# taz.de -- Kommentar Grün-Rot im Ländle: Die vorsichtige Revolution
       
       > Das grün-rote Programm widerlegt all die konservativen Kritiker, die den
       > Weltuntergang im Ländle befürchten. Kühle Rationalität soll walten, damit
       > der Politikwechsel nicht scheitert.
       
       Der grün-rote Koalitionsvertrag, den Winfried Kretschmann und Nils Schmid
       am Mittwoch vorgestellt haben, könnte einmal in einer Glasvitrine im Haus
       der Geschichte landen: Mit dem Papier machen die Partner einen Machtwechsel
       perfekt, der jahrzehntelang unvorstellbar schien und der erstmals in der
       Republik einen Grünen zum Ministerpräsidenten machen wird. Inhaltlich
       widerlegt das Programm dabei all die konservativen Kritiker, die den
       Weltuntergang im Ländle befürchteten.
       
       Es ist eine vorsichtige Revolution, die Kretschmann und Schmid planen.
       Grüne und SPD gehen langsam vor, Seriosität strahlt aus jeder Zeile ihres
       Vertrags. Bei der Bildungspolitik verordneten sie nicht eine Großreform von
       oben, das haben sie aus dem Platzen von Schwarz-Grün in Hamburg gelernt.
       Stattdessen können Schulen und Eltern freiwillig entscheiden, ob sie Kinder
       länger gemeinsam lernen lassen wollen. Das Projekt Stuttgart 21 wollen sie
       bauen, wenn es das Volk entscheidet. Kretschmann hat diese Option präzise
       umrissen, obwohl sie für seine Partei eine Horrorvorstellung ist. Grün-Rot
       will die Energiewende engagiert angehen, betont aber den Dialog mit der
       Wirtschaft - selbst einem Atomendlager wollen sich die Grünen nicht
       verschließen. Kühler und rationaler kann man den Umbau kaum betreiben.
       
       Es wäre aber falsch, diese Vorsicht mit Mangel an Ehrgeiz oder mit
       Opportunismus gleichzusetzen. Im Gegenteil: Sie ist vernünftig.
       Radikalreformen würden das Land nach fast 60 Jahren CDU-Herrschaft
       überfordern, das schwarz-grüne Milieu verprellen und vermutlich das
       schnelle Ende der Koalition bedeuten.
       
       Neben der Vorsicht zieht sich noch ein zweites Versprechen durch den
       Vertrag: das der Bürgernähe. Grüne und SPD erklären einen partizipativen
       Politikstil zu ihrem Markenzeichen. Immer wieder betonen sie, den
       BürgerInnen mehr Mitbestimmung ermöglichen zu wollen, Kretschmann will etwa
       auf einer Bürgertour den Koalitionsvertrag erklären. An diesem Versprechen
       werden sich die Koalitionäre messen lassen müssen. Auf dem Papier
       Beteiligung propagieren ist einfach. Viel schwerer ist, Realpolitik gegen
       Initiativen zu machen, die sich gegen Windräder vor ihrer Haustür wehren.
       Ebenso schwer ist es, eine Energiewende mit dem Atomkonzern EnBW umzusetzen
       und Stuttgart 21 weiter zu managen. Die Koalition geht vorsichtig vor. Und
       steht doch vor riesigen Aufgaben.
       
       27 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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