicht auf
       ein Ende des Libyen-Kriegs eröffnet der US-Präsident, der noch vergangene
       Woche gesagt hatte, es sei "eher eine Frage von Tagen als von Wochen",
       nicht. Im Gegenteil: Er vermutet, dass der Einsatz in Libyen dauern und
       kompliziert werden kann. Kaum ist Obama fertig, melden sich seine Kritiker
       zu Wort.
       
       RepublikanerInnen, die in den vergangenen Wochen ein schnelleres
       militärisches Eingreifen in Libyen verlangt hatten, kritisieren jetzt, dass
       Obama keine Ausstiegsstrategie hat. Verlangen, dass die USA den Diktator
       aus dem Weg räumen. Und beklagen, dass die USA angeblich Frankreich und
       Großbritannien den Vortritt gelassen hätten. Der linke demokratische
       Kongressabgeordnete Dennis Kucinich hingegen fühlt sich an George W. Bush
       erinnert, der ebenfalls einen Krieg mit einer Gefahren-Drohung begründet
       hat. "2003 waren es die Massenvernichtungswaffen, heute ist es ein
       bevorstehendes Massaker", sagt Kucinich. "Und jetzt sind wir bereits
       jenseits der Flugverbotszone: Wir befinden uns in einem Bürgkerkrieg, in
       dem unser Militär Bedingungen schafft."
       
       29 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dorothea Hahn
       
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