# taz.de -- Initiative für Freie Schulen: "Es gibt ein Recht auf gute Schule"
       
       > In Berlin kämpft eine Initiative für bessere Schulen. Im Parlament werden
       > sie wie politische Gegner behandelt, sagt Martin Hoyer vom Paritätischen
       > Wohlfahrtsverband.
       
 (IMG) Bild: Freie Naturschule in Pankow: "Die Idee ist, gezielt Anreize zu setzen, dass sich Schule um die Benachteiligten kümmert."
       
       taz: Herr Hoyer, sie sind Schulreferent des Paritätischen
       Wohlfahrtsverbands Berlin. Im Berliner Abgeordnetenhaus hat eine
       Volksinitiative ihre Ideen vorgetragen. Wie fanden Sie die Veranstaltung? 
       
       Martin Hoyer: Ich hatte nicht den Eindruck, dass viele Abgeordnete
       verstanden haben, in welcher Veranstaltung man eigentlich ist.
       
       Und wo lag das Missverständnis? 
       
       Es war ja keine normale Sitzung im Ausschuss, in der man seine eigene
       Position durchbringen möchte. Bürger hatten sich das Recht erstritten, ihre
       Ideen über besser finanzierte Privatschulen und freiere staatliche Schulen
       vorzustellen. Diese engagierten Bürger wurden aber behandelt, als wären sie
       der politische Gegner - und Bittsteller. Es war keine Sternstunde des
       Parlaments.
       
       Verlangen Sie da nicht zu viel? Man muss ja eine Initiative nicht nur
       deshalb mögen, weil beinahe 30.000 Menschen dafür ihre Unterschrift
       geleistet haben. 
       
       Man kann anderer Auffassung sein. Aber der Respekt gebietet es, dass man
       erst einmal aufmerksam zuhört. Da haben Bürger eine sehr grundlegende
       Auffassung von Bildung, ja beinahe eine philosophische Betrachtungsweise
       ins Hohe Haus getragen: dass freie Schulen besser finanziert werden müssen
       - und staatliche mehr Freiheit brauchen. Auf diesen Gedanken haben sich
       insbesondere die Regierungsfraktionen nicht eingelassen. Sie haben die
       Ideen von Anfang an mit den harten Bandagen des Abgeordneten abgewehrt. Ein
       bisschen mehr Mühe hätte man sich erwarten können.
       
       Aber die Furcht, dass gleichberechtigt finanzierte Privatschulen den
       staatlichen das Wasser abgraben, ist ja nicht unberechtigt. 
       
       Ja, das stimmt - im Grundsatz. Aber wenn man genauer hingehört hätte, dann
       wäre einem aufgefallen, dass es den Initiatoren um das ganze Schulwesen
       ging und nicht um das private. Es waren ja zwei verknüpfte Vorschläge: Sie
       wollen beiden Schulformen ihre spezifischen Nachteile abnehmen. Viele
       private und freie Schulen leiden darunter, dass sie einfach zu wenig
       staatliche Unterstützung bekommen - und deswegen Schulgebühren erheben
       müssen.
       
       Margret Rasfeld von der Berliner Evangelischen Schule etwa hat sehr
       deutlich gemacht, dass eine Schule, die 600 Euro Schulgeld verlangt, eben
       nicht das Ziel der Initiative ist. Gleichzeitig geht es vielen staatlichen
       Schulen so, dass sie in ein relativ enges Paket von Vorschriften
       eingeschnürt sind. Auch diese Schulen hat die Initiative im Auge, wenn sie
       ihnen mehr Freiheiten gewähren will - ein Anliegen, das übrigens seit
       Jahren von der Politik geteilt wird. Diesen Aspekt hat im Abgeordnetenhaus
       meines Erachtens niemand richtig verstanden.
       
       Immerhin teilen FDP und CDU die Ideen … 
       
       … ja, und auch die Grünen sind nicht abgeneigt. Aber sie haben dennoch
       Angst, dass private Schulen in den sozialen Brennpunkten die Segregation
       noch weiter vorantreiben.
       
       Ist das ein Wunder? 
       
       Die Befürchtung hat etwas. Aber man könnte Privatschulen auch mal ganz
       anders denken. Warum sollte man sie nicht zur gezielten Armutsbekämpfung
       einsetzen?
       
       Und wie soll das gehen? 
       
       Bei beinahe jeder Schulstudie seit Pisa im Jahr 2001 bekommen wir
       bestätigt, dass wir das selektivste Schulwesen in der OECD haben. Der
       einzige Punkt, bei dem wir richtig Spitze sind, ist die große Zahl der
       Risikoschüler und die Abhängigkeit der Bildungserfolge vom Geldbeutel der
       Eltern. Das ist aber nicht etwa das Ergebnis eines privatisierten
       Schulsystem, sondern eines weitgehend staatlichen.
       
       Aber das staatliche System unternimmt wenig, um dieses Problems Herr zu
       werden. Wir haben daher als Paritätischer Wohlfahrtsverband das Modell der
       Bürgerschule entwickelt - die Elemente privater Initiative und staatlicher
       so verbindet, dass wieder Schwung in die Schulpolitik kommt.
       
       Was ist daran Armutsbekämpfung? 
       
       Dass wir gezielt in die sozial benachteiligten Stadträume gehen wollen und
       dort jene zivilgesellschaftlichen Initiativen an Schule beteiligen, die
       sich mit den Problemen vor Ort wirklich auskennen. Wir schlagen vor, mit
       den Experten vor Ort Neues zu entwickeln, und wir verlangen keinen Cent
       Schulgebühren. Die Idee ist, gezielt Anreize zu setzen, dass sich Schule um
       die Benachteiligten kümmert. Der Staat und seine Schulen tun sich schwer
       damit, die verwalten den Mangel, aber sie greifen ihn nicht an.
       
       Besteht nicht die Gefahr, die SPD und Linke an die Wand malen: dass in
       Regionen wie etwa Berlin-Kreuzberg nur Bildungsbeflissene ihre Kinder in
       solche Schulen schicken - und die soziale Spaltung vorantreiben, weil in
       den staatlichen Schulen die Benachteiligten zurückbleiben? 
       
       Diesen Effekt hat man nicht, wenn man Schulgebühren vermeidet. Bisher
       lassen sowohl das staatliche als auch das private Schulwesen jene Schicht
       unten am Fahrstuhl stehen, die es laut Pisa am nötigsten hätte endlich
       mitgenommen zu werden. Die bürgerlichen Kinder fahren mit den Gymnasien
       oder mit teuren Privatschulen nach oben; die Ghettoschüler aber bleiben in
       schlechten Schulen zurück.
       
       Wir bieten nun eine dritte Schulform an, eine echte Bürgerschule, wenn Sie
       so wollen, eine demokratische Schule, die alle mitnimmt. Wir wollen, dass
       Bildungsgutscheine vergeben werden. Wer mit einem solchen Gutschein bei der
       Schule ankommt, der hat ein Recht auf gute Schule.
       
       Gibt es denn schon ein solches Modell? 
       
       Wir knüpfen an das amerikanische Charter-School-Modell an. Der Staat
       vergibt eine Charter, eine Genehmigung an einen Träger, und der hat dann
       viele Freiheiten, etwas Neues auszuprobieren. Wir wollen kleine
       kiezorientierte Schulen, die offen sind für alle, kein Schulgeld nehmen und
       im Stadtteil vernetzt sind. Diese Schulen arbeiten mit einem Mix aus den
       bisherigen Modellen: Der Staat, für den Armut immer sehr teuer ist, gibt
       seinen Zuschuss dazu - und wir dürfen gleichzeitig privates Geld
       akquirieren. Wir wollen dahin gehen, wo es brennt.
       
       Wieso haben Sie eigentlich noch keine Schule? 
       
       Wir haben mit einer großen Entstaatlichung der Kindertagesstätten in
       Berlin, bei der wir sehr viele Kitas übernommen haben, gute Erfahrungen
       gemacht. Die Einrichtungen sind pädagogisch mobiler geworden, und sie sind
       gleichzeitig in der freien Trägerschaft stärker und selbstständiger
       geworden. Vielleicht berücksichtigt das Abgeordnentenhaus das, wenn es über
       die Initiative "Schule in Freiheit" abstimmt.
       
       30 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Füller
       
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