# taz.de -- Deutsch-französischer Kulturaustausch: Schöne Verschiebung
       
       > Auf die Globalisierung der Kunst reagiert ein Programm deutscher
       > Kunstvereine und französischen Centres d'art mit Augenmaß und jungen
       > Künstlern.
       
 (IMG) Bild: Wen kümmert es da, wenn das Bier nicht glamourös schmeckt?
       
       Man kommt zur Tür rein und steht in einer riesigen kalten Halle. Ganz
       hinten in dieser Halle ist eine Bar - eine Bar, die mal in einem Berliner
       Club stand, "Rio" hieß er. Im Rio war es immer viel zu heiß und an seiner
       Tür kam man ganz oft gar nicht vorbei, weil dahinter Berlin-Mitte mit
       amerikanischen Kunststudenten, schicken schwedischen Röhrenjeansträgern und
       technobegeisterten Franzosen seine endgültige Internationalisierung
       feierte.
       
       Mitte der nuller Jahre war das. Jetzt ist natürlich längst alles anders,
       das Rio geschlossen und seine Bar ein Kunstwerk. Zumindest einige ihrer
       Teile hat der Künstler Michael Riedel hier bei Le Confort Moderne, einem
       Centre dart im französischen Poitiers wiederaufgebaut.
       
       Dass sie jetzt dort steht, diese Bar, in einer französischen Kleinstadt auf
       halber Strecke zwischen Paris und dem Atlantik, hat etwas mit
       Internationalisierung zu tun auf offiziellem kulturpolitischen Niveau. Denn
       Riedels Arbeit ist Teil der Ausstellung "Von A nach B, von B nach P/De A à
       B, de B à P" einem gemeinsamen Projekt von Le Confort Moderne und dem
       Bielefelder Kunstverein, das im Rahmen von "thermostat" stattfindet.
       "thermostat" ist ein Kunstaustauschprogramm, das die D.C.A, der Dachverband
       der französischen Centres dart und das Institut français in Berlin
       initiiert und organisiert haben.
       
       ## Jenseits von Paris
       
       Dieses ganze Schachteln von Orten, Rahmen und Bezügen lässt schon erahnen,
       worum es hier geht: natürlich um den globalisierten Kunstbetrieb; aber auch
       darum, mit "thermostat" ein Förderprogramm zu entwickeln, das sich mit ihm
       auf Augenhöhe befindet und versucht, die Zusammenarbeit zweier
       institutionell zwar verschiedenen, aber vergleichbaren nationalen
       Kunst-Strukturen zu intensivieren. Auf der einen Seite die deutschen
       Kunstvereine, Kinder des aufstrebenden Bürgertums des 19. Jahrhunderts und
       im föderalen Deutschland flächendeckend übers Land verteilt, auf der
       anderen Seite die französischen Centres dart, geboren größtenteils aus dem
       gegenkulturellen Geist der 1970er Jahre und durchaus als Reaktion auf den
       Pariser Kulturzentralismus zu verstehen.
       
       Auch wenn die Entstehungsgeschichte beider Institutionen sehr
       unterschiedlich ist, ähneln sie sich doch in Anliegen, Funktion, aber auch
       ihren Problemen. Sie sichern eine Art Kunstgrundversorgung jenseits der
       Metropolen, sie kümmern sich in gesteigerten Maß um Vermittlung, dort wo
       zeitgenössische Kunst nicht direkt zum Alltag gehört, und bieten jungen
       Künstlern eine Chance auf erste institutionelle Ausstellungen. Und beide
       kämpfen gegen die Übermacht der jeweiligen Metropole, die einen immer noch,
       die anderen gerade wieder.
       
       24 Centres dart und Kunstvereine sind an "thermostat" beteiligt. Dass ihre
       Projekte der Gefahr repräsentationspolitischer Vereinnahmung entgehen,
       liegt am Ende wohl einzig daran, dass die offiziellen Stellen sich in
       Zurückhaltung üben. Sie verzichten darauf, sich inhaltlich einzumischen und
       ziehen sich stattdessen auf die Rolle des Impulsgebers und die
       Bereitstellung einer organisatorischen Struktur zurück. Für ein Land wie
       Frankreich, in dem die große Nationalkultur-Geste nach wie vor näher liegt
       als anderswo, ist es schon bemerkenswert, wie hier zwischen Kunst und
       Politik Kunstvereine und Centres dart die federführenden Akteure blieben.
       
       Und damit wieder dahin zurück, wo die Sache dann tatsächlich passiert:
       zurück in die Ausstellungen. Der Bielefelder Kunstverein und Le Confort
       Moderne haben sich zum Beispiel überlegt, zweimal die gleiche Ausstellung
       zu zeigen und nur ein klein wenig an die veränderten Räumlichkeiten
       anzupassen. Riedels Bar stand auch schon genauso in Bielefeld, ebenso fast
       alle anderen Arbeiten, David Balulas hellblauer Fotografenhintergrund etwa.
       Dort war er so in die kleinen und verwinkelten Räume gequetscht, dass er
       knittrige Falten warf. Hier in der riesigen Halle hat er unglaublich viel
       Platz. Die Knitter aber sind geblieben, Spuren eines Raums im anderen.
       Weniger die Kunst verändert sich, als vielmehr ihre Umgebung, die
       Installation, das Publikum und die Erwartungen.
       
       ## Arbeit an der Basis
       
       Im nahegelegenen Saint-Nazaire dagegen setzen das dortige Centre dart Le
       Grand Café und der Kunstverein Wolfsburg mit ihrer Ausstellung
       "Communauté/Gemeinschaft" gleich auf das große politische Konzept. Katerina
       Sedá versucht in ihrer Arbeit "For every dog a different master" (2007) mit
       dem Versand von bunt bedruckten Hemden in einem tristen tschechischen
       Plattenbauviertel die Nachbarschaftsfreundschaft anzukurbeln.
       
       Nebenan kann man mit Raumlaborberlin Bänke für den Stadtraum der kleinen
       Hafenstadt Saint-Nazaire an der Loire-Mündung bauen. Arbeit an der Basis,
       direkt und effektiv.
       
       Am Ende des Tages ist die ganze Sache auf jeden Fall zu begrüßen - die
       Kunst ebenso wie der institutionelle Rahmen, der sie ermöglicht. Dass das
       Bier an der Rio-Bar in Poitiers nicht mehr ganz so glamourös schmeckt wie
       damals in der Berliner Chausseestraße und dass statt Exzess jetzt eher
       Didaktik herrscht, lässt sich da getrost verkraften.
       
       ## "De A à B, de B à P" bei Le Confort Moderne, Poitiers, Frankreich, bis
       8. Mai; Communauté/Gemeinschaft" bei Le Grand Café, Saint-Nazaire, bis 15.
       Mai; "thermostat" bis 30. April
       
       29 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Dominikus Müller
       
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