# taz.de -- Kolumne Press-Schlag: Desorientierte Spitzen
       
       > Warum nicht nur Politiker, vorzugsweise jene der FDP, an der
       > Fünfprozenthürde scheitern. Sondern auch Hertha BSC mal vor 60.000 Fans
       > in der Bedeutungslosigkeit versank.
       
 (IMG) Bild: Hommage an den Ältesten: Götzes Jubel nach seinem Treffer.
       
       "Stuttgart" - der Name der schwäbischen Metropole steht in diesem Frühjahr
       für nackte Angst. Vereine, die gewohnt waren, immer an der Spitze
       mitzuspielen, sehen sich plötzlich mit dem Undenkbaren konfrontiert: dem
       existenzbedrohenden Abstieg.
       
       Einer dieser Vereine ist die CDU. Seit je sieggewohnt und per Naturgesetz
       ganz oben, teilt man in dieser Saison das Schicksal des FC Bayern:
       rätselhafte Fehler, beißende Häme des Publikums und desorientertes
       Spitzenpersonal. Aber mittelfristig wird sich das einrenken.
       
       Ganz anders der Zweitligist FDP. Der aktuelle Scheideweg der Liberalen
       heißt: "Münchener Löwen 2011" oder "Hertha BSC 1981".
       
       Variante 1 (auch "Manchester-City-Kapitalismus" genannt) wäre ein
       orientalisches Märchen: Dank der alten Möllemann-Verbindungen taucht ein
       arabischer Staatsfonds auf und kauft die Partei. Und dazu gleich 6 bis 8
       Prozent der Wähler - für die immerwährende Regierungsbeteiligung. Ein
       wunderbarer Wiederaufstieg also, mittelfristig mit
       Champions-League-Perspektiven. Sechzig überholt die Bayern und Lindner holt
       2017 das Double: Kanzler und Präsident in Personalunion.
       
       Derzeit arbeitet die FDP allerdings eher an Szenario 2. Also an einem
       Albtraum. 1981 setzte Hertha BSC in der 2. Liga Nord dazu an, den
       Betriebsunfall "Abstieg" umgehend zu reparieren. In einer Marathonsaison
       mit 42 Spieltagen gelangen 31 Siege und 121 Tore. Mitte April winkte im
       Heimspiel gegen Otto Rehhagels Bremer vor 71.000 der Sprung auf den
       direkten Wiederaufstiegsplatz Platz 2. Beim Stande von 1:0 bekam Herthas
       Torjäger Thomas Remark einen Meter vor der Torlinie den Ball serviert,
       hielt den Fuß hin und drehte jubelnd ab. Der Ball drehte auch ab: an die
       Latte. Wer dabei war, vergisst es nie. In der 62. und 84. Minute traf
       Werder zum 1:2 und wurde später überlegen Erster.
       
       Aber es blieb ja noch eine Landtagswahl: Das Heimspiel gegen den anderen
       direkten Konkurrenten Eintracht Braunschweig, am vorletzten Spieltag, Mitte
       Mai. Hertha war Zweiter. Die Fünfprozenthürde lautete: Unentschieden
       reicht. Aber man verlor vor 60.000 mit 2:4 - und versank danach für mehr
       als 15 Jahre in der Bedeutungslosigkeit. Abgehängt von Blau-Weiß 90 und mit
       zwei Spielzeiten in der Amateur-Oberliga Berlin.
       
       "Kalter Kaffee", sagt der smarte Herr Lindner jetzt, "das ist sooo lange
       her". Schau mer mal. Derzeit führt Hertha die Zweite Liga vor Augsburg und
       Bochum an. Mitte April gehts nach Bochum. Und am letzten Spieltag, Mitte
       Mai, zu Hause gegen Augsburg. Vor 60.000. Wenns blöd läuft, ist man danach
       Dritter.
       
       Wenn's blöd läuft, FDP, seid ihr demnächst gänzlich weg vom Fenster. Und
       fliegt sogar aus der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln. Für 15 Jahre.
       
       3 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Oliver Domzalski
       
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