# taz.de -- Ex-IWF-Chefökonom über Bankenkrisen: "Ackermann ist gefährlich"
       
       > Die nächste Krise kommt, sagt Ex-IWF-Chefökonom Simon Johnson - und warnt
       > vor dem Chef der Deutschen Bank. Der setze auf hohe Renditen, weil er
       > weiss, dass der Steuerzahler notfalls haften wird.
       
 (IMG) Bild: Die Banken gehen noch immer waghalsige Risiken ein, indem sie enorme Kredite aufnehmen, denen kaum Eigenkapital entgegensteht.
       
       taz: Herr Johnson, die Deutsche Bank erwartet 2011 einen Rekordgewinn von
       10 Milliarden Euro. Ist die Finanzkrise vorbei? 
       
       Simon Johnson: Der deutsche Finanzsektor ist sehr problematisch, und die
       Deutsche Bank ist besonders gefährdet, sich selbst in die Luft zu jagen.
       Ihr Chef Josef Ackermann ist einer der gefährlichsten Bankmanager der Welt,
       weil er darauf besteht, eine Eigenkapitalrendite von 20 bis 25 Prozent zu
       erzielen. Ein so hoher Gewinn ist nur möglich, weil er genau weiß, dass die
       Deutsche Bank ein Systemrisiko darstellt und daher von den Steuerzahlern
       gerettet würde, falls ein Konkurs droht. Also wird auf Gewinn spekuliert -
       was dann auch die Boni der Manager maximiert.
       
       Ackermann will die neuen Eigenkapitalrichtlinien des Bankenabkommens Basel
       III schon 2013 erfüllen. Deswegen wird die Deutsche Bank Aktien für 18
       Milliarden Euro ausgeben. 
       
       Basel III bringt überhaupt nichts. Es verlangt von den Banken weniger
       Eigenkapital, als Lehman Brothers am Tag vor seiner Pleite hatte! Wenn das
       Finanzsystem sicher sein soll, muss das Eigenkapital bei 20 bis 45 Prozent
       der Bilanzsumme liegen. Momentan kommt die Deutsche Bank nur auf 4 Prozent.
       Ackermann ist auch deshalb so gefährlich, weil er der Präsident des
       Institute of International Finance in Washington ist, dem Epizentrum des
       internationalen Banklobbyismus. Dieses Institut kämpft mit allen Mitteln
       gegen höhere Eigenkapitalrichtlinien.
       
       Eigenkapital in Höhe von 45 Prozent hatten die Banken zuletzt im 19.
       Jahrhundert. Schon 20 Prozent würden bedeuten, dass die deutschen Banken
       Billionen von Euro auftreiben müssten, wenn sie weiter Darlehen vergeben
       wollen. Wären da nicht das Kreditgeschäft und in der Folge viele Jobs in
       normalen Firmen in Gefahr? 
       
       Dieses Schauerszenario entwerfen die Banken immer wieder gern, um die
       Aufsicht zu verunsichern. Aber die Schweiz hat sich längst dafür
       entschieden, dass die Banken künftig ein Eigenkapital von 19 Prozent
       benötigen, und auch die Briten diskutieren ein Niveau von 20 Prozent. Beide
       Länder verstehen, dass Institute wie die Deutsche Bank hochgefährlich sind,
       deren Bilanzsumme fast an das Bruttoinlandsprodukt heranreicht. Solche
       Banken sind nicht nur zu groß, um sie pleitegehen zu lassen - sie sind auch
       zu groß, als dass man sie retten könnte.
       
       Auch in den USA scheinen die Megabanken die Lobby-Schlacht gewonnen zu
       haben. Die US-Notenbank FED erlaubt den Instituten, höhere Dividenden zu
       zahlen und Aktien zurückzukaufen. Damit senken sie ihr Eigenkapital sogar! 
       
       Die Regulierung der Fed ist völlig unbefriedigend. Aber die Debatte geht
       weiter. Nehmen Sie nur die Einzelhändler in den USA: In landesweiten
       Anzeigen attackieren sie jetzt die Banken wegen der Kreditkartengebühren.
       Und auch andere Industriezweige werden bemerken, dass es ihnen schadet,
       wenn die Banken zu mächtig sind. Denn die Banken usurpieren große Teile der
       Profite: 2010 hat der Finanzsektor in den USA 30 Prozent aller
       Firmengewinne für sich vereinnahmt -obwohl er weniger als 10 Prozent zur
       Wertschöpfung in der Wirtschaft beiträgt.
       
       Auch in Deutschland werden Firmenchefs zu Wutbürgern, wenn sie an die
       Gewinnmaximierung und die Verdienstmöglichkeiten bei den Banken denken.
       Geändert hat sich bisher nichts. 
       
       Als ehemaliger Beamter kann ich Ihnen versichern, dass Regierungen
       irgendwann reagieren, wenn sie allzu sehr von den Einschätzungen der
       Experten abweichen. Dieser akademische Konsens wird selbst die Wall Street
       erreichen: Investmentbanker werden schließlich an Universitäten ausgebildet
       und von den Universitäten intellektuell unterstützt.
       
       Aber zählt wirklich das bessere Argument? In den USA hat der
       Präsidentschaftswahlkampf 2012 begonnen, und der Finanzsektor wird
       Millionen an einflussreiche Politiker spenden. 
       
       Stimmt, die Banken spenden mehr als jede andere Branche. Allein zwischen
       1998 und 2008 hat der Finanzsektor in den USA 1,7 Milliarden Dollar in die
       Wahlkämpfe investiert und weitere 3,4 Milliarden für Lobbyarbeit
       ausgegeben. Doch trotz dieser enormen Summen bestand der eigentliche
       Lobbysieg darin, dass die Banken die herrschende Ideologie prägen konnten.
       Auch die Aufseher glaubten: Große Wirtschaftsnationen benötigen große
       Banken, die nicht zu sehr reguliert werden dürfen, damit sie sich
       international durchsetzen können. Da war gar keine Verschwörung mehr nötig.
       Doch genau diese ideologische Vorherrschaft ist nun erschüttert.
       
       Der Kampf der Banklobbyisten konzentriert sich jetzt auf den sehr
       profitablen Handel mit Derivaten, abgeleiteten Finanzprodukten, die die
       Finanzkrise zumindest beschleunigt hatten. Weltweit hat er schon wieder ein
       Volumen von 600 Billionen Dollar. Nach der neuen US-Regulierung sollen
       Derivate weiterhin außerbörslich gehandelt werden dürfen, wo die
       Transaktionen kaum transparent sind. Bedingung: Der Endkunde ist eine
       normale Firma und keine Bank. Ist das ein Modell für die EU? Bei vielen
       Politikern ist es populär. 
       
       Diese Unterscheidung zwischen Banken und angeblichen Nichtbanken ist sehr
       gefährlich. Energiekonzerne treten schon jetzt als Derivatehändler auf.
       Wenn künftig alle nichtfinanziellen Unternehmen von der Regulierung
       ausgenommen sind, dann würden diese Firmen anfangen, die bisherige Rolle
       der Banken zu übernehmen und massiv mit Derivaten zu spekulieren. Die
       nächste Krise würde dann nicht von Banken ausgehen, sondern von den
       Nichtbanken.
       
       Sollte man einige Derivate und Wertpapiere einfach ganz verbieten - etwa
       Schachtelverbriefungen wie CDOs, also Kreditausfallversicherungen? 
       
       Das ist eine interessante Idee. Aber am wichtigsten ist, alle Derivate
       transparent über eine Börse abzuwickeln. Undurchsichtige Märkte und
       komplexe Produkte sind nur dazu da, um jemanden hereinzulegen - entweder
       den Kunden oder die Aufsicht.
       
       Das Derivategeschäft ist hoch konzentriert. 2010 kontrollierten nur fünf
       Banken 96 Prozent des US-Markts. Was bringen da Börsen? Die fünf Banken
       würden doch weiterhin nur miteinander handeln. 
       
       Jetzt sind wir wieder beim Anfang: Auch beim Handel mit Derivaten geht es
       vor allem um das Eigenkapital, das von den Banken hinterlegt werden muss,
       um Verluste abzufedern. Dieser Kampf muss gewonnen werden.
       
       Die letzte Krise war eine Immobilienblase. Was kommt nun? 
       
       Ich weiß nicht, was für eine Krise kommt - nur, dass sie kommt. Die Banken
       gehen noch immer waghalsige Risiken ein, indem sie enorme Kredite
       aufnehmen, denen kaum Eigenkapital entgegensteht. Geht die Wette auf,
       kassieren einige Investmentbanker riesige Profite. Platzt die Wette, wird
       die Rechnung von den Steuerzahlern übernommen. Dies ist das klassische
       Rezept für eine neue Krise.
       
       13 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrike Herrmann
       
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