# taz.de -- Anschläge im Irak: Der Schatten der al-Qaida bombt weiter
       
       > Ihre Hoch-Zeit hat die irakische al-Qaida hinter sich. Nun hat sie Rache
       > für den Tod Osama bin Ladens geschworen. Und verübt in regelmäßigen
       > Abständen Anschläge.
       
 (IMG) Bild: Tote, Autowracks, zerstörte Gebäude: Bombenanschlag in Bagdad am 4. Mai 2011.
       
       BAGDAD taz | Mittwochvormittag im Irak. In Kerbala fordern zwei Anschläge
       drei Tote, in Kirkuk werden drei Verkehrspolizisten verletzt, als unter
       ihrem Wagen ein Sprengsatz explodiert, in Bagdad erschießen Unbekannte
       einen Polizisten und einen Ministerialbeamten, Militante greifen eine
       amerikanische Basis und ein Polizeihauptquartier, in dem auch US-Soldaten
       stationiert sind, mit Mörsergranaten an. Am Abend zuvor kommen in einem
       schiitischen Quartier in Bagdad neun Personen ums Leben, als vor dem
       Teehaus, in dem sie sich das Halbfinale der Champions League zwischen dem
       FC Barcelona und Real Madrid anschauten, eine Autobombe explodiert.
       
       Die irakische al-Qaida hat Rache für den Tod von Osama bin Laden
       geschworen. Dass die Anschläge eine direkte Reaktion auf den Verlust des
       Terrorpaten sind, ist fraglich. Die Orte und die Zahl der Opfer sind
       verschieden, aber im Irak vergeht kaum ein Tag, ohne dass es
       Bombenanschläge und politisch motivierte Morde gibt. Auch am Donnerstag
       sind bei einem Selbstmordanschlag auf ein irakisches Polizeirevier in
       Hillah, südlich von Bagdad, mindestens 13 menschen getötet worden. Erneut
       bekannte sich niemand zu der Tat.
       
       Die Sicherheitskräfte befürchten eine Zunahme der Gewalt. Zellen von
       al-Qaida könnten Selbstmordanschläge und andere Verbrechen verüben, sagte
       der Generalmajor Kassem Atta, Sprecher des Operationsstabs in Bagdad. In
       der gesamten Hauptstadt wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft, noch
       mehr Polizisten und Soldaten patrouillieren in den Straßen.
       
       Politiker aller Fraktionen haben über ihre ethnischen und konfessionellen
       Gräben hinweg die Nachricht vom Tod bin Ladens begrüßt. Staatspräsident
       Dschalal Talabani, ein Kurde, gratulierte seinem amerikanischen
       Amtskollegen Barack Obama und erklärte, dass die Welt damit das größte
       Symbol des Bösen und des Hasses auf die Menschheit losgeworden sei.
       Zugleich bekräftigte Talabani, dass die Iraker ein Verbündeter im Kampf
       gegen den Terror seien. Der schiitische Abgeordnete Aziz Egali sprach von
       einem glücklichen Tag für den Irak. Mit dem Tod von bin Laden ende ein
       dunkles Kapitel, sagte Parlamentspräsident Osama Nujeifi, ein Sunnit. Er
       hoffe, dass dies der Anfang vom Ende jeglicher Form des Extremismus sei und
       der Konfessionalismus überwunden werde.
       
       ## Spiegelbild Syrien
       
       Die Genugtuung der Iraker ist verständlich. In keinem Land der Welt hat der
       Terrorismus in den letzten Jahren so viele Todesopfer gefordert wie
       zwischen Euphrat und Tigris. Im Irak zeigt sich freilich auch, wie
       schwierig der Weg zum definitiven Sieg über die Extremisten ist. Mit Sorge
       blicken zurzeit viele auf Syrien und Jemen, aber auch nach Bahrain. Denn in
       allen drei Ländern wird das Bestreben der vornehmlich jungen Bürger von dem
       konfessionellen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten überschattet, der
       im Irak der al-Qaida erst zum Aufstieg verhalf. Syrien ist dabei ein
       Spiegelbild des Irak mit umgekehrten Vorzeichen.
       
       Dort herrscht die Minderheit der Alawiten, die wiederum eine Minderheit
       innerhalb der Schiiten bilden, über eine sunnitische Mehrheit; im Irak war
       es das sunnitische Saddam-Regime, das die Schiiten unterdrückte. Und wie im
       Irak leben in Syrien viele Kurden sowie Christen und andere Minderheiten.
       Viele Iraker wollen den Sturz des Assad-Regimes in Syrien. Zugleich
       befürchten sie aber, dass dieser zu einem erneuten Aufflammen des Konflikts
       zwischen Schiiten und Sunniten im eigenen Land führen und dass ein
       Regimewechsel der al-Qaida neuen Atem verschaffen könnte.
       
       Die Demonstranten in Syrien beschwören derzeit die nationale Einheit und
       wollen die konfessionelle Spaltung überwinden. Aber im Irak weiß man nur zu
       gut, wie wenig solche Beteuerungen wert sein können. Auch sie hatten die
       Brüderlichkeit beschworen, als die perfide Saat des irakischen
       Al-Qaida-Chefs, Abu Mussab al-Sarkawi, längst aufgegangen war.
       
       In einem Kommuniqué, das später den Amerikanern in die Hände fiel, hatte
       der aus Jordanien stammende Terrorist den Plan zu einem Bürgerkrieg
       ausgearbeitet. Mit Anschlägen auf Schiiten wollte er den Zusammenbruch des
       Staats herbeiführen, um dann auf dessen Trümmern einen islamischen Staat zu
       errichten. Der Plan war innerhalb der Al-Qaida-Führung umstritten. Das
       sinnlose Morden von schiitischen Zivilisten schade dem Ansehen von
       al-Qaida, kritisierte Aiman Sawahiri, der Stellvertreter von bin Laden.
       
       Es war freilich nur eine taktische Stellungnahme, denn es änderte nichts an
       der Dämonisierung der Schiiten als Ungläubige noch an dem Ziel, einen
       sunnitischen Gottesstaat zu errichten. Als Sarkawi im Juni 2006 bei einem
       Luftangriff der Amerikaner nördlich von Bagdad getötet wurde, war der
       Bürgerkrieg bereits voll im Gang. In Teilen des Landes und der Hauptstadt
       hatte er die mittelalterliche Version eines islamischen Staats
       verwirklicht, in dem es weder Schulen noch Strom geben darf. Nach Sarkawis
       Tod sanktionierte bin Laden den Mord an jedem, der die Amerikaner
       unterstützte, ob Sunniten, Schiiten oder Kurden.
       
       ## Gewaltniveau konstant
       
       Den Niedergang der irakischen al-Qaida läutete die Abkehr der Sunniten vom
       Terrorismus und ihr Bündnis mit den Amerikanern ein, was schließlich auch
       ihre schiitischen Gegenspieler zur Niederlegung der Waffen nötigte. Von
       Ende 2006 bis Anfang 2009 nahm die Gewalt drastisch ab. Obwohl die
       staatlichen Strukturen inzwischen gewachsen sind und die Sicherheitskräfte
       Dutzende von Al-Qaida-Führern festgenommen haben, ist das Gewaltniveau seit
       zwei Jahren mehr oder weniger konstant. Verglichen mit früher ist die
       irakische al-Qaida heute nur noch ein Schatten ihrer selbst. Aber es
       gelingt ihr weiterhin, in regelmäßigen Abständen Bombenanschläge zu
       verüben, die jeweils Dutzende von Toten fordern. Nicht alle Gewalt geht auf
       das Konto von al-Qaida. Gezielte Mordanschläge auf Beamte, die sich zurzeit
       häufen, werden Abrechnungen im Stil der Mafia zwischen den Parteien
       zugerechnet.
       
       Die Terroristen seien jedoch nicht mehr in der Lage, die staatlichen
       Fundamente zu erschüttern, sagte der schiitische Abgeordnete Abbas Bayati
       im Gespräch. So sehen es auch die Amerikaner, die nicht müde werden, die
       irakischen Sicherheitskräfte zu loben. Diese sind bei der Aufklärung und
       auch logistisch auf die Amerikaner angewiesen. Dass die Probleme bis zum
       Abzug der letzten US-Truppen Ende dieses Jahres gelöst werden könnten, wird
       sehr skeptisch beurteilt. Die größte Herausforderung sei trotz aller
       Fortschritte nach wie vor die Sicherheit, sagte Bayati, der dem
       parlamentarischen Sicherheitsausschuss angehört.
       
       ## Unter Einmischung der Nachbarländer gelitten
       
       Wie viele Iraker blickt er dabei auch auf die Entwicklungen in den
       Nachbarländern. "Wir mischen uns nicht in die Angelegenheiten der
       Nachbarländer ein", sagte Bayati. "Wir haben selbst unter der Einmischung
       unserer Nachbarländer gelitten. Statt anderen Sorge zu bereiten, wollen wir
       ein Faktor der Stabilität in der Region sein." Andere Politiker werden
       deutlicher. "Wenn sich der konfessionelle Konflikt in den Nachbarländern
       verschärft, bleiben auch wir nicht verschont, sagte Kabinettsmitglied
       Mohammed Allawi.
       
       Dieser Konflikt wird derzeit vor allem in Bahrain geschürt, wo das
       sunnitische Herrscherhaus mit Unterstützung von Saudi-Arabien erbarmungslos
       gegen die Schiiten vorgeht, die für Bürgerrechte und Demokratie auf die
       Straße gegangen sind. Die Solidaritätsbekundungen von schiitischen
       Politikern haben viele Sunniten im Irak verärgert und ihren Argwohn gegen
       die heute Mächtigen bestärkt, die für sie häufig nicht mehr als der lange
       Arm des Iran sind. Anders als während der Hoch-Zeit der al-Qaida sind die
       Sunniten heute in der Regierung vertreten. Sunniten leiden unter der Gewalt
       mindestens so wie die Schiiten. Viele Iraker sind jedoch pessimistisch. Die
       Beben in der Regionen verstärken das konstante Gefühl der Unsicherheit nur
       noch. Daran ändert auch der Tod von bin Laden nichts.
       
       5 May 2011
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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       einen Anschlag geplant haben.