# taz.de -- Kolumne Der Press-Schlag: Klopp und der Arschlochfaktor
       
       > Trainer sind mächtiger denn je, weil sie die Hierarchien im Team
       > flachhalten müssen. Sie haben jedoch neue Wege gefunden, ihre Macht zu
       > demonstrieren.
       
       Verbirgt sich hinter Jürgen Klopps sympathischer Oberfläche ein kalter
       Despot? Das SZ-Magazin glaubt: Ja. Der Trainer von Borussia Dortmund sage
       zwar "Kiste" statt Tor, aber sein Einfühlungsvermögen und seine
       Kumpeligkeit dienten dem Machtausbau. Und wer nicht sozial in dem einzig
       von ihm definierten Sinne spure, der sei ein "Arschloch" und werde daher
       "sofort verkauft". Ergo: Klopp sei der autoritärste Trainer von allen.
       
       Es ist ein naheliegender Gedanke, spätestens seit der New Economy, dass die
       Kultur des Selbstmanagements und einer neuen Freiheit des scheinbar oder
       tatsächlich eingebundenen Mitarbeiters eine zeitgemäße Form der Ausbeutung
       sein kann, damit er länger, schneller, besser und identifizierter schuftet.
       Für die Firma. Nur: Genau das hinzukriegen, darum geht es im Fußball - und
       zwar im Sinne der Spieler.
       
       Der Paradigmenwechsel besteht aber nicht darin, dass die Trainer früher
       alles knallhart bestimmten und die modernen Konzepttrainer heute jeden
       selbstbestimmt arbeiten lassen. Das Neue ist, dass Autorität sich nicht
       mehr allein durch Macht ableitet. Im Gegensatz zu Old-School-Prototyp Felix
       Magath, der mit klassischen Machtdemonstrationen arbeitet (Laufhügel,
       Strafversetzungen usw.) entspringt die Autorität der "neuen" Trainer
       Rangnick, Klopp, Tuchel, Dutt, Stanislawski ihrem Wissen. Sie sind
       Vorgesetzte, die mehr wissen als ihre Mitarbeiter. Daraus beziehen sie
       Glaubwürdigkeit. Die aus den neuen Fußballschulen kommende
       Spielergeneration ist selbst ja auch kompetenter, als es ihre Vorgänger
       waren. Der Trainer entscheidet weiterhin - aber er muss es stets fachlich
       begründen können.
       
       Was das Auftreten angeht, so gibt es in der neuen Trainergeneration
       verschiedene Ausprägungen - von distanziert (Dutt) über pädagogisch
       (Rangnick) bis superfolkloristisch (Stanislawski). Für den Erfolg muss
       jedenfalls neben Wissen und Glaubwürdigkeit noch etwas hinzukommen: eine
       Ausstrahlung, die der fachlichen Arbeit den emotionalen Drive gibt, ohne
       den man nicht Fußball spielen kann. Jedenfalls nicht erfolgreich und
       begeisternd (vgl. Pezzaiuoli in Hoffenheim). In dieser Hinsicht ist Klopp
       zweifellos solitär.
       
       Wer sich im Fußball nicht auskennt, wird seinen Satz "Arschlöcher werden
       verkauft" menschenverachtend finden. Er meint tatsächlich Spieler, die
       nicht Klopps Ding machen, sondern ihr eigenes. Es ist aber keine Drohung.
       Es ist ein Versprechen, das Klopp dem Team gibt. Die kompliziert
       auszubalancierende Gruppe funktionierte ja genau dann nicht mehr, wenn
       Arschlöcher nicht verkauft würden, wenn Klopp sein Versprechen auf
       Gleichbehandlung bräche, das die Grundlage des Erfolgs ist.
       
       Die neue Gerechtigkeit im Fußball vollzieht sich zwischen den Spielern.
       Dafür ist manches Individuum, das man früher "Star" nannte, in seiner
       Freiheit beschnitten. Weil es seiner Verantwortung für die Gruppe dadurch
       gerecht werden muss, dass es läuft und verteidigt wie alle anderen. Im
       Starfußball war der Star mächtig, manchmal mächtiger als der Trainer. Im
       flachen Teamfußball geht es im Team gerechter zu, aber der Trainer ist
       dadurch noch stärker geworden.
       
       Heißt der "Star" Xavi, Iniesta, Messi, Lahm oder Schweinsteiger, so sieht
       er sich nicht als Star, sondern in der Verantwortung für die Gruppe. Das
       klingt jetzt pastoral, aber das ist das Neue im Spitzenfußball. Klopp
       könnte ohne Probleme den FC Barcelona trainieren. Und ginge er zum FC
       Bayern, müsste der Klub sich halt von dem einen oder anderen mit
       Arschlochfaktor trennen - aber hauptsächlich von dem einen.
       
       15 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Unfried
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Borussia Dortmund und die Meisterschaft: Klopps kluge Köpfe
       
       Jeder schaut auf Dortmunds Cheftrainer, aber hinter ihm stehen Fachleute,
       die den Erfolg erst möglich machen: Zeljko "das Gehirn" Buvac oder Peter
       "das Auge" Krawietz.
       
 (DIR) Dortmunds Trainer Jürgen Klopp: Der Überzeugungskünstler
       
       Vor dem Spitzenspiel Bayern – Dortmund: Dortmund-Trainer Jürgen Klopp hat
       Ähnlichkeiten mit Louis van Gaal. Dabei werden die beiden immer als
       gegensätzlich dargestellt.