# taz.de -- Mahnwache für Künstler Ai Weiwei: Solidarisches Theater
       
       > Das Bremer Theater organisiert eine 24-stündige Mahnwache für den
       > verhafteten Künstler Ai Weiwei. Nach einer Ära der VIP-Bereiche und
       > Premieren-Fahrzeugflotten besinnt es sich damit nicht zuletzt auf die
       > eigenen Möglichkeiten.
       
 (IMG) Bild: Gefangenenchor und Bühnenbild: Auf dem Bremer Goetheplatz.
       
       BREMEN taz | Draußen war das Bühnenbild aufgebaut, kurz nach 12 Uhr sang
       der Chor den "Gefangenen-Chor" aus Verdis Oper "Nabucco", dann trug ein
       Ensemble-Mitglied die Erklärung der Menschenrechte vor: Zu einer besonderen
       Vorstellung lud am Dienstag das Bremer Theater - den Auftakt einer
       24-stündigen Mahnwache. Das Bühnenbild stammt vom chinesischen Künstler Ai
       Weiwei, und genau die Forderung nach dessen Freilassung sollte die
       Mahnwache unterstreichen.
       
       Ai Weiwei hat hin und wieder agiert, als gebe es die Menschenrechte auch in
       China: Er hat sich an der Sammlung der Namen von den Kindern beteiligt, die
       2008 bei dem Erdbeben ums Leben gekommen sind. Aus Protest gegen die
       Internet-Zensur, die in China mit dem Kampf gegen Pornografie begründet
       wird, veröffentlichte er im Internet ein Video von sich: nackt, nur von
       einem Teddy bedeckt. Vor einer Woche wurde er festgenommen, Aufenthaltsort
       unbekannt.
       
       2009 war Weiwei in Bremen und fertigte zwei Bühnenbilder für das dortige
       Theater an. Dessen "Leitungsteam" wiederum konzipierte nun die
       Solidaritäts-Aktion. "Es gibt keine nicht-politische Arbeit im Theater",
       sagt Marcel Klett, leitender Dramaturg des Bremer Schauspiels. "Alles
       andere wäre reine Unterhaltung, das können andere besser - etwa das Kino."
       
       Als Weiwei damals in Bremen war, trug er noch einen Verband um den Kopf -
       er war in China von Polizisten zusammengeschlagen worden. Hans Georg
       Wegner, Chefdramaturg der Oper, erinnerte am Dienstag daran, wie Weiwei den
       Bremer Theaterleuten damals erklärt habe, für ihn gebe es "keinen
       Unterschied zwischen dem Künstler und dem politischen Menschen": Es gehe
       ihm im Leben wie in der Kunst um "Wahrheit".
       
       Geboren worden war die Idee für die 24-Stunden-Aktion vergangenen
       Donnerstag bei der Eröffnung einer Ausstellung in der Theatergalerie. Deren
       Leiterin Annette Schneider hatte seinerzeit den Kontakt zu Ai Weiwei
       hergestellt. Für das Theater selbst ist die Aktion etwas Besonderes:
       Jahrelang, unter dem Intendanten Hans-Joachim Frey, hatte das Haus sich als
       Treffpunkt der Reichen und Schönen zu inszenieren versucht. Porsche-Chef
       Wendelin Wiedeking sponserte für das "Marie Antoinette"-Musical eine kleine
       Fahrzeugflotte, um damit Premierengäste vierhundert Meter weit zur
       Premierenfeier zu kutschieren. Dass Theater auch etwas Politisches sein
       könnte, störte das Marketing-Modell des Intendanten - der am Ende über das
       hinterlassene Defizit stolperte.
       
       Seit Freys Abgang gibt es am Bremer Theater, interimsweise, ein kollegiales
       Leitungsmodell, das Theater auch stark als politische Veranstaltung sieht.
       Die Solidaritätsaktion vom Dienstag - aber auch das Engagement, mit dem sie
       umgesetzt wurde -, "ist auch Ausdruck des neuen Leitungsmodells", sagt
       Wegner. Früher habe der politische Aspekt des Theaters "im Schatten von
       anderen Dingen" gestanden. Wegner selbst, aufgewachsen in einem
       Pfarrershaushalt bei Dessau, war 21, als 1989 die Mauer fiel. Wie wichtig
       die Öffentlichkeit der Westpresse für die Menschen in der DDR gewesen sei,
       daran erinnere er sich noch gut.
       
       "Menschenrechtsverletzungen sind kein Kavaliersdelikt", sagte zur Eröffnung
       der Mahnwache Bremens Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz und erinnerte an
       die vielen Namenlosen, die - nicht nur in China - politisch verfolgt
       werden. Amnesty International sammelte Unterschriften für Ai Weiwei. "Es
       wäre besser, wenn die deutsche und die europäische Kritik an
       Menschenrechtsverletzungen nicht immer so verdruckst ausfiele", sagte die
       Grünen-Europaabgeordnete Helga Trüpel - mit Verweis auch auf den jüngsten
       China-Besuch des Bundesaußenministers.
       
       12 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Klaus Wolschner
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA