# taz.de -- Zukunft der "Frankfurter Rundschau": Last exit Berlin
       
       > Bis zum Sommer läuft die Galgenfrist: Danach kommt die "Frankfurter
       > Rundschau" bis aufs Regionale aus Berlin. Und die Redakteure wissen, wer
       > von ihnen überlebt hat.
       
 (IMG) Bild: Kein Erfolg bei den Protesten: Die Frankfurter Rundschau zieht (zumindest teilweise) nach Berlin.
       
       FRANKFURT AM MAIN taz | Nein, beharrt die Dame am FR-Empfang, natürlich
       bleibe die Frankfurter Rundschau in Frankfurt. Alles andere sei "eine
       völlige Fehlinformation von der Redaktion", sagt sie und klingt dabei schon
       etwas unwirsch. "Teile der Redaktion gehen nach Berlin, das ist aber schon
       alles."
       
       Das ist nun wieder gewaltig untertrieben, aber was soll man auch sagen da
       am Counter im ehemaligen Straßenbahndepot in Frankfurts Apfelweinstatdteil
       Sachsenhausen. Hier hat die FR Anfang 2009 ihr neues - und wie manche
       meinen: letztes - Quartier bezogen. Auf vielen Quadratmetern verlieren sich
       Glaskästen, die das Sortiment des FR-Shops feilbieten. Ostervorfreude ist
       angesagt, es gibt ein "Schnarchendes Schaf" als Stofftier, bunte
       Gartenschäufelchen und eine Vogelstimmen-CD.
       
       Doch die Idylle trügt, und zur Redaktion, ins Herz der Zeitung, geht es
       durch eine kleine, ganz unspektakuläre Tür in der Mitte. Bald, spätestens
       nach dem Sommer, wird man durchs noch unwirtlichere Foyer des Berliner
       Verlags laufen müssen, um zu weiten Teilen der Frankfurter Rundschau zu
       gelangen. Dann wird die unabhängige Tageszeitung, die in ihrer Satzung
       etwas von linksliberal und überregional stehen hat, bis auf die
       Regionalteile in der Hauptstadt gemacht. Von der Redaktion der Berliner
       Zeitung, die dazu um etwa 20 RedakteurInnen aus Frankfurt aufgestockt
       werden soll. So will man der FR auch an der Spree noch ein bisschen
       Main-Flair verleihen.
       
       Doch soweit ist es noch nicht, am Donnerstag wird erstmal wieder
       verhandelt, ab zehn Uhr sitzen Betriebsrat, Gewerkschaften und
       Geschäftsführung zusammen. "Open end" soll geredet werden, mit einer
       dreistündigen Pause über Mittag, damit sich die Arbeitnehmervertreter in
       die Redaktion rückkoppeln können.
       
       ## 44 Stellen werden gestrichen - von 125
       
       "Open end" ist auch das Schicksal der Frankfurter Rundschau, die Zahlen
       liegen auf dem Tisch und verheißen nichts Gutes: 44 Stellen werden in der
       Redaktion effektiv gestrichen, von rund 125 insgesamt, wie der Deutsche
       Journalistenverband (DJV) gerechnet hat. Der Verlag kommuniziert lieber 190
       Stellen, die insgesamt für die FR redaktionell zuständig sind, dann sieht
       das Verhältnis nicht ganz so grauslich aus.
       
       Gekündigt werden sollen aber gleich knapp 90 Mitarbeiter, die Hälfte kann
       sich Hoffnung auf Weiterbeschäftigung machen - in Berlin, im Regionalen
       oder im Online-Bereich, der in Frankfurt bleiben und künftig auch das
       Netz-Angebot für die Berliner Zeitung liefern soll. Alles natürlich schön
       aufgespalten in jeweils eigene Unterfirmen, mosern die Gewerkschaften.
       Nachdem die MitarbeiterInnen des früher immer so tariftreuen Hauses jetzt
       über Jahre auf Weihnachts- und Urlaubsgeld verzichtet und Sparrunde um
       Sparrunde über sich haben ergehen lassen, fordern die FR-Gesellschafter die
       Zerschlagung.
       
       Nur die Frankfurter Stadtredaktion, deren lokale Berichterstattung auch
       nach Zahlen noch vor der örtlichen Konkurrenz von FAZ und Frankfurter Neuen
       Presse führend ist, kommt wohl ungeschoren davon. Sie bleibt beim Druck-
       und Verlagshaus Frankfurt am Main (DUV) angestellt, bei dem seit August
       1945 die FR erscheint. Dass in den Neugesellschaften für die übrigen
       Regionalteile, Online, den künftigen Berliner FR-Sprengel, usw. nicht mehr
       der alte Tarif gezahlt wird, gilt als ausgemacht. Die Berliner Zeitung, die
       wie die FR dem Kölner Medienhaus DuMont gehört, ist schon lange aus dem
       Flächentarif für Redakteure an Tageszeitungen geflohen.
       
       ## Werbekunde Aldi weggebrochen
       
       Für die Gewerkschaften ist das die harte Nuss, doch beim Vorzeigen der
       Folterwerkzeuge am 30. März in Köln hatte auch dieser Hinweis nicht
       gefehlt: Wenn die Konzernführung ihren Rettungsplan für die strukturell
       defizitäre FR nicht um- und durchsetzen könne, zitieren Teilnehmer
       DuMont-Vorstand Franz Sommerfeld, bliebe als Ausweg nur noch die Insolvenz.
       Fünf Millionen Euro wollen DuMont und die mit 40 Anteilsprozenten an der FR
       beteiligte SPD-Presseholding DDVG jährlich einsparen, auf zehn Millionen
       Euro beziffert FR-Geschäftsführer Karl-Heinz Kroke ganz offen das
       strukturelle Defizit des Blattes pro Jahr. Das heißt auch: Noch sind die
       Gesellschafter bereit, Geld nachzuschießen. Noch. Doch wie die Euro-Lücke
       geschlossen werden kann, wenn die FR wie schon 2010 weiterhin nichts vom
       Aufschwung im Anzeigengeschäft mitbekommt, weiß niemand. Und jetzt ist auch
       noch Aldi weg: Der Discounter setzt im Rhein-Main-Gebiet nicht auf Werbung
       in den Tageszeitungen, sondern will mit direkt verteilten Prospekten sein
       Glück versuchen.
       
       Viel wichtiger ist aus Sicht der Redaktion aber die Frage nach dem
       künftigen inhaltlichen Konzept. Die FR hatte im Mai 2007 dem alten, großen
       Format Lebewohl gesagt und war zum handlichen Tabloid geworden. Und das
       verlangt einen ganz anderen redaktionellen Zugang als die klassische, in
       die traditionellen "Bücher" wie Politik, Kultur, Sport & Co. aufgeteilte
       Berliner Zeitung.
       
       Wie man mit den beiden verschiedenen Formaten und damit den beiden
       unterschiedlichen redaktionellen Ansätzen umgehen will, ist derzeit aber
       herzlich unklar. Die Aufgabe obliege der künftig gemeinsamen Chefredaktion
       von FR und Berliner Zeitung, die sich da nun ihre Gedanken mache, heißt es
       im Konzern. Die FR-LeserInnen sind seit Anfang April, als die Pläne
       verkündet worden, auf den Barrikaden: Das Motto, die FR wird zwar in Berlin
       gemacht, aber von Frankfurtern, vermag die wenigsten zu überzeugen. Zumal
       die neue, gemeinsame Chefetage von den Berlinern dominiert wird, und sich
       die noch amtierende FR-Doppelspitze in Schweigen hüllt. Die Tür in die
       Redaktion bleibt zu, ein Treffen möchte FR-Chefredakteur Joachim Frank
       lieber nicht, "da es ja weniger ums Empfangen als ums Senden geht", wie er
       schreibt. Und hinzufügt, dass sich das aber auch wieder ändern kann.
       
       Frank wird künftig Chefkorrespondent für das ganze Hause DuMont, sein Ko
       Rouven Schellenberg bleibt immerhin als Chef übrig und in Frankfurt. Er
       soll in Zukunft den Online-Bereich verantworten. Wieviel Sinn es macht,
       dass dann zwischen Online- und Printredaktion rund 550 Kilometer liegen,
       kann man derzeit aber auch ihn nicht fragen. "Die beiden leiden, was für
       ihre menschlichen Qualitäten spricht", heißt es in der Redaktion.
       
       ## "Bevorzugtes Mittel: Sarkasmus"
       
       Für Achim Wolff, den Geschäftsführer des DJV in Hessen, bleibt das Ganze
       ein "Musterbeispiel an Unübersichtlichkeit", nicht nur wegen der vielen
       Firmentöchter, die es laut geltendem Tarifvertrag eigentlich gar nicht
       geben dürfte.
       
       Und in der Redaktion? Da sei die Gemütslage höchst unterschiedlich, sagt
       einer, der auch betroffen ist. "Bei den einen macht sich die beträchtliche
       Neigung breit, nach einem anderen Arbeitgeber zu suchen". Doch die Leute,
       die sich auf dem enger werdenden Journalismus-Markt behaupten können, sind
       nicht unbedingt die, die gehen sollten, wenn die FR weiterleben soll. "Die
       ganze Nummer ist schon deswegen peinlich, weil der Konzern nicht mal im
       Ansatz ein publizistisches Konzept hat", sagt ein anderer, und dass man
       solche Fragen natürlich auch nicht vorher mit und in der Redaktion
       diskutiert hat. "Mit identischen Inhalten zwei unterschiedliche Formate zu
       machen, ist doch Quatsch", die Wetten laufen längst, wann FR und Berliner
       Zeitung auch größentechnisch eins werden.
       
       Natürlich regt sich in der FR redaktioneller Widerstand - nach zig
       Sparrunden ist er aber ein zartes Pflänzchen und bei vielen auch mit
       Fatalismus gemischt. "Das bevorzugte Mittel der FR-Redakteure ist der
       Sarkasmus", sagt einer ganz trocken-unsarkastisch. DuMont lässt derweil
       diskret durchblicken, dass der Konzern auf öffentlichen Protest so gar
       keine Lust hat. Doch zuviel der Vorfreude auf eine österliche Grabesruhe
       wäre kühn: Im Haus haben sich die Aktiven zusammengetan, damit es am Ende
       nicht nur die Mitarbeiter des Rewe-Ladens nebenan sind, die die
       FR-Redaktion vermissen.
       
       13 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Steffen Grimberg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz.lab 2011 „Die Revolution haben wir uns anders vorgestellt“
       
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