# taz.de -- Debatte Finanzkrise Portugal: Portugal darf nicht fallen
       
       > Die Staatsverschuldung reißt immer mehr Länder in den Abgrund. Deshalb
       > gehören die großen Ratingagenturen jetzt vor ein Gericht gestellt.
       
       Je stärker sich die Finanzkrise zuspitzt und Länder wie Spanien,
       Griechenland oder Portugal in Bedrängnis kommen, umso deutlicher wird, dass
       die Verantwortlichen ebendieser Krise an ihr verdienen wie sonst niemand.
       Keiner traut sich, dem Einhalt zu gebieten. Es gibt keinerlei Kontrollen
       oder gar Sanktionen gegen die Urheber der Krise.
       
       Gleichzeitig leiden die einfachen Leute sowie kleine und mittelständische
       Unternehmen unter immer härteren Sparprogrammen. Deshalb haben wir -
       verschiedene spanische Juristen, Verbraucherschutzorganisationen mit
       Unterstützung einiger Parteien - beschlossen, die Ratingagenturen vor
       Gericht zu bringen.
       
       Es geht uns darum, einen Putschversuch - einen "Marktstreich" - abzuwehren.
       Wenn das nicht gelingt, droht die Krise die zerbrechlichen demokratischen
       Grundlagen unserer Gesellschaften zu zerstören.
       
       Um zu verstehen, wie die großen Ratingagenturen (Fitch, Standard & Poors
       und Moodys) funktionieren und wie sie die Preise auf den Finanzmärkten
       beeinflussen, indem sie ihre Informationen missbrauchen und dabei sich
       selbst und andere bereichern, lohnt es sich, zwei Momentaufnahmen der Krise
       etwas genauer anzuschauen.
       
       ## Spekulationsblase in den USA
       
       Gehen wir zuerst einmal zurück ins Jahr 2001. Es war die Zeit des Baubooms
       in Ländern wie den USA, Großbritannien oder Spanien. Die Aufgabe der
       Ratingagenturen bestand darin, gegen entsprechende Bezahlung allerlei
       Finanzprodukte aufzuwerten. Viele dieser Anlagemöglichkeiten waren völlig
       unsichere Risikohypotheken - sogenannte Subprime-Kredite - und allerlei
       hochspekulative Produkte. In dieser Zeit verdoppelten Agenturen wie Moodys
       ihre Einnahmen. Ihr Börsenwert verdreifachte sich im Zeitraum von 2002 bis
       2006 sogar. Die Folge war eine Spekulationsblase in der Immobilienbranche.
       Als diese schließlich platzte, saßen tausende Familien mit einem Schlag auf
       der Straße.
       
       In den USA wurden deshalb Ermittlungen in mehreren Bundesstaaten
       aufgenommen; auch der Senat und die Börsenaufsicht leiteten Untersuchungen
       ein. Den Ratingagenturen wird vorgeworfen, mit nicht nachvollziehbaren
       Kriterien gearbeitet zu haben. Das Ergebnis waren falsche Informationen,
       die veröffentlicht wurden, um die eigenen Kunden, die von ebendiesen
       Agenturen beraten worden waren, zu übervorteilen. Doch dank ihrer
       wirtschaftlichen und politischen Macht und ihrem Einfluss auf die Medien
       gelang es den Agenturen, diese Untersuchungen bisher ins Leere laufen zu
       lassen.
       
       In Europa kam es nicht einmal so weit - schlimmer noch: Im Fall Spaniens
       übernahm der Staat die Schulden der Banken und Sparkassen. Im Gegenzug
       gingen die Geldinstitute keinerlei Verpflichtungen ein und wurden nicht für
       die schwere Krise auf dem Wohnungsmarkt zur Verantwortung gezogen, für die
       sie mitverantwortlich sind. Doch damit nicht genug. Um die Privatwirtschaft
       zu retten und gleichzeitig liquide zu bleiben, sahen sich viele Regierungen
       von Ländern an der Peripherie Europas - darunter Spanien - gezwungen,
       zusätzliche Staatsanleihen zu verkaufen. Genau in diesem Moment treten die
       Ratingagenturen erneut auf den Plan.
       
       ## Wie die Agenturen arbeiten
       
       Bestand ihr Geschäft vor der Krise darin, dubiose Anlageprodukte
       überzubewerten, widmeten sie sich ab 2010 der ständigen Abwertung der
       Kreditwürdigkeit von Regierungen und öffentlichen Einrichtungen. Diese
       sahen sich dadurch gezwungen, den Kreditgebern immer mehr Zugeständnisse zu
       machen. Der Optimismus der Agenturen in den Jahren des Booms ermöglichte
       den Kreditgebern gewaltige Gewinne auf Kosten sozialer Rechte wie dem Recht
       auf Wohnung. Der derzeitige Pessimismus führt zum Kahlschlag aller
       verbleibenden sozialen Errungenschaften.
       
       Die großen Agenturen messen die Kreditwürdigkeit eines Landes fast
       ausschließlich daran, welche Vorteile es den Kreditgebern einräumen kann
       und will und bis zu welchem Punkt die Regierung bereit ist, Sozialausgaben
       zusammenzukürzen. Je bereitwilliger eine Regierung etwa die Renten
       einfriert oder den Arbeitsmarkt "flexibilisiert", umso glaubwürdiger ist
       sie in den Augen der Ratingagenturen.
       
       Die Benotungen der Agenturen sind alles andere als objektiv. Konservative
       Regierung werden anders bewertet als eine Regierung, die Skrupel hat, wenn
       es um Sozialabbau geht. Die Kreditwürdigkeit von Ländern wie Griechenland,
       Spanien oder zuletzt Portugal wurde ebenso unnachgiebig herabgestuft wie
       die von Ländern in Lateinamerika oder Asien. Gleichzeitig werden die USA
       oder Frankreich viel großzügiger behandelt. Dies ist kein Zufall. Agenturen
       wie Moodys, Fitch oder Standard & Poors gehören dort zum politischen und
       wirtschaftlichen Machtgefüge und üben einen starken Einfluss aus. Sie
       werden nur schwerlich etwas tun, was genau diese Länder in Bedrängnis
       bringt.
       
       ## Worum es uns dabei geht
       
       Das Drama dieser Tage ist, dass die Regierungen, die den Angriffen der
       Spekulanten am meisten ausgesetzt sind, keinerlei Autorität besitzen, um
       diese Attacken zu bekämpfen. Zu lange haben sie mit den Verantwortlichen
       dieser Politik harmonisch zusammengelebt. Aus diesem Grund haben wir uns
       als Bürgerinitiative zusammengetan, um die Ratingagenturen vor Gericht zu
       bringen. Wir wollen verhindern, dass eine Oligarchie, die bereit ist, für
       ihre eigenen politischen und wirtschaftlichen Vorteile die Rechte eines
       Großteils der Bevölkerung zu opfern, straffrei ausgeht.
       
       Zu ihrer Verteidigung behaupten die Agenturen jetzt, ihre Bewertungen seien
       nur eine subjektive Meinung und kein verbindliches wirtschaftliches
       Gutachten. Die Richter werden diese Frage nun klären müssen.
       
       "Das hier ist Klassenkampf, und meine Klasse, die der Reichen, gewinnt",
       gibt der Multimillionär Warren Buffet, ein Hauptanteilseigner von Moodys,
       ohne Umschweife zu. Vermutlich hat er recht. Doch wir werden alles tun, um
       es ihm so schwer wie möglich zu machen, indem wir dafür sorgen, dass er
       zumindest dieses Mal für seine kriminellen Machenschaften öffentlich Rede
       und Antwort stehen muss.
       
       Übersetzung: Reiner Wandler
       
       13 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gonzalo Boye
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA