# taz.de -- Stiller ADFC: Die Radlerlobby tritt ins Leere
       
       > Der ADAC ruft stets lautstark nach mehr Platz für Autos, vom ADFC
       > hingegen ist kaum etwas zu hören. Auch der Radbeauftragte des Senats ist
       > wenig präsent. Den Radlern fehlt die Lobby - ausgerechnet im Wahljahr.
       
 (IMG) Bild: Mit dem Frühling kommen die Schönwetterradler wieder aus ihren Löchern. Nur die Fahrradlobby schläft noch.
       
       Die Fahrradhändlerin ist erstaunt. "Der ADFC hat eine Vorsitzende?", fragt
       sie und denkt nach. "Stimmt, Benno Koch ist ja weg. Wie heißt die Frau?"
       Gute Frage. Die Händlerin ist Szenekennerin, seit drei Jahrzehnten im
       Geschäft. Von der Nachfolgerin des polarisierenden, stets präsenten
       Radlobbyisten Koch hat sie bislang nichts gehört.
       
       Kein Wunder: ADFC-Chefin Sarah Stark ist kaum wahrzunehmen. Egal, ob es um
       den Umbau der Kastanienallee geht, wo die geplanten Radstreifen für
       Empörung sorgen, um Ampelschaltzeiten oder die Landespläne zum Verkehr -
       der ADFC schaltet sich zumindest öffentlich nicht in die Diskussion ein.
       
       Macht nichts, könnte man meinen, der Senat hat ja eigens einen
       Radbeauftragten für die Belange des pedaltretenden Bevölkerungsteils
       eingesetzt. Arvid Krenz hat vor einem Jahr die Position eingenommen, die
       ebenfalls von Benno Koch medienwirksam ausgefüllt worden war. Nur: Auch
       dieser Nachfolger fällt in puncto Öffentlichkeitsarbeit aus. Den Radlern in
       Berlin fehlt die Lobby - und das in einer Zeit des Wahlkampfs, in der es
       auch um Weichenstellungen für den Verkehr der Zukunft geht.
       
       Sarah Stark übernahm vor drei Jahren den Vorsitzend des ADFC. Sie trat ein
       schwieriges Erbe an: Vorgänger Benno Koch war umstritten. Er galt als
       Alleinherrscher, dem der medienwirksame Auftritt wichtiger schien als
       mühevolle Verbandsarbeit. Seine Doppelfunktion als Radlobbyist und
       Verkäufer der Senatspolitik wurde von vielen kritisch verfolgt. Zugleich
       schuf Koch Öffentlichkeit für die Belange von Radfahrern.
       
       Beobachter attestieren Stark denn auch, dass sie mehr nach innen wirke.
       "Seit dem Wechsel wird vieles mehr in die Breite getragen", sagt der
       BUND-Verkehrsreferent Martin Schlegel. "Es gibt deutlich mehr Menschen, die
       im Verein aktiv werden wollen."
       
       Der Außenwirkung ist das leider nicht zuträglich. Als der Senat etwa die
       Fortschreibung des "Stadtentwicklungsplans Verkehr" vorstellte, reagierten
       ADAC und Wirtschaftskammern prompt mit einer eigens einberufenen
       Pressekonferenz. Credo: Autofahrer machen den Hauptteil des Verkehrs aus,
       brauchen Platz und müssen entlastet werden. Nun geht der Trend seit Jahren
       weg vom eigenen Auto und hin zum Rad, Radwege sind häufig zu eng geworden,
       Radstreifen fehlen, die Herausforderungen wachsen. Eine Positionierung des
       ADFC zu den Senatsplänen? Fehlanzeige.
       
       Der Verband sei vom Vorpreschen des ADAC überrascht worden, bekennt Sarah
       Stark. Außerdem gebe es aus Radfahrersicht nichts Wesentliches an den
       Senatsplänen auszusetzen. Im Nachhinein betrachtet hätte es besser laufen
       können, bekennt Stark. Sie sagt, sie erkenne das Problem der fehlenden
       Öffentlichkeitsarbeit. Man arbeite intern daran. Die Chefin verweist
       zugleich auf die Schieflage zwischen den zwei Interessenvereinen: Der ADAC
       hat mehr als 1,1 Millionen Mitglieder in der Region, der ADFC etwa ein
       Hunderstel davon. Dem weitgehend ehrenamtlich arbeitenden Verband fehlten
       schlicht Geld und Zeit.
       
       In der Tat wäre es unfair, die beiden gegeneinander aufzuwiegen. Nur regt
       sich auch ADFC-intern Kritik daran, die Ressourcen lediglich für
       inhaltliche, der Öffentlichkeit verborgene Aufgaben zu widmen - etwa der
       Mitarbeit im "Fahrrat" des Landes. Es ist Wahlkampf in Berlin,
       Verkehrspolitik ist eines der Hauptthemen - da sei öffentliche
       Positionierung notwendig, heißt es von führenden Mitgliedern, die freilich
       nicht öffentlich genannt werden wollen.
       
       Die allgemeine Kritik beschränkt sich nicht auf den ADFC - sondern richtet
       sich auch an den Senatsfahrradbeauftragten. Die "Schonzeit" für Arvid Krenz
       sei vorbei, murren Beobachter aus der Radszene. Nun wolle man langsam mal
       etwas von ihm hören, lesen und sehen.
       
       "Das ist zeitintensiv", kontert Krenz. Er verweist auf die Struktur seines
       Amts und den zeitlich begrenzten Rahmen der Tätigkeit. Und: "Lobbyarbeit
       ist richtig aufwendig." Krenz bewertet seine Wirkungskraft nach einem Jahr
       deutlich nüchterner. Er leitet Bürgeranfragen an die Verwaltung weiter, er
       sitzt in Gremien. Viel mehr schaffe er neben seiner vollen Stelle am
       Verkehrswesenseminar der Technischen Universität nicht. Um die
       Möglichkeiten zu erweitern, müsse er "aktiv rausgehen", Kontakte zu anderen
       Senatsverwaltungen knüpfen. Der Fahrradbeauftragte arbeitet ehrenamtlich
       und erhält eine Aufwandsentschädigung.
       
       Er bleibt so in seinen Möglichkeiten eingeschränkt und kann nicht viel mehr
       als ein Ombudsmann für die Detailsorgen von Alltagsradfahrern und Pendlern
       sein. Der Stellenzuschnitt ist ein Symbol für die oft immer noch
       stiefmütterliche Behandlung des Radverkehrs in Bezirken und in der
       Verkehrslenkung. Wo seit Jahren kaum mehr jemand eingestellt wird, haben
       sich Verwaltungsmitarbeiter festgesessen, die mit dem Leitbild Auto groß
       geworden sind.
       
       Umso dringender bedürfte es Lobbyisten, die öffentlich die Finger in die
       Wunden legen. Ungefragt. Permanent. Nicht nur zu Wahlkampfzeiten, aber
       auch.
       
       31 Mar 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kristina Pezzei
       
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