# taz.de -- Kommentar Atomaufsicht: Kontrolleure fehl am Platz
> Ein Atomkraftwerk ist kein Dampfkessel. Deshalb darf die präzise
> Überwachung der Atomanlagen kein Verein durchführen, der eng mit den
> Kraftwerksbetreibern verflochten ist.
Blicken wir zurück: Als mit der industriellen Revolution die Dampfkessel
sich durchsetzten, explodierten gelegentlich welche. Also suchte man Wege,
die Technik besser zu überwachen - und so gründeten die betreffenden
Unternehmen in den 1860er Jahren regionale Selbstverwaltungsorgane.
Diese hießen noch nicht TÜV, sondern "Badische Gesellschaft zur Überwachung
von Dampfkesseln" oder "Bayerischer Dampfkessel-Revisions-Verein". Ihr
Zweck war die Verhütung solcher Explosionen durch regelmäßige
Untersuchungen. Die Selbstkontrolle funktionierte. Die Vereine fungierten
als Ratgeber, standen den Unternehmen hilfreich zur Seite. Die Kontrolle
fand vor allem im Sinne der Firmen statt.
Dann aber kam die Atomkraft. Seither wird der TÜV - in den 1930er Jahren
aus den regionalen Dampfkraft-Vereinen entstanden - auch als Gutachter in
Atomfragen konsultiert. Nun könnte man meinen, dass bei der Atomenergie
nicht falsch sein kann, was bei den Dampfkesseln richtig war - eine
Selbstkontrolle nämlich.
Doch der Vergleich ist nicht statthaft. Ein Dampfkessel, der explodiert,
hinterlässt lokale Schäden, eine Kernschmelze aber hat internationale
Dimensionen. Ein Interesse an einer präzisen Überwachung von Atomanlagen
hat daher nicht mehr nur der Betreiber, sondern das ganze Land. Und
deswegen müssen in der Atomtechnik zwingend Kontrolleure her, die keinerlei
Verflechtungen mit den Kraftwerkseigentümern haben.
Dass die heutige Praxis der Atomkontrolle über all die Jahrzehnte so wenig
infrage gestellt wurde, dürfte auch daran liegen, dass der TÜV durch seine
Pkw-Hauptuntersuchungen viel Vertrauen genießt. Fahrzeuge legt der TÜV
wegen technischer Mängel regelmäßig still. Atomkraftwerke aber bislang
nicht - das sagt schon alles über die Abhängigkeiten.
8 Apr 2011
## AUTOREN
(DIR) Bernward Janzing
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