# taz.de -- Filmzensur in Schweden: Die gewaltige Ironie dieses Beschlusses
       
       > Schwedens Filmzensur wurde nach 100 Jahren abgeschafft. Doch im Fernsehen
       > wird ein Film zensiert, der über die Zensurbehörde berichtet.
       
 (IMG) Bild: Zu aufreizend für das Schwedische Fernsehen: Die Duschszene aus dem Film "Psycho".
       
       STOCKHOLM taz | 99 Jahre und zwei Monate. So lange überlebte die
       schwedische Filmzensur, bevor sie zum 1. Januar 2011 endgültig auf dem
       Müllhaufen der Kulturgeschichte landete. Um das Wirken dieser weltweit
       ältesten Filmzensur ging es in "Censuren - en thriller" ("Die Zensur - ein
       Thriller"), einer Dokumentation des schwedischen Produzenten Peter Normark,
       die am Donnerstag vergangener Woche in Schwedens öffentlich-rechtlichem
       Fernsehen SVT ausgestrahlt wurde.
       
       "Die Zeit der Zensur ist vorbei", lautet der Untertitel der Doku - doch
       damit hatte Normark sich gründlich getäuscht. Denn wer die Ausstrahlung im
       Fernsehen verpasste und darauf vertraute, diese wie alle derartigen
       Sendungen später auf der SVT-Website ansehen zu können, schaute in die
       Röhre. Wegen seines für Kinder und Jugendliche nicht geeigneten Inhalts
       habe man sich entschlossen, das fragliche Kulturmagazin ausnahmsweise nicht
       online zu stellen, teilte SVT-Kulturchefin Eva Beckman mit: "Wobei ich von
       vornherein klarstellen will, dass ich die gewaltige Ironie, die in diesem
       Beschluss liegt, durchaus sehe."
       
       Die Zensur eines Films über das Ende der Zensur: Peter Normark findet das
       nicht nur ironisch. Früher sei es ja wenigstens nur der Staat gewesen, der
       zensiert habe: "Aber jetzt zensieren Websites, Medienunternehmen und
       Kulturinstitutionen ihr Angebot gleich vorbeugend - und das auch noch ganz
       willkürlich." Die Entscheidungen der Filmzensur habe man zumindest vor
       Gericht anfechten können - bei den Entscheidungen der TV-Oberen könne man
       dies nicht.
       
       Wie lebendig die schwedische Zensur immer noch ist, demonstriert sie
       derzeit bei verschiedenen Hiphop-Künstlern. Gleich zwei Auftritte der
       Gruppe Labyrint wurden jetzt von den Behörden abgesagt. Die lokale Polizei
       in Växjö hatte im Internet gesurft, dabei Songtexte der Gruppe gefunden und
       war nach eigener Analyse zu dem Ergebnis gekommen, diese verherrlichten
       Drogen. Einer "Empfehlung" an den Arrangeur, das Konzert einzustellen,
       folgte dieser auch prompt. "Welches Bild darf man malen?", war die
       berechtigte Frage, die Aki von Labyrint daraufhin stellte - ohne eine
       Antwort zu erhalten.
       
       ## Auftritt eines Rappers abgesagt
       
       Ist die Widerspiegelung eines auch von Drogen geprägten Alltags
       drogenverherrlichende Propaganda durch diese Hiphopkünstler? "Ich glaube,
       man setzt am falschen Ende an, wenn man Musiker beschuldigt,
       gesellschaftliche Probleme zu schaffen", sagt der Rapper Carlito. Auch ihm
       wurde kürzlich in Stockholm ein Auftritt abgesagt. Und seit wann ist die
       Polizei dafür qualifiziert, künstlerischen Ausdruck zu analysieren und zu
       beurteilen?
       
       Schwedens staatliche Filmzensur wurde übrigens eingeführt, um
       Rechtssicherheit zu schaffen. Sie urteilte dann zentral, dass zarten
       schwedischen Gemütern beispielsweise weder Hitchcocks klassische Duschszene
       in "Psycho" zuzumuten sei, noch wenn ein Kevin Kline in "Ein Fisch namens
       Wanda" Michael Palin Pommes frites in die Nase steckt und dessen Goldfische
       verspeist. Oder ein gezeichneter Donald Duck in einem außer Kontrolle
       geratenen Wohnwagen einen Berg hinunterrast und beinahe mit einem Zug
       zusammenstößt.
       
       Vorher hatte der örtliche Polizeibeamte zu entscheiden gehabt, was in
       seinem Revier gezeigt werden durfte und was nicht. Im südschwedischen
       Kalmar wurden so beispielsweise jahrelang alle Filmszenen verboten, in
       denen Porzellan zu Bruch ging. Um die Jugend nicht etwa zu animieren, mit
       Tellern und Tassen zu werfen.
       
       100 Jahre später entscheidet Schwedens lokale Polizei nach eigenem
       Gutdünken über die Gesellschaftsverträglichkeit von Songtexten. Vielleicht
       ist es ja höchste Zeit für eine staatliche Hiphop-Zensurbehörde.
       
       2 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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