# taz.de -- Sebastian Vollnhals von Hatr.org: Böse Trolle zu Geld machen
       
       > Feministische Blogs sind oft Zielscheibe für besonders agressive
       > Kommentare, wohl von frustrierten Männern. Mit Hatr lassen sich diese
       > Kommentare wegschicken – und sogar zu Geld machen.
       
 (IMG) Bild: Das Letzte: Hasskommentare zum Ablachen.
       
       Hallo Sebastian, du hast das Projekt Hatr.org mit erdacht und auf die Beine
       gestellt. Was ist da denn der Clou, immerhin sind die frauenverachtenden
       Kommentare ja noch weiter öffentlich? 
       
       Die meisten Kommentare, die bei Hatr eingereicht werden, würden auf den
       Blogs, auf denen sie abgesetzt wurden, sowieso nicht veröffentlicht.
       Insofern sind sie bei Hatr sogar exklusiv öffentlich, aber eben entkoppelt
       von jenen, gegen die sie gerichtet sind. Darin liegt auch der Vorteil: das
       Verhalten dokumentieren, ohne ein öffentliches Opfer zu produzieren.
       
       Ihr macht ja auch Geld mit diesem Spam – Wie? 
       
       Zum einen schalten wir Bannerwerbung, wie sie auch auf anderen Webseiten
       zum Einsatz kommt. Zusätzlich gibt es noch die Möglichkeit, uns via Flattr
       kleine Geldbeträge zu schenken. Darüber hinaus haben wir noch einige andere
       Ideen.
       
       Rechnet ihr mit einem bestimmten Betrag oder lasst ihr das auf euch
       zukommen? 
       
       Nein. Ehrlich gesagt bin ich erstaunt, dass bis jetzt überhaupt messbare
       Einnahmen zu verzeichnen sind. Ob das eine nachhaltige Entwicklung ist,
       muss sich aber erst noch zeigen.
       
       Das Geld war eigentlich eher so als Werbegag gedacht? Motto: "Wir verfeuern
       Trollkommentare"? 
       
       Uns ist nichts Positiveres zu Trollkommentaren eingefallen, als sie zu
       monetarisieren. Natürlich ist das auch ein bisschen Provokation gegenüber
       den Trollen.
       
       Eine schöne Idee – aber, sind die denn überhaupt so schlimm? Ist das
       wirklich ein Problem – oder könnte man nicht auch anders auf destruktive
       Trollerei reagieren? 
       
       Ich denke nicht, dass Hatr die einzige oder beste Möglichkeit ist, mit
       Trollen umzugehen. Es ist eine Alternative von vielen. Zum Beispiel ist
       auch die alte Weisheit "don't feed the trolls", also Trollen einfach keine
       Aufmerksamkeit zu gewähren, durchaus noch aktuell. Hatr steht ja nicht
       gegen dieses Prinzip, sondern bietet eine Alternative.
       
       Wie reagieren diejenigen, deren Kommentare zu Hatr geschickt werden? 
       
       Das ist schwer zu sagen, denn die Kommentierenden sind ja weitestgehend
       anonym. Allerdings sind die Reaktionen in den antifeministischen Ecken des
       Internets schon interessant. Zum einen wird da an der Echtheit der Inhalte
       gezweifelt ...
       
       … sprich, sie reden sich ein, dass die Frauen das selbst geschrieben haben? 
       
       Ja. Zum anderen wird versucht, herauszufinden, wer hinter der Seite steckt.
       
       Oha. Und wird Gewalt angedroht? 
       
       Nicht direkt, ich jedenfalls mache mir keine Sorgen um mein Wohlergehen.
       
       Hat das Plugin Einfluss auf die Performance des Blogs? 
       
       Nein, das Wordpress-Plugin klinkt sich nur in den Admin-Bereich ein, den
       Besucherinnen und Besucher einer Webseite ja nicht zu Gesicht bekommen.
       
       Ist angedacht, Hatr auch auf die Bereiche Rechtsextremismus, Klimalügen
       oder ähnliches auszudehnen? Haben schon Freunde aus diesen Bereichen
       Interesse gezeigt? 
       
       Wohin sich Hatr entwickelt, ist für uns derzeit noch offen. Auch wenn wir
       gerade einen Schwerpunkt im queerfeministischen Kontext setzen, sind wir
       offen für Nutzerinnen und Nutzer aus anderen Bereichen und haben auch schon
       ein paar Projekte aus anderen Kontexten an Bord. Allerdings kommt der
       überwiegende Teil der Inhalte weiterhin aus feministischen Projekten. Wohl
       auch, weil dort besonders viel von diesen destruktiven Trollkommentaren
       anfällt.
       
       Wie schützt ihr euch bei Hatr dagegen, dass Nazis oder Maskulisten kommen
       und euch die bei euch veröffentlichten Kommentare vollspammen? 
       
       Momentan nennen wir uns "geschlossene Beta". Das bedeutet: wir verteilen
       ausschließlich Accounts an Projekte, die wir uns angesehen haben. Dass wir
       nicht beliebigen Content ungeprüft auf die Seite stellen, wird auf jeden
       Fall absehbar so bleiben.
       
       Habt ihr darüber gesprochen, es komplett offen zu machen? 
       
       Bei der Entwicklung der Idee wurde relativ schnell klar, dass wir uns da
       keinen Kontrollverlust leisten können. Ein komplett offenes wäre auch ein
       spannendes Projekt, aber nicht unseres.
       
       Warum nicht? 
       
       Dafür gibt es schon die Wikipedia (lächelt). Nein, im Ernst: wer das machen
       möchte, kann bestimmt relativ einfach eine komplett offene Wiki-Software
       aufsetzen.
       
       Basiert Hatr auf einer Wiki-Software? 
       
       Nein, es ist eine komplette Eigenentwicklung mit einigen
       Open-Source-Komponenten.
       
       Ist nun bald noch mehr Software von euch zu erwarten? 
       
       Mal sehen. Die Troll-Datenberge bieten bestimmt noch viele andere spannende
       Möglichkeiten. Vielleicht trainieren wir damit einen Spamfilter und bieten
       ein Anti-Spam-Plugin für Blogs an... Momentan allerdings ist nichts
       derartiges geplant.
       
       Wie kommst du als biologischer Mann eigentlich darauf, bei so einer
       feministischen Aktion, also dem Engagement gegen Trollerei in
       feministischen Blogs, mitzumachen? 
       
       Auch wenn ich biologisch in die Kategorie "Menschen mit Schwanz" passe,
       finde ich dieses binäre Geschlechterrollenmodell auf gesellschaftlicher
       Ebene seltsam und würde mich da in keine Schublade stecken lassen. Wer an
       dieser Stelle vermeintlich Feststehendes hinterfragt, landet früher oder
       später im queerfeministischen Sumpf und als Digital Native dann eben auch
       in der entsprechenden Netzsubkultur und auf Veranstaltungen wie den
       Gendercamp, wo Ideen wie Hatr.org ausgebrütet und manchmal sogar
       verwirklicht werden.
       
       Die queerfeministische Subkultur als Innovationsmotor für den Feminismus? 
       
       Subkultur ist häufig innovativ.
       
       Wie ist das bisherige Feedback? Seid ihr zufrieden? 
       
       Das Presse-Feedback ist ziemlich überwältigend, vor allem, da das Projekt
       für uns alle gerade eigentlich eher ein Nebenbei-Projekt ist, und wir gar
       nicht so viel Zeit und Energie hineinstecken können, wie es vielleicht
       nötig wäre.
       
       Warum? Weil ihr alle noch anderweitig engagiert seid? 
       
       Ja. Ich zum Beispiel arbeite in der Umweltbewegung und nach Fukushima komme
       ich kaum noch zum Essen und Schlafen.
       
       Dann will ich dich lieber nicht weiter abhalten. Vielen Dank, dass du dir
       die Zeit genommen hast!
       
       12 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Julia Seeliger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Hasskommentare
       
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