# taz.de -- Abschiebungen in Deutschland: Pakt mit dem Unrechtsstaat
       
       > Seit 2009 gibt es mit Syrien ein Abkommen über die "Rückführung" von
       > Flüchtlingen. Seitdem die Lage dort gefährlicher wird, denkt die
       > Bundesregierung teilweise um.
       
 (IMG) Bild: Abschiebepraxis ausgesetzt: Syrische Flüchtlinge bei ihrer Ankunft am Flughafen Hannover.
       
       BERLIN taz | Für Mho Bahram ging es noch einmal glimpflich aus. Ende März
       saß der 37-jährige Syrer schon in Abschiebehaft, selbst sein Flug stand
       bereits fest: Am 31. März sollte es mit der Maschine um 7:10 Uhr von
       München über Wien in die syrische Hauptstadt Damaskus gehen. Doch die
       Abschiebung wurde ausgesetzt, weil sein Fall vor dem Petitionsausschuss des
       bayerischen Landtags landete und sich außerdem nun das Verwaltungsgericht
       Regensburg damit beschäftigt. Bahram konnte vorerst in seinen Heimatort
       Landshut zurückkehren.
       
       Dass Mho Bahram einer Abschiebung in den autoritär regierten Staat
       überhaupt so nahe kam, liegt an einem Rückübernahmeabkommen, das seit 2009
       zwischen Syrien und Deutschland gilt. Dabei gehört Bahram der kurdischen
       Minderheit sowie der Glaubensgemeinschaft der Yeziden an - beide Gruppen
       werden in Syrien massiv unterdrückt und systematisch in ihren
       Menschenrechten verletzt.
       
       Außerdem lebt Bahram bereits seit 1999 in Deutschland, nach der Ablehnung
       seines Asylantrags mit einer Duldung. Syrer, die sich länger im Ausland
       aufgehalten haben, werden von der Regierung in Damaskus automatisch als
       Regimegegner eingestuft. Immer wieder landen deshalb aus Deutschland
       Abgeschobene nach ihrer Rückkehr in syrischer Haft.
       
       Seit sechs Wochen hat sich die Situation im Land noch einmal verschärft.
       Seitdem gibt es Massenproteste gegen das autoritäre Regime von Staatschef
       Baschar al-Assad, die brutal und rücksichtslos niedergeschlagen werden.
       Nach Angaben von syrischen Menschenrechtlern sind bei den Protesten bislang
       mehr als 500 Menschen ums Leben gekommen.
       
       ## Trendwende in Abschiebepraxis
       
       Die Bundesregierung drängt auf Sanktionen gegen das syrische Regime. Und
       sie sorgt sich um ihre Staatsbürger. Das Auswärtige Amt rät derzeit
       "dringend von Reisen nach Syrien ab". Deutschen in Syrien wird "dringend
       die sofortige Ausreise empfohlen". Doch an Abschiebungen in den
       Unrechtsstaat hielten sowohl Bundesregierung als auch die Länder fest.
       
       Erst jetzt kündigt sich eine Wende an: Am Donnerstag informierte das
       Bundesinnenministerium die Innenminister der Länder, dass Abschiebungen
       nach Syrien vorübergehend ausgesetzt seien. "Vor dem Hintergrund der
       aktuellen Lageentwicklung" sehe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
       vorläufig davon ab, "Asylentscheidungen zum Herkunftsland Syrien zu
       treffen", heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt. Es erscheine
       "aus hiesiger Sicht ratsam, vorläufig bis zur Klärung der Verhältnisse in
       Syrien tatsächlich keine Abschiebungen vorzunehmen".
       
       Nicht ausgesetzt ist damit aber das Rückübernahmeabkommen. Denn das
       beschränke sich nur auf verfahrensmäßige Regelungen, sagte ein Sprecher des
       Innenministeriums. Weder verpflichte es zur Durchführung von Abschiebungen,
       noch verhindere es, "Abschiebungen in Gefährdungssituationen auszusetzen",
       so der Sprecher.
       
       "Es ist mehr als unverschämt, dass das Abkommen in Kraft bleibt",
       kritisiert Karim Al Wasiti vom Niedersächsischen Flüchtlingsrat. Auf
       Grundlage des Abkommens sind trotz der temporären Aussetzung weiter viele
       Flüchtlinge von einer "Rückführung" bedroht. Allein zwischen Januar und
       März wurden 19 syrische Staatsangehörige aus Deutschland abgeschoben.
       
       29 Apr 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Niklas Wirminghaus
       
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